Franz Bingenheimer

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der Bedienung auf der Suche nach seiner Identität.

      >>Ja! Ich bin Kai Raimann! <<, sagte er freudestrahlend laut, so dass man es im Umkreis von einigen Metern hören konnte. Die Bedienung war völlig überrascht von seiner Aussage und sah ihn verwundert an. Dann verlangte sie vorsichtshalber den Geldbetrag für den Kaffee, den sie gebracht hatte.

      Ein älteres Ehepaar am nächsten Tisch, das den Vorfall beobachtet hatte, schmunzelte und nickte der Bedienung freundlich zu. Die Kellnerin verließ nachdem ihr Kai das Geld gegeben hatte kopfschüttelt den Tisch und ging zu einem anderen Gast.

      Jetzt erinnerte sich Kai, dass er den wichtigen Termin bei IBM versäumt hatte. Auch den Anruf, den er vor einer halben Stunde entgegennahm, konnte er wieder in seinem Gedächtnis erfolgreich zu ordnen. Der Anruf den er nicht zuordnen konnte, war von Wolfgang, Es war sein Arbeitskollege.

      Er war der Support-Ingenieur an der Leitstelle seiner Firma. Was sollte er ihm sagen, wenn er erneut anrief? Ich hatte meine Erinnerung verloren! Oder ich wusste nicht mehr, wer ich war... Nein auf keinen Fall dürfte irgendwer in seiner Firma von seiner Kurzzeit-Amnesie etwas erfahren. Seine Anstellung wäre gefährdet und man hätte ihn fristlos entlassen.

      Genau das! Ein Ausfall seines Fahrzeugs musste als Ausrede her. Technisches Verständnis war das Einzige, was man in seiner Situation für ihn hatte.

      Dass sich in den letzten drei Monaten in seiner Gehirnrinde ein linsengroßes Geschwür gebildet hatte und durch den Aufprall des Kopfes an die Windschutzscheibe eine kurzfristige Teilamnesie hervorrief, wusste er nicht.

      Jetzt piepste erneut sein Smartfon!

      Die zwei älteren Leute am Tisch gegenüber beobachteten ihn unentwegt weiter und tuschelten miteinander.

      Kai nahm das Smartfon eilig aus seiner Jackentasche und drückte die Empfangstaste.

      >>Ja! <<, Raimann meldete er sich jetzt sicher und selbstbewusst. >>Kundendienstleitstelle! Ich habe deinen Termin bei IBM auf Montag verschoben. Du hattest noch einmal Schwein gehabt. Wo warst du!?<<, fragte ihn Wolfgang, dessen Stimme er sofort wiedererkannte.

      >>Am Frankfurter Waldstadion auf einem Parkplatz. Ich hatte eine Reifenpanne mit dem Auto<<, log er, um das Geschehene, geschickt zu vertuschen.

      >>Du weißt Bescheid. Um 11:30 Uhr musst du an der Börse in Frankfurt sein. Sonst gibt es richtig Ärger! <<, erwiderte ihm sein Arbeitskollege bestimmend. Dann legte er den Telefonhörer auf.

      Es war noch einmal gut gegangen. Außer einer blauen Anschwellung, die er am Kopf hatte, war nichts mehr von all dem, was er in den letzten zwei Stunden erlebt hatte, zurückgeblieben.

      Er wusste, normalerweise müsste er jetzt dringend einen Arzt aufsuchen, wohlmöglich einen Neurologen, der ihn untersuchte. Na ja, alles hatte er ja nicht vergessen. Auf jeden Fall war sein Gedächtnis noch funktionsfähig, dachte er zufrieden und verließ die Raststätte. Als er an sein Auto zurückkam und einstieg, bemerkte er auf dem Beifahrersitz lag die Visitenkarte der Frau, auf deren Wagen er beinahe aufgefahren war. Interessiert nahm er sie und las:

      Karin Blanz

      Model Agenturstudio

      Am Opernplatz 5

      60528 Frankfurt am/ Main

      Stand auf der exklusiv gedruckten Visitenkarte.

      Dass Karin Blanz in Wirklichkeit eine russische Chef-Agentin war wussten nur ihre Auftraggeber. Sie ermittelte gegen den illegalen Organ-Drogen- und Menschenhandel einer Untergrundorganisation, die sich seit kurzem in Europa sesshaft gemacht hatte. Ihr richtiger Name war Nadja Kosova.

      Ihre besonderen Merkmale in ihrem deutschen gefälschten Pass stimmten bis auf ihren Namen.

