Bettina Reiter

Maggie


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ich dachte, das mit dem Tierarzt wäre lediglich Strohfeuer gewesen?“

      „Das behauptete ich, um Dad nicht zu enttäuschen.“ Schade, dass er nicht einmal sie ins Vertrauen gezogen hatte. „Du weißt ja, wie viel Hoffnung er in mich setzt. Die Farm ist sein Lebenswerk. Was soll ich demnach anderes tun, als meinen Traum zu begraben? Aber wir sind beide noch so jung, Higgins. Zu jung, um in Redruth zu versauern.“

      „Hast du … äh … mit meiner Mom gesprochen?“

      „Nein, wieso sollte ich?“

      „Weil es mir ähnlich geht wie dir“, gestand Maggie. „Aber was bedeutet das für uns? Dass du die Hochzeit abblasen willst?“ Mit pochendem Herzen wartete sie auf Alecs Antwort, denn auf einmal wurde ihr klar, dass sie alles zu verlieren drohte. Alec, ihre Zukunft, einfach alles. Das ließ den Zorn verpuffen und nichts außer Furcht blieb zurück.

      „Du bist das einzig Beständige in meinem Leben. Niemals würde ich uns aufgeben. Deswegen möchte ich dich nach wie vor heiraten. Je eher desto besser. Aber in der letzten Zeit habe ich über vieles nachgedacht und … na ja … ich wusste nicht recht, ob ich mit dir darüber reden kann, ohne dass du es in den falschen Hals bekommst.“ Er trat zu ihr und zog sie an sich. Maggie blickte zu ihm auf. Er überragte sie um eine Kopflänge. „Mit jedem Tag hadere ich mehr damit, ob wir wirklich nach der Hochzeit auf der Farm leben sollen. Lieber würde ich mit dir für ein paar Jahre ins Ausland gehen. Irgendwo hin, Hauptsache fort von hier.“

      Warum hörte sich alles nach Flucht an? „Dein Vorschlag klingt verlockend“, stimmte ihm Maggie dennoch zu, da Alecs Idee zumindest im Wesentlichen ihren eigenen Vorstellungen entsprach. „Aber wieso jetzt?“

      „Ist der Zeitpunkt nicht egal?“, beharrte Alec. „Wichtiger ist doch, dass wir einander nicht verlieren, meinst du nicht?“

      „Würden wir das in Redruth denn tun?“

      „Sind wir nicht schon mittendrin?“ Alec küsste sie auf die Schläfe. „Ich will, dass es zwischen und klappt, Mag’. Doch hier bin ich nicht glücklich und fühle mich wie an Ketten gelegt. Früher oder später würde ich das an dir auslassen.“

      Ein Blick in sein Gesicht genügte, um zu wissen, dass er hinter seinen Worten stand. „Woanders wärst du glücklicher?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich würde es gerne herausfinden. Gemeinsam mit dir.“ Sein Seufzen schien aus dem tiefsten Winkel seiner Seele zu kommen. „Nur einmal im Leben möchte ich eigene Entscheidungen treffen. Neue Erfahrungen sammeln und meinen Weg gehen. Verstehst du das?“

      „Was ist mit Hank? Dein Dad wird aus allen Wolken fallen.“

      „Noch ist er fit genug, um die Farm zu führen. Alles andere wird sich klären.“

      „Dir ist schon klar, dass er nicht kampflos aufgeben wird.“

      „Darüber mache ich mir Gedanken, wenn wir aus St. Agnes zurück sind. In den nächsten Tagen möchte ich nichts anderes tun, als jede Sekunde mit dir zu genießen.“ Sein Kuss war verheißungsvoll und endlich hatte Maggie das Gefühl, dass Alec bei ihr war – und zwar nur bei ihr. Egal, was ihn mit Christin verband, Alec war ihr treu. Zumindest in der Hinsicht glaubte sie ihm. Besser gesagt wollte sie ihm glauben, denn Alec war die Liebe ihres Lebens und ein Teil von ihr. Das war ein Geschenk, das man festhalten musste.

      2. Kapitel

Grafik 68

      Das Cottage der Campbells lag in der herbstlichen Nachmittagssonne, als Maggie es hinter Alec betrat. Sofort schlug ihr abgestandene Luft entgegen, was jedoch nebensächlich war. Immerhin bot die Auszeit endlich eine Gelegenheit, ihre Gedanken zu ordnen, da sich das Misstrauen zu ihrem Leidwesen nicht gänzlich abschütteln ließ. Umso inständiger hoffte sie, dass die Woche mit Alec einiges relativieren würde.

      „Ich hole die Lebensmittel aus dem Auto“, verkündete er und verschwand wieder nach draußen, während Maggie die Tür zur kleinen Küche öffnete.

