Reinhold Vollbom

Grüße von Charon


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der Rückfahrt im Wagen sprachen beide kein Wort. Zu Haus angekommen legte er seine Arme um ihren Oberkörper. »Jetzt gehören wir einander.«

      »Endlich«, hauchte sie sanft. Hierbei sah sie ihn begierig lächelnd an.

      ◊

      Nachdem George Talgar vor Jennys Villa vorfuhr, staunte er über die vielen Fahrzeuge, die dort vor der Tür standen. Was war in den letzten drei Tagen passiert, an denen er nicht hier war?

      »Wer sind Sie?«, fragte eine barsche Männerstimme, nachdem George das Haus betreten hatte.

      »Das könnte ich Sie auch fragen«, entgegnete dieser trocken.

      »Kommissar Barlocki, von der Mordkommission.« Die Antwort kam prompt.

      Nach und nach versuchte George Talgar die Umstände zu begreifen. Er stellte sich kurz dem Kommissar vor. »Wurde jemand umgebracht? Haben Sie irgendwo eine Leiche entdeckt?«

      »Wie gut kannten Sie Jenny Makroweit?«

      »Kannten?! Wieso kannten?!« George Talgar sah den Kommissar mit geöffnetem Mund an.

      »Nun, sie wurde hier ermordet. Der Arzt schätzt, vor etwa zwei Tagen. Darf ich Sie einmal nach Ihrem Alibi fragen?!«

      »Herrje, über jede Minute kann ich natürlich nicht … Was ist das?« George Talgar bemerkte einen Plastikbeutel auf dem Tisch, indem eine Pistole eingetütet war.

      »Vermutlich die Tatwaffe. Draußen vor der Tür, in den Büschen lag sie. War nicht schwer zu finden. Wir müssen noch die Fingerabdrücke nehmen.«

      Durch den Beutel hindurch erkannte er die Waffe. Es war die, mit der er Henning Makroweit erschossen hatte. Das ist nicht möglich, schoss es ihm durch den Kopf. Es war scheinbar ein ähnliches Modell. »Wie haben Sie die Tote gefunden?« Jennys Tod hatte er rasch verkraftet. Was ihm im Magen lag, war die Frage, wer sie umgebracht hat und warum.

      »Ein anonymer Anrufer hat uns darauf aufmerksam gemacht. Er hätte einen Schuss gehört, schon vor zwei Tagen. Und es ließe ihm keine Ruhe. Vermutlich einer der Nachbarn.«

      »Warum hat man Sie umgebracht?« George Talgar sah den Kriminalbeamten verständnislos an.

      »Nun, aus unserer Sicht hat augenblicklich nur einer einen Grund gehabt: Sie!« Der Kommissar sah sein Gegenüber forschend an, bevor er weiter sprach. »Jenny Makroweit hat Sie einen Tag vor ihrem Tod zum Alleinerben eingesetzt. Auf ihrem Namen war ebenfalls eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen.«

      Die Augenbrauen von George Talgar schoben sich zum Haaransatz. Davon hatte sie ihm nichts erzählt. »Das wusste ich nicht.« Er bemerkte wie künstlich und unglaubwürdig seine Antwort klang.

      »Aber so einfach ist das nicht mit dem Erbe. Der Schwager von Frau Makroweit hat Anspruch auf einen Pflichtanteil. Und wenn wir Sie des Mordes überführen, bekommt er sogar alles.«

      »Welcher Schwager?«

      »Der Bruder von ihrem tödlich verunglückten Ehemann, Hilmar Makroweit. Er lebt seit einigen Jahren irgendwo in Brasilien. Henning, der Verunglückte, hatte ihn vor Kurzem eingeladen, einige Zeit bei ihm zu verbringen. Und nun kommt er hier an und hört, dass sein Bruder tödlich verunglückt ist.«

      George Talgar erinnerte sich flüchtig. Er hatte mal von einem Bruder von Henning gehört. Seiner Meinung nach war dieser aber irgendwo in Südamerika umgekommen. »Wo ist der Bruder jetzt?«

      »Am Flughafen.«

      »Haben Sie seine Papiere kontrolliert?«, forschte George kritisch nach.

