Ava Lennart

Mädchenname


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zu machen.

      Julia räusperte sich. „Bonsoir, Monsieur“, fiel ihr als einzig sinnvoller Satz ein.

      An seinem amüsierten Schnauben bemerkte sie, wie läppisch der Satz in dieser seltsamen Situation klang. Dann verflog sein Lächeln.

      „Bonsoir, Madame“, entgegnete er, nahm den Eimer auf und wandte sich schon halb ab, um den Tennisplatz zu verlassen.

      Leichtes Bedauern stieg in Julia auf. Sie wollte nicht, dass er ging.

      „Ich bin Julia. Ich wohne im Haus“, brach es atemlos aus ihr heraus, während sie mit einer vagen Geste Richtung Villa fächelte. Spontan zückte sie ihre Hand zur Begrüßung.

      Der Mann hielt inne und drehte sich ihr zu. Zögerlich stellte er seinen Eimer wieder hin und wischte seine rechte Hand an seiner Jeans ab, ohne den Blick von ihren Augen zu lassen.

      Seine Augen waren braungrün und von dichten dunklen Wimpern umrahmt. Sein Blick sog Julia in unergründliche Tiefen, und ihr Herz begann, aufgeregt zu flattern. Als seine Hand ihre umfasste, blinzelte Julia, so sehr genoss sie seine körperliche Wärme. Dabei war es ein lauer Spätnachmittag. Von Nahem machte sie einzelne silbrige Fäden, die sein Haar durchzogen, aus. Der Druck seiner Hand war kräftig, doch ließ er sie abrupt los, so, als hätte er sich verbrannt.

      „Mathieu. Ich mache den Garten“, erwiderte er kurz angebunden und betrachtete nachdenklich seine Hand.

      „Ich weiß“, konnte Julia nur sagen.

      Mathieus Augen verengten sich kurz, dann tippte er noch einmal grüßend an die Stirn und verließ den Tennisplatz.

      Als seine Schritte verklungen waren, löste sich Julia aus ihrer Starre. Sie vergrub stöhnend ihr Gesicht in den Händen.

      „Oh, Julia. Bist du vierzehn oder was?“, schalt sie sich halblaut. Ärgerlich kickte sie einen Kieselstein über den Tennisplatz. Dann wurde ihr bewusst, was gerade mit ihr geschehen war. Oh Mann! Gab’s so etwas wirklich? Sie starrte auf einige Erdkrümel, die seine Berührung auf ihrer Hand zurückgelassen hatte. Sie schienen kostbarer als Gold.

      Ein jubelndes Gefühl wärmte unvermittelt ihre Brust, und sie lief den Plattenweg zurück. Sie musste Stella unbedingt sofort alles erzählen. Alles. Auch, dass sie sich gerade in den gut aussehenden Gärtner verknallt hatte.

      Als Mathieu seine Arbeitsutensilien auf der Ladefläche seines Lieferwagens verstaute, dachte er immer noch über die merkwürdige Begegnung mit dieser Frau nach.

      Gerade hatte er sich noch über Antoines Schusseligkeit geärgert. Er hatte seinem Gehilfen ausdrücklich die Anweisung gegeben, für heute Nachmittag Natursteinblöcke für den Bau neuer Mauereinfassungen zu bestellen. Dieser Träumer hatte sich jedoch in den Daten um eine Woche vertan. So lohnte sich der Beginn der weiteren Arbeiten jedoch nicht, sodass Mathieus Zeitplan gefährdet war. Und die Hauptterrasse musste auch so schnell wie möglich fertig werden, denn die Hausgäste waren heute angereist.

      Dies war der erste richtig große Auftrag in dieser Reichengegend, der hoffentlich viele andere nach sich ziehen würde, wenn er ihn zufriedenstellend abschloss. Er durfte sich keinen Fehler erlauben, hatte er gedacht.

      Im nächsten Moment hatte er sich von dieser schönen Frau angestarrt gefühlt. Ihre Verlegenheit, als er sie dabei ertappte, war so entzückend. Die hektische Röte, die in ihre Wangen gestiegen war, und das Zittern ihrer Stimme ließen sie wie ein Backfisch wirken. Zugleich strahlte sie die erotische Souveränität einer erwachsenen Frau aus, die in Mathieu lang verschüttetes Begehren weckte.