      1,79 m groß, 29 Jahre, blond, blaue Augen. So stand es auch in ihrem russischen Pass, den sie im Kreml zurückgelassen hatte. Dass ihr Vater Deutscher war und nach dem zweiten Weltkrieg aus russischer Gefangenschaft nicht mehr nach Deutschland zurückging, hatte man ihr nie gesagt.

      Sie unterstand direkt dem russischen Geheimdienst. In besonderen Spionagefällen wurde sie auf ihre eigenen Geheimdienstagenten angesetzt. Man wusste unter den Geheimagenten in Russland, das es jemand geben sollte, der sie unbemerkt überwachte. Aber wer diese ausgewählte Person war, bekam man nicht in Erfahrung.

      Nadja Kosova hatte schon so manchen Doppelagenten zur Strecke gebracht.

      Dass in ihren Adern deutsches Blut floss, wusste sie nicht. Sie sei eine Adlige Kosova, mit russischem Stammbaum, erwähnte sie stolz, wenn man nach ihrer Herkunft fragte.

      Ihre wahre Geschichte zu ihrer Person war folgende:

      Ihr Vater lernte in russischer Gefangenschaft im Kriegsjahr 1944 die Lagerärztin Natascha Kosova kennen und verliebte sich in sie, denn sie war eine attraktive wundervolle Frau.

      „Ich verschaffe dir eine neue Identität, mein großer Wolf!" sagte Natascha besitzergreifend während sie ihn liebte und fest zwischen ihren weichen Schenkeln in sich spürte.

      „Du musst jetzt ein russischer Staatsbürger werden. Ich lasse es nicht zu, dass sie dich töten", sagte sie immer wieder in Angst um ihre große Liebe, und küsste ihn voller Leidenschaft. Als leitende Lagerärztin in einem Gefangenenlager in Sibirien hatte sie ihn gegen seinen Willen für tot erklärt.

      Dem Soldat Hans-Peter Raimann aus Deutschland blieb keine andere Wahl, als das Schicksal anzunehmen, wenn er nicht im Lager sterben wollte.

      1947 im Frühjahr bekam seine Familie in Würzburg, aus der zwei Kinder hervorgingen, vom Roten Kreuz die Bestätigung seines Todes. Er sei im Januar 1945 in einem Gefangenenlager in Sibirien an Malaria gestorben, teilte man ihnen mit.

      Zur gleichen Zeit als der Brief in Deutschland ankam heiratete er, um weiter am Leben zu bleiben die Russin Natascha Kosova und nahm ihren Namen an.

      Daraufhin wurde seine Tochter Nadja Kosova, alias Karin Blanz in mehreren Sprachen großgezogen. Russisch und Deutsch wurden ihr Muttersprache. Außerdem sprach sie sehr gut Englisch und Französisch. Dass Hans Peter Raimann, Kais Onkel war und Nadja Kosova seine Cousine, ahnte niemand zu dem Zeitpunkt als er in Frankfurt auf die Geheimagentin Nadia Kosova, alias Karin Blanz traf.

      Kai Raimann legte die Visitenkarte, die er gelesen hatte in das Handschuhfach seines Firmenwagens.

      >>Oh, Gott! <<, dachte er, als er auf die Uhr schaute. 11:15 Uhr war es schon. Um 11:30 Uhr musste er in der Frankfurter Börse sein. In den Gedanken noch bei seinem schicksalshaften Unfall betrat er pünktlich das Gebäude der Frankfurter Börse.

      Im Eingang Börse standen wie immer, wenn er gekommen war, drei Sicherheitsbeamte, die jeden fremden Besucher genauestens kontrollierten bevor sie ihnen Einlass gewährten.

      Kai Raimann hatte einen Sonderausweis der International-Bank und konnte ungehindert die Börse Halle betreten.

      Die große Halle in der die Handelsgeschäfte abgewickelt wurden, war architektonisch bewusst so gebaut, dass man von der Halle über eine interne Holztreppe in den ersten Stock kam. Über ein umlaufendes Podest konnte man gut zugänglich alle Büros der Großbanken bestens erreichen.

      Was ganz besonders wichtig war für die Bankangestellten.

      Von diesem Protest aus konnte man das ganze Geschehen in der Börse halle beobachten und wenn notwendig den Sichtkontakt durch Handzeichen mit den Geldmaklern aufnehmen.

      Gleich ging es los, mit den großen Aktiengeschäften. Die Aktionäre hatten ihre besten Broker geschickt, um in wenigen Sekunden, an das schnelle Geld zu gelangen.

      In wenigen Sekunden, konnten die Geldmakler hier für ihre Aktionäre Hunderttausende Euro verdienen, und Sie zum Millionär emporsteigen lassen.

      >>Hallo Kai! <<, begrüßte ihn Ilse Braun die junge Datentypistin,