Bettina Reiter

Maggie


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es ihr trotz dieser Einsicht, was sie sofort bereute.

      Bis sie Alecs Reaktion wahrnahm. Er wirkte wie vom Donner gerührt!

      „Fängst du schon wieder damit an?“ Ein komischer Unterton schwang in seinen launigen Worten mit und als er ihr den Kaffee reichte, zitterte seine Hand. Maggie war nun definitiv in Alarmbereitschaft und hielt sich sämtliche Ungereimtheiten vor Augen, die sie wie ein lästiges Insekt abschütteln hatte wollen, um nicht komplett an Alec zu zweifeln. Aber das war leichter gedacht als getan. Zumal Ernie und Lydia alle Arbeit geleistet hatten. Die zweideutigen Anspielungen hätten sie sich jedenfalls sparen können, und da war Christin. Spielte sie tatsächlich eine Rolle in Alecs Leben? Hinzu kam der gestrige Vorfall. Alec hatte nach dem Einkauf völlig neben sich gestanden. Da half es wenig, sich ständig einzureden, dass sie ihn seit Ewigkeiten kannte und deswegen nicht an ihm zweifeln durfte. Oder tat sie es genau deshalb? Weil sie ihn seit Ewigkeiten kannte und darum mit jedem Tag mehr spürte, dass sich etwas über ihrem Kopf zusammenbraute.

      ♥♥♥

      „Schön ist es hier“, stellte Maggie drei Stunden später fest, als sie über den Küstenpfad Richtung Land’s End wanderten. „Und wie gut, dass es keine Geschäfte gibt, nicht wahr?“ Eine weitere Schwäche, die sie ausgerechnet mit Lydia gemeinsam haben musste. Auch Maggie mutierte zeitweilig zu einer Zecke, die sich an einem Thema regelrecht festsaugte. Doch die Ahnung, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte, machte sie beinahe wahnsinnig.

      „Was meinst du damit?“ Alec blieb stehen, wodurch Maggie ebenfalls einhielt.

      „Deinen gestrigen Zustand. Selten hat dich ein Einkauf derartig geschafft.“

      Alec wechselte die Farbe. „Im Normalfall besorge ich Dinge, von denen ich mehr verstehe.“

      „Stimmt, zumal du sagtest, dass die Auswahl enorm gewesen ist. Traut man dem kleinen Küstendorf gar nicht zu. Das Geschäft musst du mir unbedingt zeigen.“

      „Mache ich bei nächster Gelegenheit.“ Er ging weiter. Hastig folgte Maggie ihm.

      „Super, ich brauche ohnehin einen zweiten Rucksack.“

      „Wofür?“ Kurz schaute er zu ihr zurück, bevor er sich wieder auf das unwegsame Gelände konzentrierte. „Zuhause hast du mindestens drei.“

      „Die sind ziemlich altmodisch.“

      Alec wandte sich so abrupt zu ihr um, dass sie beinahe in ihn hineingelaufen wäre. „Was soll das jetzt schon wieder, Mag’?“, regte er sich auf. „Deine ständigen Zweifel machen mich fertig und belasten zunehmend unsere Beziehung. Merkst du das eigentlich?“

      „Natürlich.“ Sie hörte den Widerhall ihrer Stimme in der schmalen Schlucht. „Und ich habe genauso große Angst um uns wie du. Weil ich deutlich spüre, dass du irgendetwas vor mir verbirgst“, flüchtete sie sich in Erklärungsnot. „Du hast dich verändert, Alec, das ist eine Tatsache.“

      Stumm betrachtete er sie. „Auch wir Männer haben unsere Probleme. In meinem Fall hat es … ähm … mit Dad zu tun.“

      „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst“, erwiderte Maggie leise. Das Verhältnis zu seinem Vater war nie einfach gewesen. Vielleicht hatte Alec ihm bereits mitgeteilt, dass sie Cornwall für eine Weile verlassen wollten. Hanks Reaktion konnte sie sich lebhaft vorstellen.

      „Natürlich“, bestätigte Alec. „Aber ich löse die Dinge gerne alleine. Starkes Geschlecht und so.“ Sein Lächeln wirkte aufgesetzt. „Und ihr Frauen seid eine ziemlich komplizierte Spezies. Will man euch eine Freude machen, wittert ihr ein Geheimnis. Schenkt man euch zu wenig Aufmerksamkeit, zweifelt ihr an unserer Liebe. Recht machen kann man es euch wirklich nicht.“

      „Wir sind so gemacht“, konterte sie und beschloss, die Sache einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Diese ständigen Diskussionen laugten sie aus. Davon abgesehen kannte sie Alec gut genug um zu wissen, dass er nicht reden würde, wenn er nicht wollte. Und je mehr sie auf ihn einsprach, desto mehr entfernten sie sich voneinander. Vielleicht hing wirklich alles mit seinem Dad zusammen. Oder wenigstens der größte Brocken. Manchmal waren die Gründe einfacher als angenommen. Darauf baute sie, da sie sich fühlte, als würde sie in einem Sumpf feststecken und je mehr sie strampelte, desto tiefer wurde sie gezogen. „Schwaches Geschlecht und so.“

