Ulrich Paul Wenzel

Es Geht Auch Anders


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wo ich mich noch einmal umdrehte. »Und was ich Ihnen noch sagen wollte, Köhler, falls ich noch einmal auf die Welt kommen sollte, möchte ich so sein wie Sie.« Ich zog eine Fratze und gleichzeitig den Kopf zurück, schmiss die Tür zu und eilte mit schnellen Schritten dem Ausgang entgegen.

      »Mach’s gut, Tina, das war mein letzter Arbeitstag in dieser Scheißbude«, rief ich, als ich am Empfang vorbeischnellte. »Ich komme morgen noch mal vorbei und gebe die Schlüssel und den ganzen anderen Plunder ab. Und dann nehme ich meinen Resturlaub.«

      Martina, die sich gerade die Finger manikürte, hob den Kopf und starrte mich an, als wäre ich gerade mit einem Auto durch die geschlossene Tür in die Empfangshalle gefahren. Sie brachte kein Wort heraus. Ohne Worte gefiel sie mir wesentlich besser, schon damals auf der Rückbank ihres Autos. Mir war jetzt nach einem Bier.

      »Hey Simon, was treibst du denn um diese Zeit hier? Machst du heute blau?« Andy glaubte seinen müden Augen nicht zu trauen, als er aus der Küche kam und hinter den Tresen gehen wollte, an dem ich auf einem der Barhocker Platz genommen hatte.

      »Kann man so sehen, Andy, allerdings nicht nur heute. Wie es aussieht, die nächsten Wochen.«

      »Versteh’ ich nicht. Bist du krank oder hast du dir Urlaub genommen?«

      »Weder noch, ich habe gekündigt!«

      »Wie bitte? Das kann ich nicht glauben. Willst du ein Bier?« Andy machte ein Gesicht, als ob ich ihm gerade erzählt hätte, dass ich unter Menstruationsbeschwerden leide.

      »Ja, ein großes.«

      Andy fischte ein frisch gespültes Glas aus dem Abtropfsieb und hielt es unter den Zapfhahn, um die erste Lage einzufüllen.

      »Und kann man mal fragen, warum du gekündigt hast?« Andy stellte das Glas ab. »Hast du was Besseres gefunden oder hast du mit Carla vereinbart, dass sie ab

      jetzt allein das Geld verdient?«

      »Quatsch nicht so einen Blödsinn daher. Das ist kein Spaß. Ich habe aufgehört mit diesem Theater. Ich wollte schon lange Schluss machen. Seit ich in dieser Bude angefangen habe, ging mir nichts anderes durch den Kopf, als etwas anderes zu machen. Leider kam ich nie darauf, was das sein könnte.« Ich fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand eines Aschenbechers. »Weißt du, wie lange ich schon dort bin? Achtzehn Jahre! Achtzehn Jahre Finanzberater! Der absolute Wahnsinn.«

      »Wieso das denn?«

      »Weil dieser Job dich spaltet. Du drehst Leuten Dinge an, an die du selbst nicht glaubst.«

      »Aber Bausparen ist doch nicht schlecht.«

      »Bausparen. Es geht doch nicht nur um Bausparen. Lebensversicherungen meine ich, Rundum-Sorglos-Pakete, Renten- und Immobilienfonds. Damit verdiene ich mein Geld.«

      »Na und? Ich sehe dein Problem nicht.«

      »Du siehst mein Problem nicht? Ich kann dir helfen. Es müssen Abschlüsse her, und zwar immer mehr. Der Markt ist groß und unüberschaubar. Die Leute laufen unserer Scheißbude nicht die Türen ein. Ich muss zu den Leuten. Von morgens bis abends, von montags bis freitags, auch schon mal am Samstag. Die meisten wollen das aber gar nicht. Die informieren sich lieber im Internet und stellen fest, dass es wesentlich günstigere Versicherungen gibt, als die, die ich ihnen versuche anzudrehen. Weil sie im Internet nämlich nicht meine Provisionen mitbezahlen müssen. So läuft der Hase.«

