carla de bakel

Luis Lobster und das Geheimnis von Nevermore


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KK Krach und Kaos

       MCMI römische Ziffern = in arabischen Ziffern: 1901

       THX! Thanks

       *@!?$ ! Fluchdarstellung im Comic

      ENGE Einer Notdurft Gehorchend, Entschuldigung

       RE zurück

       wb welcome back

       CY L8ER see you later

       WW Wer weiß

       S ass; engl.: Hintern, Arsch

       KA keine Ahnung

       G8 gute Nacht

       Biba bis bald

      Kapitel 3

       18.06.2012, Montag !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

      Erster Schultag. Das Klingeln des Weckers heute Morgen war brutal und ich natürlich noch todmüde. Es gab kein Entkommen: Der Gang zum Schafott stand unmittelbar bevor. Wenn ich schon hingerichtet werden sollte, dann aber wenigstens im passenden Outfit. Höchste Zeit den Kleiderkarton auszuräumen - das ständige Suchen ging mir langsam auf die Nerven. Immerhin wurde ich fündig: ein uraltes, verblichenes Hemd mit Perlmuttknöpfen und meine moosgrüne Lieblings - Weste aus Samt; beides Flohmarktfunde aus dem letzten Jahr. In der Küche wirbelte meine Mutter bereits geschäftig herum und summte fröhlich eine Melodie.

      »Guten Morgen, mein Schatz. Ausgeschlafen?«

      Dämliche Frage, die ich nur mit einem Gähnen beantworten konnte. Ohne Appetit rührte ich in meiner Schüssel Cornflakes und schwieg. Unerträglich, diese gute Laune. Die Frau hatte außerdem gut lachen; sie musste sich auch nicht gleich von mindestens fünfundzwanzig Paar neugieriger Schüleraugen anstarren lassen.

      »Du weißt schon, dass wir hier in einer merkwürdigen Gegend gelandet sind, oder?«, fragte ich sie daher und freute mich über ihr Stirnrunzeln.

      »Wieso, wie kommst du denn darauf?«

      »Unser Nachbar ist ein uralter, einäugiger Zwerg, der nachts auf unserem Dachboden herumschnüffelt. Herr Egon heißt er übrigens, und ich würde an eurer Stelle das Schloss austauschen lassen.«

      Mit den Worten: »Ach, das ist ja interessant!«, betrat mein Vater die Küche und grinste breit. Er schenkte sich einen Becher Kaffee ein und setzte sich. »Ein Zwerg? Und wie sah er aus? Rote Mütze, grüne Schürze?«

      »Nee, mit Gartenarbeit hatte der überhaupt nichts am Hut; er sah ein bisschen aus wie Rumpelstilzchen, aber eleganter - mit Anzug.«

      »Gestern war Vollmond, da träumt man oft wirres Zeug. Weißt du eigentlich, dass das, was man in der ersten Nacht in einem neuen Haus träumt, eine besondere Bedeutung hat?«

      Typisch Dad, dachte ich und verkniff mir eine Antwort. Stattdessen wünschte ich mir, nur einmal älter und klüger zu sein als er und für jede Gelegenheit einen Spruch auf Lager zu haben, der keine Widerrede zuließ. Da fiel mir ein, dass ich ja einen Beweis hatte. »Hier in der Stadt muss irgendwo ein Schatz versteckt sein. Dieser Herr Egon hat nach der Karte gesucht, und ich habe sie gefunden. Soll ich sie euch zeigen?«

      Doch Dad winkte ab. »Später, mein Sohn. Ich muss los.« Er gab Mum einen Kuss und mir einen freundschaftlichen Knuff. Dann wünschte er mir viel Glück für den ersten Schultag und beglückwünschte mich zu meiner reichen Fantasie.

      »Warte nur, bis ich den Schatz gefunden habe!«, rief ich ihm wütend hinterher, »keine einzige Goldmünze bekommst du dann ab. Ungläubige gehen leer aus!« Wütend schnappte ich mir meine Schultasche und verließ die Küche. Ich wollte unbedingt noch einmal auf den Speicher.

      Eines war sicher: Das mit der Karte hatte ich nicht geträumt. Die lag oben in meinem Zimmer, neben der Sternenzeichnung, und auch die war kein Traum. Aber was war mit dem Zwerg? Im grauen Tageslicht, das durch zwei alte Dachlukenfenster fiel, machte der Raum einen ganz gewöhnlichen Eindruck: ein verstaubter Dachboden eben. Aber eine der Dielen in der Nähe des Kamins war zerbrochen. Und dahinter, gleich neben der Truhe, stand die kleine Petroleumlampe. Na, bitte, wenn das kein Beweis war.