      „Stimmt.“ Alec stupste mit dem Zeigefinger an ihre Nasenspitze. „Mrs. Neunmalklug.“ Die Bezeichnung aus ihrer unbeschwerten Kindheit lockerte die Situation ein wenig auf und Maggie begann die atemberaubende Kulisse zu genießen, obwohl der Pfad streckenweise ziemlich abschüssig war. Von der Enge und dem dichten Gestrüpp ganz zu schweigen. Gottlob hatten sie gutes Schuhwerk. Als sie schließlich Gwennap Head erreichten, spannte sich ein breiter Regenbogen von den zerklüfteten Granitfelsen bis weit in den Ozean hinaus. Wie ein Tor in eine andere Welt.

      Aus einem plötzlichen Impuls heraus breitete Maggie die Arme aus und stellte sich lachend dem böigen Wind entgegen, der an ihr zerrte. „Fast wie im Film Titanic, nicht wahr?“ Über ihnen zogen Möwen mit heiseren Schreien ihre Kreise.

      Im Gegensatz zu ihr lachte Alec nicht, sondern schaute sie unverwandt an. Beinahe so, als würde er sie zum ersten Mal sehen. „Weißt du eigentlich, was Mom oft über dich sagt?“, fand er endlich seine Sprache wieder. Maggie ließ die Arme sinken und schüttelte den Kopf. „Dass du das schönste Lächeln hast, das sie je gesehen hat.“

      „Das hat Polly wirklich gesagt?“, freute sich Maggie.

      Erneut blickte er sie auf diese eigentümliche Weise an. Fast war Maggie versucht, seinem Blick auszuweichen, weil sie verlegen wurde. „Lass uns weitergehen“, seine Stimme klang belegt, „sonst schaffen wir es nie bis zum Land’s End.“

      Flüchtig ließ Maggie ihren Blick über den aufgescheuchten Atlantik schweifen, dessen hohe Wellen bei den Klippen wie Wasserfontänen in die Höhe peitschten. Dann folgte sie Alec, der bereits losgegangen war. Oben auf der Ebene schlenderten sie an den Navigationsmarkern vorbei. Die kegelförmigen Ungetüme wirkten wie Fremdkörper inmitten dieser Ursprünglichkeit, waren jedoch wichtig für die Schiffe, um insbesondere vor dem Runnel Stone oder anderen Felsen zu warnen. Dennoch gab es unzählige Wracks in dieser Gegend.

      Wie auch beim Land’s End, das sie nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten. Auf einer über sechzig Meter hohen Klippe standen sie Seite an Seite am westlichsten Punkt Großbritanniens. Es war eindrucksvoll, da sie durch das mittlerweile klare Wetter bis zu den Scilly-Inseln sehen und sogar den Longship Leuchtturm in der Ferne ausmachen konnten.

      „An diesem Punkt ist das Land zu Ende“, sprach Maggie beinahe feierlich aus. „Da wird einem die Endlichkeit des Lebens erst richtig bewusst.“

      „Vor allem in Anbetracht dessen, wie viele Schiffe vor den Klippen auf Grund gelaufen sind.“ In Alecs Augen flackerte etwas auf. „Das berühmteste Wrack ist übrigens die RMS Mühlheim. Wir könnten zur Steilküste gehen und uns den gestrandeten Frachter ansehen. Ich habe vorhin ein Hinweisschild gesehen.“

      „Ich gehe keinen Schritt mehr.“

      Alec lachte. „Deine Kondition lässt zu wünschen übrig, Higgins. Aber mich interessieren ohnehin eher die Wracks unter Wasser.“

      Maggie ahnte, worauf das hinauslief. „Willst du hier tauchen?“

      „Ehrlich gesagt ja“, bekannte Alec.

      Maggie konnte sich Schöneres vorstellen, als diesen Schiffsfriedhof. „Dann mach es“, spornte sie ihn trotzdem an. Ungeachtet ihrer eigenen Meinung und der Bedenken, die sie hatte. Tauchunfälle waren schließlich keine Seltenheit. Aber Autofahren war ebenfalls gefährlich. „Womöglich findest du sogar die versunkene Stadt.“

      „Lyonesse?“, ging er grinsend auf ihre Aussage ein. „Die gibt es nicht, Higgins.“

      „Das kann keiner mit Sicherheit sagen.“ Zugegeben, bis zu einem gewissen Teil war sie eine Träumerin und liebte Geschichten wie diese. Angeblich hatte sich die einstige Stadt zwischen Land’s End und den Scilly-Inseln