Ava Lennart

Mädchenname


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während es in ihm ratterte, ob er sie völlig falsch eingeschätzt hatte, sprach Bände. Julia biss sich auf die Unterlippe. Gleichzeitig bangte sie, ob sie zu weit gegangen war. Philippe de Bertrand und Stéphane Parsdorf beobachteten sie verwirrt. Während sie Charles de Bertrand vermeintlich cool ansah, bemerkte Julia aus dem Augenwinkel eine einsame Segelyacht auf dem See. Fuhr diese gerade mit ihren Träumen davon? Bitte, bitte nicht!!

      Unvermittelt brach Charles de Bertrand in schallendes Gelächter aus. Julia entspannte sich und stieß unbemerkt die Luft aus, die sie angehalten hatte. Charles de Bertrand strahlte über das ganze Gesicht. Er wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

      „Na, Sie sind mir aber auf die Schliche gekommen. Sämtliche meiner Wünsche. Köstlich! Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut amüsiert. Ich sehe schon, Sie sind perfekt!“ Er fasste sich. „Nein, im Ernst. Wir erwarten aufgrund unserer Stellung äußerste Diskretion. Das können wir erfahrungsgemäß nur erreichen, wenn das Gehalt stimmt. Haben Sie mich verstanden, Frau Sandhagen?“

      Julia hatte mehr als verstanden. Der Sommer lag wie ein goldener Teppich vor ihr. „Sie können mich gerne Julia nennen“, antwortete sie.

      Anstelle seines Vaters ergriff Philippe de Bertrand abermals ihre Hand. „Abgemacht, Julia. Willkommen im Team. Ich freue mich.“

      Sein dezentes Rasierwasser sprach ihre Sinne an. Und er sah wirklich verdammt gut aus. Sie ertappte sich dabei, wie sie seine gepflegten Hände nach einem Ehering absuchte. Als sie bemerkte, wie Charles de Bertrand seinen Sohn und sie neugierig musterte, räusperte sich Julia und nahm sofort wieder eine professionelle Haltung ein.

      Die eine Hand bereits über einem blinkenden Lämpchen auf seinem Schreibtisch schwebend, hatte sich Charles de Bertrand dann rasch verabschiedet. „Wir fliegen am 16. Juni. Stéphane wird Sie mit den nötigen Informationen versorgen, Julia.“

      Und sie hatte nur noch freudig erregt denken können: Das war es dann wohl. Ich habe tatsächlich meinen Traumjob für den Sommer.

      Und heute war es endlich so weit. Julia, die durch ihr Leben in der Schweiz den Umgang mit gut betuchten Personen gewöhnt war und schon einigen Luxus erlebt hatte, staunte beim Betreten des Privatjets. Hatte sie vorher noch gedacht, Charles de Bertrand würde wohl nicht sonderlich aus der Menge der ihr bekannten Schweizer Millionäre herausstechen, war ihr schlagartig bewusst, welches Vermögen hinter ihm stehen musste.

      Im Innenraum befand sich ein komplettes kleines Wohnzimmer. Sogar ein Ölbild schmückte die Kabine. Von mehreren geschmackvollen Blumenarrangements ganz zu schweigen.

      „Julia, schön, dass Sie da sind.“ Die Begrüßung durch Charles de Bertrand, der bereits in einem der bequemen Sessel saß, war sehr zuvorkommend. „Dort drüben geht es zu einem Arbeitszimmer, und hinter dieser Tür ist sogar ein Schlafzimmer “, erklärte er ihr die weiteren Räumlichkeiten seines Privatflugzeuges.

      Als sich Julia kurz vor dem Start frisch machte, stand sie sprachlos vor Staunen in einem geräumigen Badezimmer mit modernster Ausstattung. Ein freundlicher Stewart wies ihr dann einen Platz auf dem beigefarbenen Sessel neben Charles de Bertrand zu. Er reichte ihr lächelnd einen Kelch mit Champagner, und Julia kam zu der Erkenntnis, dass sie sich an diesen Luxus gewöhnen könnte.

      Stepháne Parsdorf verabschiedete sich. „Einen guten Sommer, Julia, ich beneide Sie.“

      Mit einem freundlichen Zwinkern, das Julia wohl andeuten sollte, dass er wegen ihr erst recht zu beneiden war, prostete ihr Charles de Bertrand zu. Während der kalte Champagner auf ihrer Zunge kribbelte, setzte sich das Flugzeug in Bewegung.

      Das Abenteuer konnte beginnen.

      WIE IM FILM

      Als der Privatjet auf dem Flughafen in Nizza aufsetzte, überkam Julia leichte Panik. War es wirklich richtig gewesen, ihrem Leben der letzten Jahre so radikal den Rücken zu kehren? Sie schloss die Augen und wäre am liebsten noch eine Weile in dem weichen Sessel sitzen geblieben, um den ersten Schritt in den neuen Lebensabschnitt ein wenig hinauszuzögern.