      »Dem armen Kerl haben sie hier am Flughafen das ganze Gepäck nebst Papieren gestohlen. Allerdings haben wir in Erfahrung gebracht, dass ein gewisser H.Makroweit tatsächlich in Rio abgeflogen ist. Ohne Ausweis wäre das gar nicht möglich gewesen.«

      Die Gedanken von George Talgar überschlugen sich. Das H., auf der Abflugliste, war die Abkürzung für Henning. Darauf kam der Kommissar nicht, denn der war für ihn tödlich verunglückt. Sein Blick glitt nochmals zum Plastikbeutel auf dem Tisch. Wenn das die Pistole war, mit der er auf Henning geschossen hat, waren auf dieser Waffe auch seine Fingerabdrücke. George lief es eiskalt den Rücken herunter. In der Pistole befanden sich also Platzpatronen, bei dem Schuss auf Henning. Deshalb kam es ihm so vor, dass er nach dem Knall zuerst lächelte, bevor er umfiel. Später ersetzte er sie durch richtige Patronen und erschoss Jenny damit. Wenn Henning es behutsam angestellt hatte, waren da tatsächlich nur seine Fingerabdrücke drauf.

      »Bringen Sie ihn erst mal auf’s Revier, um die Fingerabdrücke zu nehmen.« Kommissar Barlocki wies einen der Beamten an, George Talgar mitzunehmen. Beide waren im Begriff die Villa zu verlassen, da wären sie fast mit einer anderen Person zusammengestoßen.

      »Henning!«, stieß George Talgar fassungslos aus.

      Der Angesprochene sah ihn mit bedeutungsvoller Miene an. »Ich weiß, dass ich Henning sehr ähnlich sehe. Ich bin sein Bruder Hilmar.«

      George Talgar ist der Glanz in den Augen des anderen nicht entgangen. So glänzen nur die Augen von Siegern.

      Die Zwillingsschwestern

      »Du? Was willst du denn hier?!« Die Augen von Margot Pulsek weiteten sich verdutzt bei diesen Worten. Ihr ein wenig angegrautes braunes Haar hob die scharfen Gesichtszüge besonders hervor. Die Person, die ihr wie ihr eigenes Spiegelbild gegenüberstand, hatte Schwierigkeiten mit einer Antwort.

      »Ich dachte, Schwestern müssen doch zusammenstehen …«

      »Komm rein«, erklang es knapp und konsequent.

      Gehorsam betrat Helene Gratmeyer die großzügig ausgestattete Villa ihrer Zwillingsschwester. Ein flüchtiger Blick genügte ihr, um zu erkennen, dass sich in den letzten fünf Jahren nichts geändert hatte. So lange war es her, dass ihre Schwester sie hier rausschmiss. Kurz nachdem ihr Schwager starb, hatte sich das Verhältnis der beiden zunehmend verschlechtert. Margot Pulsek, die nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes wirtschaftlich unabhängig war. Und sie, dass geruhsame Mauerblümchen, das um jeden Krümel von ihr bettelte.

      »Wie viel?« Margot Pulsek sah ihre Schwester mit durchdringendem Blick an.

      »Ich verstehe nicht …?«

      »Tu nicht so, Helene. Dir liegt doch nichts an unserer geschwisterlichen Beziehung. Ich kenne dich lang genug. Das Geld, das ich dir damals gab, nachdem du auszogst, ist sicherlich aufgebraucht. Also sag mir wie viel und verschwinde wieder.«

      Hierfür hasste sie Margot über alles. Dieses Kluge, Besserwisserische das sie von sich gab. Noch mehr bereitete ihr Verdruss, dass ihr klar war, dass Margot recht hatte. »Er hat mich sitzen lassen, der Schuft.« Helene fiel es schwer, diese Worte hervorzubringen. Aber sie war nicht in der Lage ihr etwas zu verheimlichen.

      »Habe ich dir damals nicht gleich gesagt, lass diesen Taugenichts sausen?! Aber nein, meine Schwester war pikiert, wie ich so über ihre große Liebe reden konnte. Du lernst es nie!«

      Helene hatte mit einer Standpauke gerechnet. Die Worte schmerzten sie aus diesem Grunde nicht. »Er hat einen Haufen Schulden gemacht und ist mit meiner Freundin durchgebrannt.« Gleich darauf nannte sie ihrer Schwester die Summe, die sie benötigte.

      Sekundenlang war es totenstill im Zimmer. Schließlich antwortete ihr Margot Pulsek mit verhaltener, aber hartnäckiger Stimme. »Das ist ja ein Vermögen, mit dem er sich abgesetzt hat. Wie ist er denn an so viel Geld herangekommen?«

      »Das weiß ich auch nicht. Höchstwahrscheinlich erschwindelt. Nachdem ich seinerzeit für ihn eine Bürgschaft unterschrieben hatte, hält die Bank sich nun an mich. Entweder ich kann zahlen oder ich kann mir bei dieser Summe gleich einen Strick nehmen.«

      »Liebe Helene, ich will es kurz machen. Du wirst einsehen, dass ich mich nicht für meine Warnungen über diesen Faulpelz umsonst beschimpfen ließ. Andererseits dafür auch noch bezahle, dass ich recht hatte. Das haut nicht