sind wir das wirklich? Haben wir wirklich keine Möglichkeiten, unser Leben, Denken, Fühlen und Verhalten zu verändern? Sind wir tatsächlich so geprägt von unserer Kindheit, der Genetik, unserem Charakter, dass Veränderung nicht möglich ist?
Wenn das so wäre, wie ist es dann zu erklären, dass Menschen aus den ärmsten Verhältnissen zu Milliardären werden? Wie ist es zu erklären, dass Menschen, die in einem kriminellen Umfeld aufwachsen, Richter werden? Wie ist es zu erklären, dass Menschen, die in der Kindheit und Jugend panische Angst vor gewissen Dingen haben, es später in genau diesen Dingen bis zur Weltklasse bringen? Wenn Veränderung für uns Menschen unmöglich wäre, wieso besuchen wir dann Kurse, machen Weiterbildungen, versuchen neue Dinge zu erlernen? Wieso versprechen wir unserem Partner oder unserer Partnerin, unserem Chef oder unserer Chefin, dass wir uns verändern werden? Warum ist es so, dass wir unter Tränen bezeugen, dass wir dies oder jenes nie wieder tun werden, dass wir uns bessern werden? Wären wir Menschen wie wir sind, ohne die Chance auf Veränderung, dann müssten wir alle in eine Schublade gesteckt werden. Und dies jedes Mal, nachdem wir einen Fehler begangen haben.
Ja, wir Menschen haben Schicksale. Aber wir haben auch die Möglichkeit zur Veränderung.
Der Mensch ist ein geistiges Wesen. Ein Wesen, dass sich immer verändern kann. Die geistige Ebene gibt uns die Möglichkeit, sich mit Schicksalsschlägen auseinander zu setzen. Und zwar auf eine sehr persönliche Art und Weise. In den humanistischen Wissenschaften gesteht man sich drei Schicksale ein, mit denen wir Menschen uns auseinandersetzen müssen:
dem körperlichen Schicksal
dem psychischen Schicksal
dem sozialen Schicksal
Diesen drei Schicksalen können wir nicht entkommen. Jeder von uns hat diese drei Schicksale. Auch in der Grafik wird das gut dargestellt. Aber der kleine, freie Raum in der Mitte, das ist unsere Freiheit. Die menschliche Freiheit, die uns zu dem macht, was wir sind. Die unsere Persönlichkeit formt. Und letztendlich kommt es nur auf diesen freien Raum an und wie wir damit umgehen und wie wir zu unseren Schicksalen Stellung beziehen.
Diese Freiheit ist das, was uns als Mensch und Persönlichkeit ausmacht. Und wie wir mit dieser Freiheit umgehen, wirkt sich auf unser gesamtes Leben aus. Es ist ein wenig wie ein Schmetterlingsschlag, der einen Wirbelsturm auslöst. Aber einen positiven Wirbelsturm. Auch zu unseren Ängsten können wir durch diese Art und Weise Stellung beziehen. Wir können uns von Ihnen leiten, einschüchtern und zerstören lassen. Wir können vor Ihnen in die Knie gehen und kapitulieren. All das ist natürlich möglich und geschieht sehr oft.
Allerdings immer auf Kosten der Lebensqualität. Wenn ich Angst habe, mit fremden Menschen zu sprechen, mit Ihnen eine Beziehung aufzubauen, so werde ich in meinem ganzen Leben Probleme mit der Kommunikation und zwischenmenschlichen Beziehungen haben.
Wenn ich Angst habe, dass ich in einer Beziehung hintergangen und verlassen werde, so werde ich niemals eine liebevolle, glückliche und gelungene Beziehung führen können. Wenn ich Angst davor habe, mich selbstständig zu machen, weil ich das Gefühl habe, ich gehe dann sofort Bankrott, dann werde ich niemals die Chance haben, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. Wenn ich Angst habe, dass mir auf einer Reise etwas passiert, dann werde ich niemals die Länder sehen, von denen ich träume und in die es mich zieht. Wenn ich ständig Angst habe, dass meinem Kind etwas passiert, dann kann ich meinem Kind nie die Möglichkeit geben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, in dem es auch Fehler machen darf. Wenn ich Angst davor habe, bei einer Präsentation ausgelacht oder nicht ernstgenommen zu werden, dann habe ich nie die Möglichkeit zu zeigen, wie gut ich in gewissen Bereichen bin. Diese Liste könnte ich noch unendlich lange fortführen.
Wir Menschen haben alle Ängste, jeder von uns. Auch Menschen die furchtlos scheinen, haben Ängste. Lediglich Psychopathen haben kaum Ängste, weil sie diese einfach nicht fühlen. Dabei handelt es sich aber um ein Krankheitsbild. Und es ist auch gefährlich, gar keine Ängste zu haben, denn es gibt tatsächlich Situationen, die eine objektive Gefährdung für uns Menschen darstellen. In solchen Situationen macht Angst natürlich durchaus Sinn.
