Bettina Reiter

Maggie


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machst mich verrückt, weißt du das?“, raunte er mit diesem gewissen Ton in der Stimme, der Maggies Erregung verstärkte. Sie ahnte, dass auch er sie wollte. Hier und jetzt.

      „Woanders gerne, aber es ist helllichter Tag, Alec Campbell“, versuchte sie die erotische Stimmung mit einer saloppen Aussage zu verscheuchen. Fehlte noch, dass sie sich ungeniert liebten. Vor den Augen seiner Eltern und den Schafen auf der Weide, wobei sich diese zuletzt daran stören würden.

      „Weißt du noch, was ich dich vor Jahren gefragt habe?“ Zärtlich streichelte Alec über Maggies Wange.

      Gespielt rollte sie mit den Augen, während ihr ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Kam jetzt die Frage aller Fragen? „Wie könnte ich das vergessen?“ Sie lachte, obwohl sie ähnlich angespannt war wie damals. Allerdings hatte sich ihr Bild bezüglich Robin Hood und Marian erheblich geändert. Inzwischen hatte Maggie den Film unzählige Male gesehen und zerfloss jedes Mal aufs Neue angesichts dieser romantischen Liebe. Einer Liebe, die genau so tief war wie die zwischen Alec und ihr. Nichts und niemand würde je etwas daran ändern können, denn das, was sie verband, war mit keinen Worten zu beschreiben und mit nichts zu vergleichen.

      „Zu der Zeit bin ich ein Kind gewesen“, wandte Alec ernst ein. „Heute bin ich erwachsen und es gibt keine Frau, mit der ich meine Zukunft lieber verbringen möchte, als mit dir. Das war mir nie klarer, als nach deiner Rückkehr aus London.“

      „Also bin ich keine zweite Wahl?“, zog sie ihn auf.

      „Du bist die erste, obwohl ich deinen Hang zu Michael Bolton nicht verstehe“, flüsterte er grinsend und küsste sie zärtlich. „Aber in einer Sache hat er recht: Wie soll ich ohne dich leben?“, zitierte Alec eine Zeile aus einem ihrer Lieblingslieder How Am I Supposed To Live Without You. Erwartungsvoll blickte er sie an. Wartete Alec auf ein Lob, da er scheinbar doch aufmerksamer auf den Text gehört hatte, als es bislang den Anschein machte – oder hoffte er auf eine Antwort? Nur, auf welche? Konkret hatte er die Frage X nicht gestellt.

      „Äh, und weiter …“, versuchte Maggie ihm zögernd auf die Sprünge zu helfen.

      „Wie weiter?“

      „Na, Hochzeit und so …“

      Erneut grinste er. „Der Antrag kommt erst. Ich möchte, dass es ein besonderer Moment ist.“

      „Ich weiß auch so, dass ich dich heiraten will“, erwiderte Maggie enttäuscht. Leider war sie nicht gerade die Geduld in Person und wartete schon lange auf seinen Antrag. Dass dieses Gespräch erneut nicht in die gewünschte Richtung ging, machte ihr zu schaffen. „Vor allem, da dein Schneidezahn nachgewachsen ist“, schob sie murrend nach und musste trotz ihrer Stimmung grinsen, da sie Alec als den kleinen Jungen von damals vor sich sah.

      Er runzelte die Stirn. „Muss ich das verstehen?“

      „Nein.“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Es reicht, wenn ich es tue.“

      Zwei Wochen später fuhr Alec mit ihr zum Castle und machte einen ziemlich nervösen Eindruck. Maggie beschlich ein erwartungsvolles Gefühl, das sich bestätigte, als sie auf das Lichtermeer vor dem Castle blickte. Überall brannten Kerzen in bunten Gläsern, die auf jene Stelle zuführten, an der sie sich zum ersten Mal geliebt hatten. Dort lag eine Decke, auf der ein mit vielen Köstlichkeiten gefüllter Picknickkorb stand. Sogar an Pasties hatte Alec gedacht, die niemand besser zubereitete als seine Mom.

      Mit gespannter Miene nahm Alec ihre Hände in seine. Maggie spürte ihren Herzschlag bis in die Fingerspitzen. „Du bist mein Leben, Maggie“, flüsterte Alec mit rauer Stimme. „Ich würde alles für dich tun und es wäre noch zu wenig, um dir zu zeigen, was ich für dich empfinde. Aber solltest du je Zweifel an meiner Liebe haben, dann schau mir in die Augen und du wirst wissen, was du mir bedeutest.“ Mit dem Daumen glitt er sanft über Maggies Wange, um die Tränen fortzuwischen, die sie nicht zurückhalten konnte, da Everything I Do von Bryan Adams aus dem kleinen Transistorradio neben dem Picknickkorb erklang. Alec hatte scheinbar die Weckfunktion aktiviert, um nichts dem Zufall zu überlassen. „Robin Hood und Marian“, hörte sie ihn leise sagen, „das sind wir, Mag’. Du und ich, gegen den Rest der Welt, wenn es sein muss.“ Mit wässrig glänzenden Augen zog er sie an seine muskulöse Brust. Maggie schmiegte sich an ihn und als sie engumschlungen unter dem sternenklaren Nachthimmel tanzten, spürte sie seinen schnellen Herzschlag an ihrer Wange.

