Lisa Blech

L II


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Vater, den Bart frisch gestutzt und nun daran zupfend, schien das Thema gar nicht zu interessieren. Er hatte sich schon wieder die Zeitung geschnappt, saß neben seiner Frau und las darin. Wenn man noch entspannter sein konnte, wäre er wahrscheinlich Wackelpudding.

      „Ich geh mich erst mal frisch machen!“, sagte Loreley schnell und schon war sie aus dem Wohnzimmer und die Stufen zu ihrem Zimmer hoch gelaufen.

      Sie schnappte sich frische Kleidung und ging zwei Türen weiter ins Badezimmer, das sie sich mit ihrer Oma und ihren Eltern teilte. Es war jeden Morgen wieder erschütternd, wie früh ihre Eltern aufstanden und wie viel Zeit sie dann doch im Badezimmer verbrachten.

      Reine Zeitverschwendung!

      Das Mädchen nahm schnell eine erfrischende Dusche und sah extra nicht auf den Boden, um die viel zu verdreckte Farbe des Wassers nicht erkennen zu müssen. Sie shampoonierte sich das Haar und spülte dieses mit der riesigen starren Brause ab, die ihre Eltern extra angeschafft hatten, da man sich auf diese Weise fühlen konnte, als würde man unter einem kleinen süßen Wasserfall stehen.

      Tss.

      Loreley stieg aus der Kabine und ließ den heißen Wasserdampf daraus entfleuchen. Sofort waren beide Spiegel beschlagen. Loreley wischte mit einem kleinen Gästehandtuch über den Einen und trocknete sich dann ab.

      „Hau ab!“, sagte sie sicherheitshalber laut, falls einer der Jungs an der Tür stand und durchs Schlüsselloch lumschte.

      Sie traute den Beiden sehr viel zu, selbst Ted. Als sie auch noch Zähne geputzt und ihre Haare mit einem schnellen Wind getrocknet hatte, öffnete sie das kreisrunde Fenster des Bades und ließ die Feuchtigkeit in die Welt hinaus.

      ++++

      „Na, wieda allet jut?“, fragte Pius nach, als sie am Abendbrottisch um fünf auf der Terrasse saßen. (2)

      Ted und Pius hatten bis zum Nachmittag geschlafen – oder waren schon früher wach gewesen und erst zu dieser unseligen Stunde runter gekommen. Loreley hingegen hatte sich noch lange mit ihrer Mutter und Oma Jolanda über das Amt der Großhexe und die anstehenden Feste und Aufgaben unterhalten. Die Junghexe musste jedoch gleich, genau wie die zwei Quatschköpfe und die anderen fünf Wächter, zur Schicht antreten.

      Sie hatten mit den alten Wächtern abgesprochen, dass die Alten tagsüber und die neuen Wachhabenden nachts auf Schattenthal aufpassen würden. So machten sie sich, nachdem sie reichlich Salat und Kassler verspeist hatten, auf nach Schattenthal und nahmen ihre Plätze ein – in ihren 'Uniformen', den gewohnten Teams, wovon jedes für eine Himmelsrichtung zuständig war. Loreley und Ted bewachten den Süden.

      „Wirklich alles OK, L?“, hakte Ted nach.

      Sie konnte ihn in der Dunkelheit des Ausguckes kaum erkennen, nur seine blauen Augen strahlten ihr entgegen.

      „Ja, wenn ich's dir doch sage! Nochmal, und ich nenn dich Teddy – mach ich wirklich!“, scherzte sie etwas genervt und beide grinsten kurz.

      Sie konnten vom südlichen Wachturm des Mauerringes um die magische Stadt herum über den Schattenwald hinaus in die weite Welt sehen. OK, nicht ganz SO weit, aber es war ein herrlicher Ausblick. Loreley tastete die Umgebung nach Feinden ab – nichts.

      Sie setzte sich neben Ted auf eine Decke und lehnte sich an seine Schulter. Es war mitten in der Nacht und bitterkalt. Er schlug eine zweite Decke um Loreleys Schultern, sodass sie nicht frieren konnte.

      „Danke!“, nuschelte die Junghexe.

      „Kein Ding …“, erwiderte Ted und lehnte sich gegen die verblichene raue Holzwand ihres Unterschlupfes.

      „Jede Nacht das Gleiche, da kommt doch sowieso keiner. Wir haben ihren Boss … naja, wir wissen ja, was passiert ist. Und die 'Weiße Frau' hat seinen Tod bestätigt – unter einem Wahrheitsserum (3)!“, klagte Loreley ein wenig und knirschte dabei mit den Zähnen.

