Katja Pelzer

Wie schaffen das die Schwäne?


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Kollegin schüttelt den Kopf. „Unverständlich. Zumal Bayreuth echt überschätzt ist.“

      Hannah lacht.

      „Und dann will Lenas Klassenlehrerin auch noch, dass sie mit dem Bus dorthin fahren. Eine Zugfahrt will die Klassenlehrerin nicht auf ihre Kappe nehmen. Dann passiert nachher noch, was im vergangenen Jahr dem Kollegen passiert ist. Da sind sie mit über hundert Schülerinnen und Schülern mit dem Zug nach Florenz gefahren. Aber am Ende ist nur eine Klasse dort angekommen, weil die anderen Kinder hinter einem Mann hergelaufen sind, der aussah wie der Kollege. Und der schon in Pisa ausgestiegen ist.“

      Jetzt kriegt Hannahs Kollegin sich nicht mehr ein vor Lachen.

      „So etwas kann sie nervlich nicht stemmen, schreibt die Klassenlehrerin. Also werden sie mit dem Bus nach Bayreuth fahren.“

      „Okay“, sagt die Kollegin und zieht dabei das O in die Länge.

      „Neben der Jugendherberge gibt es auch ein tolles Freibad, aber schwimmen gehen werden sie nicht. Schwimmen ist ja so eine Sache! Die Lehrerin kann im Freibad unmöglich die Verantwortung für dreißig Kinder übernehmen. Wenn da jemand runtergedrückt wird! Oder einen Krampf im Bein bekommt! Wo denken die Eltern denn hin? Also wird daraus nichts. Ach und der Kletterwald ist natürlich auch keine Option. Nicht auszudenken, wenn da jemand abstürzt und sich verletzt. Mit anderen Worten: Bayreuth minus Spaß. So sieht es aus.“

      „Ich freue mich total, sagt Lena trotzdem. Ihr und den anderen Kindern ist das ganze Drumherum egal. Sie denken nicht voraus. Sie machen sich nicht wie die Erwachsenen schon monatelang im Voraus Gedanken über den Aufenthalt in Bayreuth.

      „Ich bin einfach gerne mit meinen Klassenkameradinnen zusammen!“, sagt Lena ihrer Mutter. Einige sind ihre Freundinnen. Es gibt auch ein paar Jungs, die sie mag. So viel Hannah weiß, gibt es aber bisher keinen Schwarm.

      Philipp hat ihr das bestätigt. Dem würde es vermutlich eher auffallen, weil es ihn mehr treffen würde.

      „Der Junge, dem ich meine Lena anvertraue, muss noch geboren werden“, so viel steht für Philipp fest. Das hat er Hannah mal anvertraut. Vor unendlich langer Zeit, als Lena noch klein war und sie sich noch näher waren.

      Patrick

      Britt macht ihm eine Szene. Voll übertrieben. Dabei hat er sich doch nur etwas länger mit der Neuen unterhalten. Sie ist gerade erst in ihre Stufe gekommen. Und als Schulsprecher kümmert Patrick sich halt darum, dass sie direkt in den Tritt kommt. Schließlich stehen bald die Vorprüfungen fürs Abi an. Die Neue hätte also ebenso gut ein Neuer sein können. Patrick hätte sich bemüht, der Person den Einstieg zu erleichtern. Ist doch Ehrensache.

      Aber Britt muss ja unbedingt etwas Anderes da reinlesen.

      „Wie du sie angeguckt hast!“

      „Wie habe ich sie denn angeguckt?“, fragt er gegen.

      „Dir lief der Sabber runter. Voll der Abschleppwagen.“

      „Ach, laber nicht! Das ist doch ekelhaft. Ich war ganz sachlich.“

      „Sachlich, klar.“

      „Wenn du das nicht aushältst, dass ich mit anderen spreche, dann hast du doch das Problem!“

      Britt sagt jetzt gar nichts mehr. Sie wendet sich ab und geht.

      Und Patrick lässt sie. Was kann er anderes tun?