      Zwei Menschen, die eins waren. Die schon immer eins gewesen waren und nichts, keine einzige Sekunde mit Alec würde sie je vergessen. Weder was ihre Kindheit betraf noch diesen magischen Abend, an dem sie einander festhielten und sich mit behutsamer Zärtlichkeit küssten, als geschähe es zum ersten Mal. Und als der letzte Ton des Liedes verklungen war, öffnete Alec eine kleine Samt-Schatulle. Darin glänzte ein goldener Ring mit einem roten Rubin. In diesem Moment wusste Maggie, dass sie alles hatte, was sie sich je erträumte. Ihr Leben war perfekt und sie die glücklichste Frau der Welt.

      ♥♥♥

       Ein Jahr später

      Maggie warf einen Blick auf ihren Schreibtisch. Das Ablagefach war leer, der PC ausgeschaltet, die Unterschriftenmappe lag in Ernies Büro und alle Rechnungen waren raus. Fein säuberlich hatte sie alles aufgearbeitet, womit dem gemeinsamen Urlaub mit Alec nichts mehr im Weg stand. Gestern hatte er sie mit dem Vorschlag überrascht, mit ihr nach St. Agnes fahren zu wollen. Dabei würden sie bald heiraten! Ihn brachte das natürlich nicht aus der Ruhe, klar, er hatte sich bislang nicht gerade ein Bein für die Hochzeitsplanung ausgerissen. In Maggie herrschte hingegen Panik. Ein Jahr war seit Alecs Antrag vergangen. Genug Zeit, um alles zu planen. Aber auch genug Zeit, um einiges auf die lange Bank zu schieben und nun hatte sie den Salat. Übermorgen wollten sie nach St. Agnes aufbrechen und auf ihrer Liste standen etliche unerledigte Dinge. Natürlich hätte sie Alecs Idee ablehnen können, doch in den letzten Wochen bekam sie ihn kaum zu Gesicht. Ein paar gemeinsame Tage würden ihnen demzufolge guttun. Insbesondere, da sie immer unsicherer wurde, je näher der Hochzeitstermin rückte.

      Seufzend schlüpfte Maggie in ihren dunkelblauen Trenchcoat. Regen prasselte monoton gegen die Scheiben. Ähnlich fühlte sich ihr Leben an. Grau in Grau, denn sie vermisste Alec, der sich in seine Arbeit verkroch und wenn sie sich trafen, wirkte er abwesend. Nie hatte sie sich einsamer gefühlt als jetzt. Alec war zwar hier und doch schien er meilenweit fort.

      „Na, träumst du schon von eurem großen Tag?“

      Maggie schreckte von ihren Gedanken hoch und blickte zu Ernie, der grinsend in der Tür zu seinem Büro stand. Das Hawaii-Hemd spannte sich um den korpulenten Bauch, der sich wiederum über die schwarze Hose wölbte. Die goldene Uhr blitzte auf, als er die behaarten Arme in die Hüften stemmte. Vom Haarwuchs am Körper konnte sein kahler Kopf nur träumen. Selbst auf der Brust und am Rücken zeigte sich ein regelrechtes Fell, was sie beim letzten Betriebsausflug in das örtliche Schwimmbad festgestellt hatte. „Äh, was hast du gefragt, Ernie?“

      Lächelnd winkte er ab. „Bist wohl noch blau vom Junggesellinnen-Abschied, was?“

      „Meiner ist schon eine Woche her“, mokierte sich Maggie. „Und ich kam nüchtern heim, was ich dir übrigens am Montag erzählt habe.“ Geschweige denn wusste Ernie von ihrer Abneigung gegen Alkohol. Sie vertrug ihn schlichtweg nicht.

      „Geschenkt“, tat Ernie ihre Erklärung ab. „Allerdings hast du mir vorenthalten, dass deine Mom und Polly ziemliche Schluckspechte sind. Sie sollen reichlich betrunken gewesen sein.“

      Kein gutes Thema. Maggie schämte sich noch jetzt für den Auftritt ihrer Mom. Sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als im Texas auf der Bar zu tanzen. Das sah ihr gar nicht ähnlich, da ihre Mutter seit dem Tod des Vaters ziemlich zurückgezogen lebte. Allerdings schien der Alkohol eine ähnlich verheerende Wirkung auf ihre Mom zu haben, die vom Verlauf des Abends keinen blassen Schimmer mehr hatte. Filmriss – ähnlich, wie es bei Maggie einige Jahre zuvor gewesen war. Dass sie damals strippen wollte, hatte sie nach zwei von Übelkeit geprägten Tagen durch Alec erfahren, der sie damals gottlob nach Hause gebracht hatte. Nicht auszudenken, was ohne ihn passiert