Bettina Reiter

Maggie


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gewählt. Nun saß sie am Küchentisch und starrte auf das Handy.

      Als sich endlich Motorgeräusch näherte, sprang sie auf und humpelte fluchend zum Fenster, da ihr rechter Fuß eingeschlafen war. Fahrig schob sie den Vorhang beiseite, um hinauszuspähen. Kaum rückte Alecs schwarzer Mazda in ihr Blickfeld, erfasste sie Erleichterung, die umgehend in Hektik umschlug. Sie musste sich irgendwie betätigen. Nicht, dass er auf die blöde Idee kam, sie hätte Däumchen drehend auf ihn gewartet …

      Schnell massierte sie sich den Fuß, schnappte sich in der nächsten Sekunde ein Staubtuch aus dem Schrank unter der Spüle und eilte ins angrenzende Wohnzimmer hinüber. Auch dieser Raum wirkte wie aus einer anderen Zeit. Die abgewetzte Couch und die beiden Armsessel hatten einen zarten pastellfarbenen Blümchenstoff. Unzählige Kissen mit selbstgehäkelten Überzügen schichteten sich darauf. Der rechteckige Massivholztisch war viel zu groß für den winzigen Raum. Wie der offene Kamin. Wenn man saß, musste man vermutlich zusehen, dass man nicht Feuer fing oder sich nicht die Haare versengte. Zumindest war das anzunehmen. Bisher war der Kamin in ihrem Beisein nie beheizt worden. Wahrscheinlich stand der dekorative Zweck im Vordergrund und den Mittelpunkt der Familie bildete ohnehin die Küche.

      „Hier bin ich, Alec“, rief Maggie in einem betont heiteren Ton, als sie seine Schritte im Flur hörte. „Ich bin gerade dabei, das Wohnzimmer zu …“ Weiter kam sie nicht, da er im Türrahmen erschien und aussah, als stünde der Weltuntergang bevor. „Was ist mit dir?“ Sie legte das Staubtuch auf den Tisch und wappnete sich innerlich gegen irgendeine Hiobsbotschaft.

      „Nichts, ich …“ Mit beiden Händen fuhr er sich durch das zerzauste Haar. „Ich musste einige Geschäfte abklappern, bis ich endlich unsere Liste abgearbeitet habe. Jetzt bin ich völlig durchgeschwitzt und werde duschen gehen, falls du nichts dagegen hast.“

      „Natürlich, mach das.“ Sein Blick war undurchdringlich, ehe er sich umdrehte und mit schleppenden Schritten die Treppe hochging. Fragend blieb Maggie zurück. Schließlich holte sie die Sachen aus dem Auto und bereitete einen Mittagsimbiss vor. Zum Wandern war ihr die Lust vergangen. Doch nach einer knappen Stunde kam Alec ein fröhliches Lied pfeifend in die Küche. Er schien wieder ganz der Alte zu sein, was sie vollends verwirrte.

      „Entschuldige wegen vorhin“, sagte er lachend, „fürs Einkaufen bin ich leider nicht geboren. Allein wegen deinem Rucksack war ich völlig überfordert. Die hatten eine Riesenauswahl, was mich eine geschlagene Stunde gekostet hat.“

      „Dafür sieht er wirklich toll aus“, rang sich Maggie ein Kompliment ab. Neonpink! In dieser Hinsicht hatte Alec echt danebengegriffen. Sie mochte keine Farben, bei denen man sich wie eine wandelnde Leuchtreklame vorkam. Sowas gefiel ihrer Mom oder einem Teenie, der gerne auffiel, aber aus dem Alter war sie mit ihren vierundzwanzig Jahren längst heraus.

      „Nicht wahr?“, freute er sich. „Damit kann ich dich unmöglich aus den Augen verlieren.“

      „Wem sagst du das.“ Maggie brachte ein Lächeln zustande und schaltete den Herd aus. In der Pfanne brutzelten einige Würste. Der Kartoffelsalat stand bereits auf dem Tisch. Die einzigen Gerichte, die sie zustande brachte. Das Rezept stammte von ihrer deutschen Großmutter und wurde so oft von Maggies Mom zubereitet, dass sie jeden Arbeitsschritt im Blut hatte.

      Schnuppernd beugte sich Alec über die Salatschüssel. „Mhm, das duftet wunderbar. Eine Köchin wie dich sollte man auf der Stelle heiraten.“ Grinsend richtete er sich auf.

      Seine gute Laune war ansteckend und verscheuchte Maggies diffuses Bauchgefühl. „Hallo, Sarkasmus.“, nahm sie sich selbst auf die Schippe. Sie war alles andere als eine Küchenfee und Alec kam oft in den Genuss von verkohltem Fleisch, das sich kaum von einem Stück Brett unterschied. Sogar dem Gemüse ging meistens das Wasser aus. Matschig auf der Ober- und extrem kross an der Unterseite.

      „Trotzdem will ich keine andere als dich zur Frau“, versicherte er immer noch grinsend.