Mut zu haben heißt also niemals, dass man keine Angst hat. Eigentlich ist Angst notwendig, um Mut zu zeigen. Denn wenn ich keine Angst habe, brauche ich auch keinen Mut.
Jetzt können Sie loslegen! Schauen wir uns an, woher Ihre Ängste kommen!
Angst – und wie sie uns beim Überleben half
Angst ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Die Angst hat unser Überleben gesichert. Seit vielen tausenden Jahren, sogar seit hunderttausenden von Jahren. Dabei aktivieren Angst und Stress eine Vielzahl von körperlichen Vorgängen. Unter Angst und Stress werden Hormone in unserem Körper freigesetzt. Aus gutem Grund durchströmt dabei ein heftiger Mix von Hormonen unseren Körper. Verschiedene körperliche Vorgänge werden dadurch eingeleitet: beispielsweise weiten sich die Pupillen, eine höhere Körper- und Muskelspannung wird aufgebaut, wir beginnen zu schwitzen. Unser Herzschlag erhöht sich, Ausscheidungstätigkeiten und Verdauung werden eingestellt, Energiereserven werden angezapft. All das mit einem Ziel: um uns perfekt auf Flucht, Angriff oder Erstarren vorzubereiten!
Alles gute Vorgänge, wenn wir davon ausgehen, dass wir vor vielen tausenden von Jahren, unzählige konkrete, lebensgefährliche Situationen bestehen mussten, um den Fortbestand der menschlichen Spezies zu gewährleisten. Heute haben wir nicht mehr so häufig akute lebensbedrohliche Situationen zu überstehen. Auch bei mir, in der schönen Steiermark im Süden von Österreich, laufen nicht mehr so viele Säbelzahntiger durch die Gegend. Auch wenn wir nicht mehr so häufig um unser Überleben kämpfen müssen, reagiert unser Körper auf Stress und Angst noch immer auf dieselbe Weise. Und das auch in Situationen mit Alltagsstress! Konflikte, Ärger, Streit, Zorn, Hass oder Verzweiflung lösen dieselben körperlichen Vorgänge aus, wie ein physischer Angriff auf unser Leben. Diese Vorgänge sind auf den ersten Blick nicht so schlimm. Aber es gibt zwei Gründe, warum diese Vorgänge schwerwiegende Auswirkungen auf unser Leben haben:
die bisher beschriebenen Vorgänge belasten unseren Körper. Sie können zu vielen Erkrankungen führen, die typisch für die moderne Welt sind. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden, Diabetes und ähnliche. Stress, Angst, Sorgen und ungelöste Konflikte lösten viele psychosomatische Erkrankungen aus. Das geschieht deshalb, weil unser Körper diesen Hormoncocktail ausschüttet und eine zu häufige Ausschüttung von Stresshormonen die genannten Erkrankungen auslösen kann. Man sieht also, dass Angst sehr große Auswirkungen auf unser gesamtes Leben hat. Allerdings liegt der Fokus dieses Buches am Umgang mit Angst allgemein. Das Thema Erkrankungen durch Stress und Angst genauer zu betrachten, wäre an dieser Stelle zu umfangreich.
Ein weiteres Problem habe ich Ihnen noch vorenthalten: ein Problem, mit dem wir uns intensiv in diesem Buch auseinandersetzen werden. Die Auswirkungen von Angst auf unser Gehirn. Und damit auch auf unsere Handlungsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und unseren Umgang mit angstbesetzten Situationen.
Der Hormoncocktail, der, wie eingangs beschrieben, durch unseren Körper schießt, löst nicht nur körperliche Reaktionen aus. Auch für unser Gehirn hat dieser Hormoncocktail große Auswirkungen. Aufgrund der Hormone, die unter Angst und Stress durch unseren Körper gepumpt werden, überhitzen bestimmte Gehirnareale. Leider genau die Gehirnareal, die wir für kreatives Denken und Empathie benötigen. Also genau jene Fähigkeiten, die uns Menschen von Primaten unterscheiden. Praktisch erklärt, passiert diese Überhitzung des Gehirns in drei Stufen, wenn wir unter Angst und Stress stehen:
Auf der ersten Stufe greifen wir auf gewohnte Bewältigungsstrategien zurück. Wir tun all das, was wir immer tun, wenn wir in einer bestimmten Situation unter Angst und Stress leiden. Unsere Gewohnheiten in bestimmten Situationen übernehmen also das Kommando. Beispielsweise in einem Streit mit unserem Ehepartner oder mit der Kollegin.
Auf der zweiten Stufe, wenn unsere gewohnten Bewältigungsstrategien