      Aber nun gab es kein Pardon mehr - wenn ich nicht gleich am ersten Tag zu spät kommen wollte, musste ich jetzt auf Warp-Antrieb höchste Geschwindigkeitsstufe schalten. Punkt 7.50 würde mich Herr Dr. von Duhn, der Direx meiner neuen Schule in seinem Büro erwarten.

      7.52: Ein wenig verschwitzt von dem Sprint mit dem Rad, versuchte ich mein abstehendes rotes Haar zu bändigen, zog meinen Bauch ein und klopfte so forsch es mein dem Untergang entgegen sehender Gemütszustand zuließ, an die Tür des Büros.

      »Herein spaziert!«, rief eine jovial klingende Stimme, die zu einem korpulenten, ebenfalls rothaarigen Herrn mittleren Alters gehörte. Er stellte sich mir als „der Chef“ vor, betrachtete mich mitfühlend durch seine runde Nickelbrille, begrüßte mich als neues Mitglied des Helenen -Gymnasiums und legte mir väterlich eine Hand auf die Schulter, während wir die Gänge entlang schritten, meiner neuen Klasse, dem eigentlichen Platz der Hinrichtung, entgegen. Ich atmete tief und gleichmäßig in meinen Solar Plexus (das ist der Punkt in der Magengrube, wo das Nervengeflecht zusammen läuft). Hilft super bei Stress.

      »Leidest du an Asthma?«, fragte der Rektor besorgt, was ich kopfschüttelnd und weiter bewusst ein und aus schnaufend verneinte. Er öffnete die Tür und da waren sie: meine neuen Mitschüler. Fünfundzwanzig mehr oder weniger pubertierende Fremde. Und Frau Renander, die Klassen - und Lateinlehrerin.

      »Das ist unser Neuankömmling, der Luis Lobster!«, Herr Dr. von Duhn schob mich vor sich her in die Klasse hinein. So wie sie mich anglotzten, hätte er mich auch als achtes Weltwunder vorstellen können; den Neuen, mit der roten Sturmfrisur und dem Schwimmring um die Hüften.

      »Nomen est omen!«, kam es von einem schwarzhaarigen Typen in der ersten Reihe. Die Klasse brüllte vor Lachen; anscheinend waren sie alle sehr sprachbegabt und hatten sofort erfasst, das „Lobster“ das englische Wort für Hummer war. Und diese waren bekanntlich rot. Hummerrot, genauso wie meine Haare und vermutlich auch mein Gesicht. Frau Renander unterbrach den Trubel und schickte mich auf einen leeren Platz in der vorletzten Reihe neben Pamina, einem ernst blickenden Mädchen mit strengem Zopf. Sie lachte nicht, nickte mir nur kurz zu und rückte dann etwas zur Seite; so als hätte ich Aussatz oder würde streng riechen. Ich schnupperte unauffällig, konnte aber nicht fest stellen, dass mein Deo versagt hatte. O.k., dachte ich, vielleicht liegt es nicht an mir. Wer mit dem Namen Pamina gestraft ist, wird es sicher nicht so leicht haben im Leben. Die Tochter der Königin der Nacht aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ hieß so. (Schließlich war ich nicht umsonst der Sohn von kulturschaffenden Eltern.)

      Die weiteren Stunden verliefen mehr oder minder ereignislos. Ich lernte noch drei andere Lehrer kennen und überstand auch die Pausen ohne Zwischenfälle. Niemand interessierte sich großartig für mich. Alle waren extrem mit ihren Handys beschäftigt und auch ich simste ein bisschen mit Max hin und her, so dass wir beide auf dem neuesten Stand waren.

      Als ich nach Hause kam, strömte mir ein wunderbarer Duft aus der Küche entgegen. Mum hatte gekocht. Sie fing erst morgen wieder an zu arbeiten.

      »Na, Luis, du lebst ja noch!«, begrüßte sie mich und füllte mir meinen Teller voll mit Fleischklößchen und Kartoffelpüree. Ich lieferte einen Kurzbericht meines ersten Schultags ab und versuchte sie dann auszufragen, wie und wann sie eigentlich Dad kennen gelernt hatte. Weder mein Vater noch meine Mutter waren rothaarig und meine Ähnlichkeit mit Herrn Dr. von Duhn hatte mir doch zu denken gegeben. Kinder von Schuldirektoren