Thomas Helm

"Tödliches Finitum"


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ihm Kappner mal erklärt hatte. »Ich muss auch wieder los. Er erhob sich und griff nach seinem Mantel. »Also, wir klingeln uns an. Ja?«

      Sie reichten sich die Hand und Steincke verließ mit ausgreifenden Schritten das Betriebsrestaurant.

       Eine Zwischenbilanz

      Die vergangenen Jahre waren, wenn man es von der geschäftlichen Seite aus betrachtete für die »FUSIONA« sehr erfolgreich gewesen.

      Ihr Dienstleistungsnetz, insbesondere auf den Gebieten des Objektschutzes und der Sicherheitsdienste lag nunmehr über ganz Deutschland ausgebreitet.

      Die Kooperation mit Kuragins Firma bestand weiterhin. Sie war sogar noch ausgebaut worden.

      Denn aufgrund der steigenden Nachfrage wurde der Absatz von Rauschmitteln kontinuierlich erhöht. Damit generierte sich weiterhin die größte Einnahmequelle ihrer gemeinsamen Unternehmungen.

      Personelle Veränderungen gab es innerhalb der Firmenleitung nicht. Wenn man davon absah, dass Zernick die Firma seit langer Zeit im Grunde genommen allein führte.

      Dieter Baumann war eigentlich nur noch auf dem Papier als Geschäftsführer tätig. Der Krebs hatte ihn schon fast aufgefressen.

      Besonders hoffnungslos wurde sein Zustand vor gut drei Monaten. Nachdem seine kostenintensive Gattin in einem skandalträchtigen Vorfall zu Tode gekommen war. Dass sie dabei von ihrem jungen Liebhaber aus dem Fenster geworfen wurde, machte ihm besonders zu schaffen. Seit dem widmete er sich in einem sehr teuren Pflegeheim seiner Krankheit.

      Natürlich war Baumann immer noch der alte Kämpfer. Wie lange er seinem tödlichen Feind allerdings noch widerstehen konnte, war höchst ungewiss. Seine ursprünglichen Aufgaben in der gemeinsamen Firma teilten sich seitdem Zernick und Weiler.

      Der Not gehorchend mussten die beiden die zusätzliche Belastung auf sich allein nehmen. Denn der stattlichste Anteil am betrieblichen Gesamtumsatz stammte von den Erlösen aus dem Rauschmittelgeschäft. Schon daher konnten sie keinen unbelasteten Dritten in diesen Bereich der Geschäftsführung mit einbeziehen. Wie sich das aber in der Zukunft gestalten sollte, wenn zum Beispiel einer von ihnen beiden auch noch ausfallen würde stand in den Sternen.

      Zernick ging inzwischen straff auf sein vom Gesetzgeber festgelegtes Renteneintrittsalter zu. Daher schob er dieses unselige Thema stets weit von sich. Denn wer sollte ihn in der Firma ersetzen?

      Darüber hinaus beunruhigte ihn seit einiger Zeit ein anderes Problem.

      Waren es nur Zufälle, dass die Ehefrauen seiner Partner innerhalb von nur fünf Jahren zu Tode kamen?

      Denn eine vorsätzliche Tötung durch ein Kraftfahrzeug und ein erzwungener Fenstersturz lagen wohl im bedenklichen Bereich der Betrachtung. Auch, wenn beide Vorkommnisse offensichtlich in keinem Zusammenhang standen.

      Indem er Weiler und auch Baumann dazu vorsichtig befragte, bekam er eine zweifache Abfuhr. Zu diesen unsäglichen Themen wollten sie sich nicht äußern.

      Horst Weiler hatte inzwischen sein unbestreitbares Übergewicht gut stabilisiert. Eine weitere Gewichtszunahme konnte er auf Anraten seines Arztes nur durch eine drastische Veränderung seiner Essgewohnheiten verhindern. Was ihm anfangs sehr schwer fiel. Im Laufe der Zeit fand er sich jedoch mit seinem bitteren Los ab.

      Wenn sich seine Tischpartner ein schönes Berliner Eisbein einschoben, begnügte sich Weiler mit einer zarten Hähnchenbrust. Natürlich ohne jede knusprige Panade!

      Schon bald nach dem Ableben seiner Frau gestand er sich sein »immer-noch-Mann-sein« erneut ein. »Ich bin letzten Endes nicht ins Kloster gegangen, sagte er irgendwann mal zu Zernick. »Aber nur, wenn mir danach ist, bestelle ich mir für einen Abend telefonisch eine der besten Edelnutten. Die auch hier in der Hauptstadt im Homeservice zu haben sind!«

      In der Firma hingegen berieten Zernick und Weiler alles gemeinsam. Vorrangig, was zur Entscheidung und zur Planung anstand.

