Christiane Weller / Michael Stuhr

Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie


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da noch ´ne Modenschau. Coole Freizeitkleidung und so, und dann machen wir noch einen kleinen Intelligenztest.“ Hilfesuchend schaut sich Pauline zu uns um.

      „Das ist aber noch nicht alles“, stellt die Mutter säuerlich fest. „Ich habe das Plakat gesehen.“

      „Na, ja“, druckst Pauline herum, „tanzen müssen wir auch noch.“

      „Aber in der Gruppe“, versuche ich ihr zu helfen.

      „Im Badeanzug!“ Paulines Mutter verzieht den Mund.

      „Wir dürfen!“ platzt nun auch Fleur heraus. „Lassen Sie Pauline doch auch mitmachen, das wird so ein Spaß.“

      Paulines Mutter ignoriert Fleurs Einwand und schüttelt mit verkniffenen Lippen energisch den schmalen Kopf. „Nein, kommt nicht in Frage! Und das ist mein letztes Wort. Pauline, du machst mir bei diesem unwürdigen Spektakel nicht mit!“

      „Och Maman!“ Paulines Stimme hört sich richtig verzweifelt an. „Die Gewinnerin vom letzten Jahr soll sogar einen Plattenvertrag gekriegt haben.“

      „Das fehlt mir gerade noch.“ Madame Poireaux schaut streng über ihre randlose Brille hinweg. „Es bleibt beim Nein!“

      „Darf sie dann wenigstens unsere Beraterin in Klamottenfragen werden?“ werfe ich schnell ein und ernte einen dankbaren Blick von Pauline.

      Die Mutter kaut ohne sichtlichen Genuss an einem Stück Miesmuschel und überlegt. „Na gut“, verkündet sie schließlich, „aber nur das und sonst nichts. Haben wir uns verstanden Pauline?“

      „Ja Maman! Merci Maman!“ sagt Pauline und springt vom Tisch auf. „Darf ich gehen Maman?“ fragt sie schnell. „Wir haben noch so viel zu besprechen.“ Madame Poireaux nickt mit verzogenen Lippen. Paulines Vater hat in der ganzen Zeit keinen Ton von sich gegeben und nur konzentriert sein Essen in sich hineingeschaufelt.

      Als wir die Terrasse verlassen, will ich den Sand spüren. Ich ziehe meine Schuhe aus und nehme sie in die Hand. Ich bemerke, wie Paulines Vater aufsteht und hinter uns her kommt. - Was denn jetzt noch?

      Als er bei uns ist, hat er schon seine Brieftasche geöffnet und drückt Pauline schnell 50 Euro in die Hand. „Für dringend benötigte Accessoires und so für euch alle“, murmelt er und grinst, während er weiter zur Toilette hinter dem Restaurant geht und sich dabei die Hosen hochzieht.

      „Merci Papa!“ flüstert Pauline und guckt schnell zu ihrer Mutter hinüber, um sich zu vergewissern, dass die auch nichts bemerkt hat.

      Ich sehe zu meinem Vater hin, aber der unterhält sich gerade mit einem Mann am Nachbartisch. - Da könnte ich lange warten, bis der auf so eine Idee kommt.

      Arm in Arm gehen wir drei über den Strand.

      „Wait for mich!“, hören wir plötzlich eine Stimme. Felix springt vom Tisch ihrer Eltern auf und rennt hinter uns her.

      „Und, darfst du?“ frage ich sie, als sie uns eingeholt hat.

      „Zuerst war meine Mutter not amused – kennt ihr den Ausdruck?“

      „Wie die Queen“, sage ich. „Die ist manchmal auch not amused, oder?“

      „Genau!“, grinst Felix. „Aber dann hat mein Dad gesagt, und peng, war alles okay!“

      Plötzlich gibt es hinter den Pinien einen gewaltigen Knall und einen Lichtblitz. Die Silhouetten der Bäume stehen dunkel vor einem rötlich erhellten Hintergrund.

      „Feuerwerk!“, jubelt Fleur und da steigt auch schon die nächste Rakete in den dunklen Himmel. Sie zerplatzt in tausend funkelnde Sterne.

      Im Restaurant stehen einige Leute von ihren Tischen auf und kommen auch ein paar Schritte weit an den Strand, um besser sehen zu können.

      Immer neue Lichteffekte tauchen am Himmel auf und das Feuer gibt den Farben eine Intensität, die man sonst nicht erleben kann. Das Spektakel steigert sich bis zu dem Moment, wo gleich fünf große Raketen in einer Kaskade von schillernden Farben gleichzeitig explodieren.