      Warum sind Frauen eigentlich immer so kompliziert? Das fragt er sich tatsächlich nicht zum ersten Mal. Seine Mutter ist auch voll kompliziert. Seine Schwester ist dafür megasüß. Aber sie hat ja auch noch nichts mit Jungs. Vielleicht wird sie dann ja auch so. Er kriegt nur mit, wie albern ein paar seiner Freunde sich verhalten, wenn Lena in der Nähe ist. Anderen verschlägt ihr Anblick allerdings auch die Sprache. Sie sieht auch echt voll süß aus. Das sieht er selbst als Bruder. Aber wie gesagt, zum Glück interessiert sie sich noch nicht für Jungs. Und kompliziert findet er sie auch nicht. Sie ist halt ein bisschen ängstlich, wegen der Sache, die da gerade zwischen Mam und Paps abgeht. Das ist auch echt schräg. Aber was können sie schon machen? Mam ist eh etwas bescheuert. Woran die sich aufhängt und was die oft für Stress macht, wegen nichts und weniger als nichts. Aber bald ist er volljährig und dann will er studieren, so weit weg von zu Hause wie nur irgendwie möglich. Paps ist ja ganz in Ordnung, aber den Knall hat er auch nicht gehört, was Erderwärmung und so betrifft. Die denken echt, es geht immer so weiter, ohne dass sie was ändern müssen. Haben die fetten Jahre erlebt und meinen, dass würde niemals aufhören. Dabei hat selbst Paps mitgekriegt, dass kaum noch Insekten an seiner Windschutzscheibe kleben. „Ich muss meinen BMW viel seltener putzen als früher“, hat er letztens noch gesagt. Aber daraus schließt er nicht, dass er die Kiste mal häufiger stehen lassen sollte. Und von seinen Kindern lässt er sich natürlich auch nichts sagen.

      Patrick seufzt.

      Eigentlich sind nicht nur die Frauen in seinem Leben kompliziert.

      Alle Menschen um ihn herum sind es gerade.

      Obwohl die Neue eigentlich ganz vernünftig wirkt.

      Anouk heißt sie. Ihre Mutter ist Französin. Und ein großer Fan von Anouk Aimée. Die kennt Patrick nicht.

      „Eine tolle französische Schauspielerin hat Anouk ihm erzählt.

      Daher hat sie ihren Namen.

      „In den Sechziger Jahren hat Anouk Aimee in Un Homme et une Femme, also Ein Mann und eine Frau mitgespielt. Die weibliche Hauptrolle. Sehr schön und sehr melancholisch, in Schwarz-Weiß.“

      Wie sie den französischen Titel ausspricht und dass sie das Wort melancholisch benutzt, findet Patrick so abgefahren wie scharf.

      Dann hat sie auch noch die Titelmelodie gesummt: „da da da da ba da ba da da ba da ba da da da da da ba da ba da da ba da ba da da da da da ba da ba da ...“

      Und wahrscheinlich hat Britt Recht.

      Während sie so geredet und gesungen hat, konnte Patrick den Blick nicht von ihren Lippen losreißen.

      Anouk hat den perfekten herzförmigen Mund.

      Krass süß!

      Hannah und Lena

      „Ist mir doch egal, ob wir jetzt schwimmen oder klettern gehen oder nicht. Ich freue mich auf Bayreuth und die Zeit mit den anderen Mädels und Jungs“, sagt Lena zu Hannah.

      Und dann wird die Klassenlehrerin eine Woche vor dem Schulausflug krank und der Geschichtslehrer springt ein.

      Er schreibt an die Eltern, dass es ein tolles Freibad neben der Jugendherberge gibt und einen Kletterwald ganz in der Nähe. Da wolle man unbedingt hin. Nichts liegt in seinen Augen näher, als diese tollen Möglichkeiten auch zu nutzen. Die Eltern mögen doch bitte unterschreiben, dass sie einverstanden sind, dass er mit den Kids schwimmen und klettern gehen wird.

      Natürlich sind Hannah und Philipp einverstanden.

      Aber Hannah findet nicht gut, dass die Kinder im Bus nach Bayreuth fahren werden. Sie schlägt der Schulleitung vor, die Polizei zu benachrichtigen, damit die Beamten den Bus vor der Abfahrt inspizieren. Es passieren ja immer wieder schlimme Unfälle. Gerade auch auf Klassenfahrten. Weil der Bus nicht verkehrstauglich ist oder der Busfahrer seine fünfzehn Stunden Arbeitszeit überzogen hat und einschläft. Das kennt man ja aus den Nachrichten.

      Die Schulleitung findet die Idee sehr gut und bittet Hannah den Anruf bei der Polizei zu übernehmen. Schließlich hat der Direktor ja noch andere Dinge zu tun.

      Hannah nimmt diese Aussage nicht persönlich. Sie findet gut, dass sie die Polizei anrufen soll. Dann weiß sie wenigstens, dass es auch geschieht. Obwohl ihr Vater, als er noch Schuldirektor war das sicher selbst in die Hand genommen hätte. Aber heute ist ja jeder mit seinem Job überfordert. Manchmal glaubt Hannah, keiner lernt mehr zu arbeiten. Fleiß