      Ihr Haar hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zurückgebunden, aber einige dicke Strähnen wollten nie darin bleiben und fielen nun an ihrem Hals hinab. Ted schaute bedacht aus dem Ausguck hinaus.

      „Sag das mal nicht. Hast du doch gestern gesehn, dass immer alles passiern kann!“, sagte Ted und schlang dabei die Arme um seine Beine.

      Loreley antwortete darauf nicht und presste nur ploppend Luft durch ihre Lippen. Dabei betrachtete sie Teds Haar, das sich in kleinen Wirbeln um seinen Kopf schlängelte und wirr davon abstand.

      „Ted?“

      „Ja, was?“, erwiderte er und fuhr sich dabei nervös durch die Wirbel.

      „Ted, guck mich mal an.“

      Er drehte sich um und sah ihr in die Augen – diese verwirrenden vielfarbigen und funkelnden Edelsteine. Ted schluckte schwer, hielt jedoch ihrem Blick stand. So saßen die beiden bestimmt fünf Minuten lang schweigend da.

      Na los! Das geht jetzt schon einen Monat lang so!

      Mach endlich was! (4)

      Ted schluckte noch mal schwer – die Augen geweitet – und beugte sich dann mit seinem Gesicht zu ihrem herunter, wobei sich ihrer beider Lippen zum ersten Mal trafen. Loreley schmeckte den Möhrensalat, den Ted zum Schluss noch gegessen hatte und musste fast kichern. Er nahm sie fest in den Arm und so verharrten sie dann, wobei sich ihre Lippen immer wieder trafen und sein flauschiger Bartflaum ihre Wangen kitzelte. Na endlich!

      „Ähm … chchchchmmm … stör ick?“, sagte ein ziemlich entrüsteter Pius, der plötzlich mit Herakles zusammen im Eingang des Ausguckes stand.

      „Und ick dachte doch ehrlich, dad wia Schattenthal bewachn solltn! Oh, da hab ick mich wohl geirrt!“, setzte Pius sarkastisch nach und starrte Ted mit seinen haselnussbraunen Augen finster an.

      „Was ist denn dein Problem?“, schnodderte Ted zurück und ließ von Loreley ab.

      „Ick? Ick hab keen Problem. Aba wir ham hier zu tun. Macht jefälligst eure Ufjabe!“

      Pius zog wütend ab; nur Herakles stand noch im Eingang und starrte die Beiden an. Er räusperte sich kurz.

      „Die Mädels haben was gesehen. Wir sollen alle zum nördlichen Turm kommen. Öhm. Jetzt.“, teilte er ihnen mit geröteten Wangen mit und war dann blitzschnell verschwunden.

      Verkrustete Flamingopopel!

      Als hättet ihr noch nie irgendwen knutschen sehn! Man, ey!

      Sie richteten ihre Sachen und Haare, lächelten sich verschmitzt an und stiegen dann hintereinander, Loreley voran, die Leiter zum Mauerring hinab, um zur Besprechung in den nördlichen Turm zu laufen. Auf dem Weg dorthin bemerkten sie nichts Ungewöhnliches.

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      „Ey, Pius, … !“, sagte Dana.

      „WATTTT?“, fauchte er zurück, wobei giftiges Grün in seinen sonst braunen Augen aufglomm.

      „Ähm, OK … gibste mir mal, BITTE, das Fernglas? Steht da neben dir!“, erwiderte Dana gleichzeitig schnippisch und bedacht.

      „Was ist dem denn über die Leber gelaufen?“, flüsterte Rosalie Herakles zu, der nur hochrot anlief und keine Antwort gab.

      Rosalie wandte sich enttäuscht ab. Als Dana das Fernglas gereicht bekam, waren dann auch alle versammelt. Loreley und Ted waren gerade durch die Tür des etwas größeren Wachturmes hinein gekommen und ließen sich wortlos auf dem kalten Steinboden nieder.

      „Also Leute!“, sagte Dana und sah nicht besonders begeistert aus. „Wir haben hier ein klitzekleines Problem! Ihr kennt doch die Riesen …“

      Einstimmiges bejahendes Gemurmel. Natürlich kannten sie die Lichtgänger. Doofer Kommentar.

      „Die sind diese Woche weg. Auf einem Kongress oder so. Ich hab nicht näher gefragt. Naja, auf jeden Fall haben sie als Ersatz ihre Cousins – Trolle – herbestellt und … öhm … schaut