      Nach einem prüfenden Blick in den antiquarischen Spiegel hinter der Tür ging sie zum Fenster und kippte es. Dann blickte sie zum runden zerkratzten Holztisch, um den sie sich bei ihren Aufenthalten in St. Agnes immer versammelt hatten. Polly war eine ausgezeichnete Köchin und hatte sie mit den wundervollsten Speisen verwöhnt. Oft bereitete sie die Mahlzeiten auf dem Zusatzherd zu, der allabendlich von Hank beheizt wurde. Für einen Mann war er eine ziemliche Frostbeule und fühlte sich erst bei dreißig Grad im Schatten wohl. Kein Wunder, dass er am liebsten bei der ärgsten Hitze Arbeiten im Freien verrichtete.

      Als Maggie die rotkarierten Vorhänge zurückzog, wirbelte Staub durch die Luft. Sofern sie Zeit hatte, würde sie ordentlich durchputzen. Aber in erster Linie freute sie sich, wieder hier zu sein. Das Cottage hatte einen ganz eigenen Charme, trotz des vorsintflutlichen Mobiliars. Allerdings passte es zum einstigen Fischerhäuschen, das die Campbells im halbverfallenen Zustand gekauft hatten. Damals waren sie jung gewesen und hatten gerade die heruntergewirtschaftete Farm von Alecs Grandpa übernommen. Deshalb richteten sie das Ferienhaus nur notdürftig her. In den letzten dreißig Jahren blieb beinahe alles unverändert, obwohl Polly und Hank inzwischen vermögend waren.

      „Da bin ich wieder“, hörte sie Alec, der die angelehnte Tür mit dem Fuß aufschob und den Karton mit den Lebensmitteln auf dem Tisch abstellte. Maggie schloss den Kühlschrank und schob den Stecker in die Dose. Sofort surrte das alte Gerät neben der Speisekammer, die Gold wert war, da die abgenutzte, maritime Küchenzeile kaum Platz bot. „Ich bringe unser Gepäck ins Schlafzimmer“, raunte Alec, der sie an der Taille umschlang und ihr einen zärtlichen Kuss auf den Hals hauchte. Sofort erfasste Maggie Erregung. „Obwohl ich deine Koffer im Auto lassen könnte. In den nächsten Tagen wirst du ohnehin mehr nackt als angezogen sein.“

      Lachend drehte sie sich zu ihm um. „Das hättest du wohl gerne.“ Nein, sie durfte sich den Aufenthalt in St. Agnes nicht selbst vermiesen. Und wo, wenn nicht hier an diesem besonderen Ort, würden sie sonst zur Ruhe kommen?

      „Erraten, das hätte ich tatsächlich gerne.“ Bevor sie reagieren konnte, hob er sie auf die kleine Arbeitsplatte hoch und küsste sie leidenschaftlich. Maggie presste sich an ihn und stöhnte, als sich seine Hände unter ihren Pulli schoben. Fordernd glitten sie höher …

      „Himmel, Arsch und Zwirn, was wird das, wenn es fertig ist?“

      Erschrocken fuhren Maggie und Alec auseinander. Eine ältere Frau mit Dauerwelle und einem Schottenrock am korpulenten Körper stand mit grimmiger Miene vor ihnen. Dabei stemmte sie die Hände in die Hüften und erinnerte Maggie an Ernie. Bloß, dass die Frau haufenweise Haare auf den Zähnen zu haben schien.

      „Wer sind Sie?“, fasste sich Maggie als Erste, richtete sich den Pullover und rutschte verlegen von der Arbeitsfläche.

      „Dasselbe könnte ich Sie fragen!“, pflaumte die Unbekannte sie an. „Das Haus gehört den Campbells und als nette Mitbürgerin halte ich Augen und Ohren offen. Immerhin steht das Cottage meistens leer und könnte allerhand Gesindel anlocken.“

      Wen meinte diese Frau damit? Etwa Alec und sie?

      „Minnie, wie sie leibt und lebt.“ Alec grinste. „Schön, dich wiederzusehen.“

      Plötzlich erhellte sich ihre Miene. „Alec Campbell? Bist du es wirklich? Meine Güte, aus dem kleinen Hosenscheißer ist ja ein richtiger Mann geworden.“ Ehe sich Alec versah, wurde er in ihre Arme gerissen und heftig gedrückt. „Was freue ich mich, dich zu sehen!“ Lächelnd klopfte sie ihm ein paar Mal lautstark auf die Schulter, bis sie ihn schließlich vor sich hielt und wohlwollend betrachtete. „Und Sie waren sein bleicher Schatten, nicht wahr?“, nahm sie unvermittelt Maggie in Augenschein, ließ Alec los und runzelte die Stirn. „Wie war Ihr Name doch gleich?“

      „Maggie“, stellte sie sich vor und kramte in ihrem Gedächtnis nach irgendeiner Erinnerung an diese Frau. Nachhaltig eingebrannt schien