      Die Überhänge aus den »zusätzlichen Einnahmen« investierten sie nach wie vor in teure Immobilien.

      Jedes Jahr vermittelte Steincke bis zu drei Rendite- Objekte an Kuragins Firma. Diese Geschäfte liefen ausschließlich über die »NOWYPERM«.

      Zernick und Weiler bestanden nach wie vor darauf, dass sie bei allen diesen Transaktionen im Hintergrund blieben. Steinckes Partner war einzig und allein Kuragin.

      Doch der Russe selbst war nicht nur älter geworden. Sondern mittels einhundertzehn Kilo Lebendgewicht auch optisch eindrucksvoller. Seine weiteren äußerlichen Veränderungen jedoch waren unerheblich. Sie beschränkten sich auf den Verzicht seines rustikalen Schnauzbartes. Dafür trug er nunmehr eine edle, schmale Brille. Seinen raspelkurzen Haarschnitt behielt er bei. Das Äußere war nach wie vor gepflegt, seine Kleidung wirkte teuer. Inzwischen sprach er ein fast akzentfreies Deutsch.

      Seine Frau Alissa fand schon vor einigen Jahren in Zernicks Frau Lydia eine innige Freundin. Die Damen verbrachten viel Zeit miteinander.

      Lydia war diese Abwechslung natürlich recht. Versuchte sie doch schon lange den Verlust der jüngeren Tochter zu verarbeiten.

      Nachdem das Mädel Mitte der Neunziger hart ins Drogenmilieu abdriftete, war bald alle Hilfe vergebens. Sie verschwand von zuhause, rief nur gelegentlich an. Zwar klang das jedes Mal wie ein Hilferuf. Doch zu einer Rückkehr ins elterliche Heim ließ sie sich nie bewegen.

      Zwei Jahre später fand man sie in einem Abrisshaus. Tot durch Überdosis.

      Auch Zernick trug schwer an dieser Last. Zumal er sich zum einen Vorwürfe machte als Vater versagt zu haben. Zum anderen kamen ihm erste Zweifel, die sich auf seinen langjährigen Handel mit dem tödlichen Stoff richteten.

      Dessen ungeachtet drängte er den Riesenprofit stets vor Augen, dieses unangenehme Thema immer beiseite. Wobei ihm der Widersinn seines Handelns vollauf bewusst war.

      Am frühen Vormittag erhielt Zernick einen Anruf auf einem seiner Handys. Dessen Rufnummer war nur wenigen bekannt. Kuragin teilte ihm mit, dass er sich unbedingt und sofort mit ihm treffen müsste.

      In Erwartung des Russen stand Zernick an einem Fenster in seinem Büro. Unvermittelt spürte er eine innere Unruhe.

      Warum nur wirkte Kuragin am Telefon so aufgeregt?

      Zernick stützte sich auf die breite Fensterbank aus edlem Marmor und starrte hinab auf die Friedrichstraße.

      Der Tag war der Jahreszeit entsprechend nasskalt, grau und windig. Woran auch die bunten Weihnachtsdekorationen, die sich über die Straßenschlucht schwangen nichts änderten.

      Tausende Fußgänger drängten sich auf den Gehsteigen. Schier endlose Fahrzeugschlangen schoben sich in beiden Richtungen langsam durch die enge Magistrale.

      Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück und setzte sich.

      Knapp eine Stunde nach seinem Anruf betrat Kuragin das Büro. »Entschuldigen Sie bitte, Ralf, dass ich so überraschend über Sie hereinfalle!«, eröffnete der Russe das Gespräch, nachdem ihm Zernick einen Sessel angeboten hatte. Seinen modischen, mit einem feinen Pelzkragen geschmückten Ledermantel, warf er achtlos über einen Stuhl. Rasch, fast hektisch schaute er sich im Raum um, bevor er sich setzte. »Ich war aufgrund von jetzt eingetretenen Situation der festen Überzeugung, dass ich Ihnen meine neuesten Erkenntnisse sofort mitteilen muss.« Kuragin sprach mit gesenkter Stimme und zerrte eine Zigarettenschachtel aus seinem Jackett. »Denn ich bin mir jetzt ganz sicher darin zu wissen, wer die letzten Jahre unsere Geschäfte sabotiert hat!«

      Zernick riss überrascht seine buschigen Augenbrauen hoch, beugte sich seinem Gegenüber über den Schreibtisch entgegen. »Wer zum Teufel ist es? Und wie haben Sie das endlich heraus bekommen?« stieß er erregt hervor.

      Der Russe grinste übers breite Gesicht, brannte sich jedoch erst einmal eine Zigarette an. Das tat er, obwohl er wusste, wie sehr es Zernick störte, wenn man in seinem Büro rauchte. »Nun gut, der Reihe nach«, fuhr er schleppend fort und blies