      »Und deswegen hast du gekündigt? Ich meine, das geht Tausenden so.«

      »Gekündigt habe ich wegen meines Chefs, dem Herrn Obercholeriker.«

      »Verstehe ich nicht.«

      »Dem fiel heute Morgen nichts anderes ein, als mich nach allen Regeln der Kunst zusammenzufalten. Vor versammelter Mannschaft. Ohne Grund, verstehst du, dem war nur ein bisschen danach.«

      »Und wie geht es jetzt weiter, ich meine, was willst du jetzt machen?« Andy stellte mir das Bier vor die Nase, nachdem er noch einen letzten Schuss aus dem Zapfhahn draufgesetzt hatte.

      »Das weiß ich nicht«. Der erste Schluck schmeckte furchtbar, wahrscheinlich lag es an der Zeit. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich zum letzten Mal um kurz nach zehn Uhr morgens ein Bier getrunken hatte. »Ich denke, es wird sich schon etwas ergeben. Vielleicht mache ich mich selbständig.«

      »Ich hab' da was für dich. Wenn du willst, kannst du bei mir anfangen. Nur für eine Übergangszeit, meine ich«, sagte Andy plötzlich und stülpte dabei seine Lippen. »Ich muss mich im Augenblick um beide Läden kümmern. Wenn du das Stonehenge ein bisschen unter deine Fittiche nehmen würdest, könnte ich mehr Zeit in das Cricklewood investieren, da geht es im Augenblick

      drunter und drüber, weißt du.«

      »Wie stellst du dir das denn vor? Ich habe doch keine Ahnung von diesem Geschäft«.

      »Ach, das ist doch kein Problem für dich. Du machst den Tresen, ein bisschen Zapfen und Kaffee und so, und dann musst du nur darauf achten, dass der Laden läuft. Das Personal muss funktionieren und die Kunden müssen zufrieden sein, aber das weißt du doch alles selbst.«

      Ich verfolgte einen Biertropfen, der sich an der Glasaußenwand nach unten bewegte. Das wäre ja eine schräge Geschichte. Ich als Zapfer in einer Kneipe. Andy hatte mir seine Riesenpranke auf die Schulter gelegt und nippte an seinem Kaffee ohne Milch und Zucker. »Und dann ist noch wichtig, das alles Fehlende rechtzeitig bestellt und die Lieferungen überwacht werden, aber das zeig ich dir noch.«

      Andy war schon beim Einweisen, obwohl ich noch gar nicht zugesagt hatte.

      »Und wie wäre meine Arbeitszeit? Du öffnest den Laden doch erst um zehn, und dann geht es bis Mitternacht, oder?«

      »Na ja, du bist dann um neun Uhr hier und gegen ein Uhr nachts wieder zu Hause«, sagte Andy und fing an zu schmunzeln.

      »Sag mal, spinnst du? Was soll ich denn Carla sagen? Das wird so oder so noch ein nicht abzuschätzendes Problem.« Mir fiel siedend heiß ein, dass Carla noch nicht einmal wusste, dass ich meinen Job gekündigt hatte, und das pikanterweise just an dem Tag, an dem sie Fachbereichsleiterin wurde oder werden wollte. Es schien der Tag der Karrieresprünge zu sein.

      »War ein kleiner Scherz, Baby. Du müsstest jetzt mal dein Gesicht sehen. Spaß beiseite, du könntest zeitmäßig so arbeiten, wie in deiner Firma, zumindest so ähnlich. Du könntest beispielsweise um zehn Uhr anfangen und abends gegen acht aufhören, mit Gleitzeit, versteht sich. Und natürlich nur von Montag bis Freitag. Die andere Schicht übernehme ich wie gehabt.« Andy schaute mich erwartungsvoll an.

      »Am Samstag fahre ich mit Carla und Alex erst einmal eine Woche in Urlaub. Ich überleg’ es mir, okay?« Ich trank das Bier in einem Zug aus und ließ mir von Andy ein weiteres zapfen.

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