      „Leider bin ich schon vergeben.“ Sie legte die Gabel neben den Herd und trat zu Alec.

      „Wer ist der Glückliche?“ Warm legte sich seine Hand an ihre Wange, die er zärtlich mit dem Daumen streichelte.

      „Alec Campbell, ein Farmer aus Redruth.“ Maggie sog seinen Anblick in sich auf und spürte dieses wohlbekannte süße Prickeln in sich. Gleichzeitig dachte sie an ihr Treffen beim Basset-Denkmal, wo sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Ein Kuss, der plötzlich wieder auf ihren Lippen brannte. „Er ist mein ganz persönlicher Robin Hood.“ Maggies Stimme versagte beinahe. Ob Alec ahnte, wie sehr sie ihn liebte? So sehr, dass sie nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte. Erst recht bei dem Gedanken, wie schnell man das Wichtigste verlieren konnte, wenn man sich selbst im Weg stand. Alec und sie waren seelenverwandt und würde er sie hintergehen, hätte sie ihn nie richtig gekannt. „Außerdem sieht er verdammt sexy aus.“

      „Tja, ich wusste schon als kleiner Junge, dass du nur meinen Körper willst“, entgegnete er mit dem typischen Schelm in den Augen.

      „Sicher, es war ja genug davon da.“ Trotz ihrer Melancholie musste Maggie lachen. „Meine Mom nannte dich nicht umsonst Rippengerüst.“ Wie wunderbar es war, ihn so befreit lachen zu hören und sich selbst frei zu fühlen.

      „Weshalb ich dankbar war für jede Schwellung, die sämtliche Mücken hinterlassen haben. Natürlich nur an den Stellen, die es nötig hatten.“ Zweideutig zwinkerte er Maggie zu und ihr gemeinsames Lachen erfüllte den Raum, bis sich Maggie an Alecs Brust schmiegte. Nirgends fühlte sie sich geborgener als bei ihm, denn er liebte sie, wie sie war. Mit all ihren Schwächen und Fehlern, wovon sie leider jede Menge hatte.

      ♥♥♥

      Nach dem Mittagessen überlegten Maggie und Alec, was sie unternehmen sollten. Für die Wanderung zum Land’s End war es zu spät. Die Bäume warfen bereits lange Schatten und der Himmel bewölkte sich zusehends, obwohl es kaum merklich abkühlte. Im Herbst waren immer noch Temperaturen bis zu zwanzig Grad möglich, doch das kornische Wetter hatte seine eigenen Gesetze. Kurze und heftige Regenfälle gehörten zur Tagesordnung, aber sie versiegten so schnell wie sie kamen und kurz danach strahlte die Sonne vom Himmel, als wäre nichts gewesen.

      Darauf setzten Maggie und Alec, die sich trotz des nahenden Regens zu einem Spaziergang entschlossen. Gerüstet mit Regenschutz und Stirnbändern verließen sie das Cottage und schlenderten Hand in Hand den schmalen Pfad hinunter. Ihre Jacken blähten sich durch den starken Wind zeitweilig auf, was sie lachend zur Kenntnis nahmen. Selbst als es tatsächlich zu regnen begann, tat es ihrem Übermut keinen Abbruch. Obwohl Alec sie fester an die Hand nahm und umsichtig über den steinigen und mittlerweile rutschigen Weg lotste, bis sie endlich unten ankamen.

      Die Trevaunance Bucht lag völlig verlassen da. Im Sommer wimmelte es hier nur so vor Touristen und Einheimischen. Jetzt herrschte eine wohltuende Ruhe am Strand. Fast so, als wären sie völlig allein auf der Welt. Sogar das Breakers Beach Café, in dem sie früher gerne ein Eis gegessen hatten, war geschlossen.

      „Was für ein Ausblick“, schwärmte Alec mit glänzenden Augen, als er auf das weite Meer schaute. Nur ein Frachtschiff war weit draußen auszumachen. „Dieser Ort ist wirklich magisch.“

      „Ja“, stimmte Maggie ihm zu und genoss das Gefühl, als Alec seinen Arm um ihre Schultern legte und sie sanft an sich zog. „Wir haben hier einiges erlebt.“

      „Und ich möchte keine Sekunde davon missen. Vor allem, was dich betrifft.“ Liebevoll küsste er sie ins Haar. „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe“, flüsterte er nahe ihrem Ohr.

      Maggie blickte zu ihm auf. „Obwohl ich eine Klette bin?“

      „Als edler Ritter habe ich wohl auf ganzer Linie versagt und geschwiegen, statt dich zu verteidigen“, wusste er sofort etwas mit ihrer Aussage anzufangen. „Aber so nett Minnie auch ist, keiner legt sich freiwillig mit ihr an. Da zieht jeder den Kürzeren.“ Alec grinste wie ein Lausbub. „Lass dich nicht von ihr verunsichern. Spätestens am Samstag wird sie merken, dass wir ohne einander nicht vollständig sind.“ Sanft ließ er sie los und zog ein weißes Kästchen mit einer dunkelblauen