      „Wow, das war geil“, sagt Fleur, aber jetzt geht es erst richtig los: Wieder fängt es mit ein paar kleineren Raketen an, die in immer schnellerer Folge aufsteigen. Jetzt gibt es auch jaulende Geräuscheffekte bei jedem Start, sodass es sich anhört, wie ein einziger an- und abschwellender Ton. Immer greller, immer bunter leuchtet der Himmel in allen denkbaren Farben. Man weiß gar nicht mehr, wo man hinschauen soll.

      Vom Restaurant her hört man einstimmiges „Ah!“ und „Oh!“ Ein kleiner Hund fegt kläffend über den Strand, springt immer wieder in die Höhe und versucht, die Lichter zu jagen und zu fangen.

      Ich zeige Felix, was er für witzige Sprünge macht und sie lacht hell auf. „Crazy!“

      Mittlerweile nähert das Feuerwerk sich dem Ende und im Finale ergießen sich acht anemonenförmige Strukturen über den Nachthimmel, die sich immer mehr ausbreiten bis sie schließlich ineinanderfließen.

      „Hey, war das nicht toll?“ sagt Pauline.

      „Klasse“, nickt Fleur.

      „The best war der Hund“, meint Felix.

      „Was denn für’n Hund?“ will Fleur wissen.

      „Na den da.“ Felix will Fleur den niedlichen kleinen Kerl zeigen, aber er ist schon wieder zwischen den Tischen des Restaurants verschwunden. „Ups, ist weg!“, stellt sie fest und wendet sich uns wieder zu.

      „Hör mal, Pauline, das war ja ´ne tolle Nummer von deinem Vater eben“, meint Fleur gerade.

      „Ja, er macht solche Sachen immer heimlich. Mir soll’s recht sein, wenn so was dabei rauskommt“, grinst sie und entfaltet im schwachen Licht der Restaurantbeleuchtung hinter uns den 50 Euro Schein.

      Barfuß schlendern wir zum Ufer und lassen uns in den immer noch warmen Sand fallen. „Autsch!“ schreit Pauline auf.

      „Was ist los?“, will Fleur wissen.

      „Hab mir den Hintern an ’ner Muschel aufgeschnitten, glaub ich.“

      „Schlimm?“

      „Ach, nicht wirklich“, meint Pauline. „Hab mich nur erschreckt. Au, mein armer Arsch!“

      „Macht nix, hast ja genug davon“, grinst Fleur und bekommt dafür von Pauline eine Handvoll Sand in die Haare.

      Eine zeitlang schauen wir schweigend auf das dunkle Meer. Leichte Wellen spülen kleine weiße Gischtstreifen an den Strand. Die Luft ist mild und es riecht würzig nach Kräutern und Pinien.

      „Dann lasst uns mal überlegen, was wir brauchen Mädels.“ Fleur wirft ein Steinchen, mit dem sie gerade gespielt hat, ins Wasser und wendet sich uns zu.

      „Also wir brauchen“, sprudelt Pauline sofort heraus, so als hätte sie nur auf’s Stichwort gewartet. Während sie aufzuzählen beginnt, benutzt sie die Finger: „schicke Badeanzüge, coole Freizeitklamotten, gute Frisuren und jeder einen Titel, den er singen kann.“

      „Oh Mann, das Singen“, stöhnt Fleur entsetzt auf, „Mon dieu, das kann ich doch gar nicht! Während andere singen, plärre ich wie ein Esel!“

      Felix schmeißt sich rückwärts in den Sand und kugelt sich vor Lachen. „Wie ein Esel“, stammelt sie zwischendrin immer wieder atemlos. „Sie muss singen, und peng sie ist ein Esel! – Crazy!“

      „Ja“, meint Fleur mit einem verzweifelten Grinsen, „soll ich mal eine Kostprobe geben?“ Und schon fängt sie an, ‚My heart will go on’ zu kreischen, bis wir uns alle vor Lachen im Sand wälzen und nur noch stöhnen können: „Hör auf!“ – „Hör bitte auf!“ – „Gnade!“

      Pauline fasst sich als erste und verkündet atemlos: „Okay, Fleur, du hast uns überzeugt! Für dich brauchen wir dringend ein Lied mit möglichst wenig Text und vor allem nicht in so ´ner hohen Tonlage“ Was könnt ihr denn singen?“ wendet sie sich an mich und Felix.