      Er betrachtete ihre schmalen Fesseln in den flachen Turnschuhen, in deren Verschnürung sich ein Oleanderblatt verfangen hatte. Er registrierte, wie sich die Rundung ihrer Hüfte unter dem durchsichtigen geblümten Kleid andeutete. Ihre feuchten Haarspitzen, anscheinend frisch gewaschen, hinterließen einen schimmernden Film an ihren nackten Schultern. Er konnte unwirklich deutlich kleine Härchen im Gegenlicht ausmachen, die auf den Spitzen einer leichten Gänsehaut an dieser Stelle saßen. Dann heftete er seinen Blick endlich auf ihre grauen Augen, die seinen eindringlichen Blick ruhig erwiderten. Sofort machte sich ein merkwürdiges Ziehen in seiner Brust breit und fand seinen Weg in seine Lendengegend. Unmerklich wechselte er seine Haltung, um die peinliche Erregung, die ihn erfasst hatte, zu verbergen.

      Er war so fasziniert gewesen von ihrem Anblick – und dann brachte ihn ihr förmlicher Gruß auf den Boden der Tatsachen zurück. Er hatte seinen Job zu erledigen und sonst nichts. Warum nur hatte sie ihn daraufhin nicht einfach gehen lassen können? Allein schon ihre Betonung, sie sei ein Hausgast, ließ ihn sich besinnen, dass ihre Welten meilenweit auseinanderlagen. Sie war augenscheinlich eine dieser reichen Tussis, die den Sommer über das wilde Leben an der Küste verbrachten. Ohne Gedanken an ihr Auskommen oder an Konsequenzen. Von solchen Frauen hatte er definitiv die Nase voll. Aber ihr Duft fand seinen Weg aus ihrem feuchten Haar in seine Nase.

      Plötzlich war er zutiefst beunruhigt. Was wollte sie nur von ihm? Suchte sie einen kernigen, hart arbeitenden Typen, der sich von den verweichlichten Superreichen unterschied, als Bettgenossen für die Saison? Nein, danke. Nicht mit ihm. Nicht noch einmal.

      Trotz seiner Abscheu bei diesem Gedanken regte sich unwillkürlich Verlangen in ihm. Nur widerwillig ergriff er ihre Hand, war er sich doch seiner erdigen Hände bewusst. Sie hatte ungewöhnliche graue Augen, die ihn magisch anzogen. Von ihrer Berührung stieg ein starkes Kribbeln in seine Hand, das unerträglich war. Er konnte sich einen Augenblick lang nicht entscheiden, ob er dem übermächtigen Drang, sie ganz nah zu sich zu ziehen, nachgeben sollte. Vor Schreck über diesen Impuls ließ er ihre weiche Hand abrupt los. So nah bei ihr hatte er den erregten Pulsschlag an ihrem Hals wahrnehmen können.

      Das muss enden. Sofort!, war ihm der Gedanke durch den Kopf geschossen.

      Also war er gegangen.

      Während er sich anschnallte und losfuhr, überdachte er stirnrunzelnd ihren letzten Satz.

      „Ich weiß“, hatte sie gesagt.

      Was sollte das bedeuten? Was wusste sie denn über ihn?

      „Gar nichts!“, schnaubte er seinem Augenausschnitt im Rückspiegel zu. Am besten, er vergaß diese Begegnung, entschied er, als er sich mit seinem Wagen langsam die Serpentinen gen Meer hinunterschlängelte.

      DAS SCHWEIGEN

      Am nächsten Morgen erwachte Julia früh. Obwohl sie sonst keine Frühaufsteherin war und es liebte, vor sich hinzudösen, war sie heute schlagartig hellwach. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr: Es war erst sechs Uhr. Ob das an den Austern liegt?, grübelte sie vor sich hin.

      Am Abend hatte sie mit Charles de Bertrand in einem der Speisezimmer ein leichtes mediterranes Dîner eingenommen. Zur Einstimmung – wie hätte es auch anders sein sollen – reichte die Küche eisgekühlte Austern. Dazu gab es einen exzellenten Perrier Jouët, mit dem Julia den Geschmack nach Meer herunterspülen konnte.

      Julia betrachtete bewundernd die im Jugendstil verzierte Champagnerflasche, als Virginie ihr nachschenkte. Die Austern waren hervorragend, und Julia hatte einige davon geschlürft.

      „Julia, erzählen Sie mir doch bitte von sich.“

      Julia wand sich innerlich. Sie mochte ihren Arbeitgeber, fand es aber nicht angebracht, ihm ihr Privatleben zu offenbaren. Insbesondere, dass es so glorreich in Scherben hinter ihr lag. Leider fiel ihr auf die Schnelle kein interessantes, aber unverfängliches Thema ein.

      „Nun, Monsieur de Bertrand, ich bin in Köln aufgewachsen ...“

      Er lachte laut auf. „Charles“, sagte er. „Nein, ich meine etwas, was ich nicht Ihrem Lebenslauf entnehmen kann.“

      Julia strich nachdenklich über den Stiel ihres Champagnerkelches.

      „Gibt es denn keinen Mann, der