      Vor ihr räusperte sich jemand. Als sie die Augen öffnete, blickte sie in Charles de Bertrands Augen, die sie nachdenklich musterten. Er schien auf sie zu warten. Die Maschine stand still. Julia besann sich schlagartig auf ihre Aufgabe und gab dem Stewart ein Zeichen. Gemeinsam halfen sie Charles de Bertrand aus dem Sessel.

      Die Tür des Fliegers glitt nach unten und wandelte sich so in eine Treppe. Julia schlug die unvergleichliche Mittelmeerluft, leicht verfälscht durch einen Hauch von Kerosin, entgegen. Ein Range Rover mit dunkel getönten Scheiben erwartete sie.

      Der Fahrer, der am Fahrzeug gelehnt hatte, straffte die Schultern, hob zwei Finger zum Gruß an seine Mütze und übernahm Charles de Bertrand am Fuße der Treppe mit einer fröhlichen Begrüßung. Dann wandte er sich Julia zu. „Bonjour, Madame, ich bin Gerard. Ich fahre Sie.“

      Julia schmunzelte, weil Gerards Chauffeurs-Outfit, insbesondere die Mütze, so stilecht war, dass sie sich wie in einem Disneyfilm vorkam.

      Bereits nach nur gefühlt einer Minute stoppte das Fahrzeug wieder. Julia schaute verwirrt nach draußen. Gerard hielt ihr die Tür auf. Vor ihnen stand ein kleiner Helikopter. Sie konnte nicht vermeiden, dass ihr Mund offen stand. Das wurde ja immer besser! Sie war noch nie in einem Heli geflogen, und ihr Herz schlug in Vorfreude wie bei einem kleinen Mädchen.

      Nachdem das leichtere Gepäck im Helikopter verstaut war, hoben sie mit viel Getöse ab. Gerard würde den Rest des Gepäcks mit dem Auto zum Haus bringen. Julia war zuerst ein wenig mulmig, als ihr Magen Richtung Boden sackte. Dann hatte sie allerdings keine Zeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Sie blickte auf das blinkende Mittelmeer, dessen spiegelglatte Fläche sich unter ihnen im Dunst verlor. Nach einem kleinen Schwenker über das Wasser flogen sie die eindrucksvolle Küstenlinie entlang. Julia konnte sich kaum sattsehen an den imposanten Villen und hellen Sandstrandabschnitten, der üppigen Vegetation und den schroffen Felsen des Hinterlandes.

      Charles de Bertrand neben ihr schnalzte anfangs ein paar Mal missbilligend die Zunge und regte sich anscheinend darüber auf, welche neu errichteten Industriegebiete und Baukräne seit seinem letzten Besuch zur Verschandelung der Küste geführt hatten. „Kein Vergleich zum Flair der Sechziger- und Siebzigerjahre, junge Dame.“

      Je mehr sie sich jedoch von Nizza entfernten und die sattgrünen Hügel der Côte d’Azur sichtbar wurden, hob sich seine Stimmung unvermittelt. Begierig wie ein Kind deutete er aus dem Fenster und erzählte Julia mit verträumtem Gesichtsausdruck Anekdoten zu einzelnen Hügelsilhouetten und einsamen Prachtvillen auf der Strecke.

      Seine Laune steckte an, und als er plötzlich aufgeregt nach unten deutete, breitete sich unbändige Vorfreude in Julia aus. An der Küste sammelten sich recht hässliche Hochhäuser, die vereint jedoch unerklärlicherweise Eleganz ausstrahlten, um einen Yachthafen.

      „Das ist Monaco, meine Liebe. Jetzt ist es nicht mehr weit. Da vorne liegt bereits Roquebrune“, erklärte ihr Arbeitgeber.

      Julia blickte staunend auf die dicht gedrängten sandfarbenen Gebäude und die palmengesäumten Boulevards, die eindrucksvollen Yachten, die im Hafen lagen, und die imposante Palastanlage der Grimaldis. Das war es also: der Inbegriff von Dekadenz und Reichtum. Julia lächelte und entspannte sich. Sie hatte allmählich richtig Lust auf den Neuanfang bekommen.

      Der Helikopter näherte sich dem dicht besiedelten Hügel Roquebrunes. Julia erspähte unzählige Prachtvillen, deren Swimmingpools türkis glitzernd in der Sonne lagen. Während der Pilot den Helikopter langsam über einer runden Plattform absenkte, löste sich ein junger Mann, der kaum älter als achtzehn sein konnte, von einem wartenden Golfcart und lief in leicht gebückter Haltung gegen den Wind der auslaufenden Rotorblätter auf sie zu.

      „Bienvenu, Madame. Bienvenu, Monsieur de Bertrand“, begrüßte er sie und half zuerst Julia aus dem Hubschrauber.

      „Ah, Pierre! Sie sind aber groß geworden.“ Erfreut ergriff Charles de Bertrand Pierres