Erker auch
Waren da so viel im Brauch,
Er sah im Leben wohl nicht mehr.
Da kamen allwärts Ritter her,
Die ihn begrüßten und empfingen;
Einige ritten, andre gingen.
[184]Auch war die jämmerliche Schar
All wie Asche grau fürwahr
Oder wie ein falber Leim.
Mein Herr, der Graf von Wertheim,63
5War ungern Landsknecht da gewesen:
Wie möcht er bei dem Sold genesen?
Ihnen schuf der Mangel Hungersnoth.
Sie hatten Käse, Fleisch noch Brot:
Sie ließen Zähnstochern sein;
10Sie schmalzten wohl auch selten Wein
Mit dem Munde, wenn sie tranken.
Die Wänste ihnen niedersanken;
Hochschlanke Hüften hatte Jeder;
Eingeschrumpft wie ungrisch Leder
15Auf ihren Rippen lag die Haut;
Der Hunger hatt ihr Fleisch verdaut.
Dem Mangel waren sie befohlen,
Ihnen troff es selten in die Kohlen.
Sie zwang hiezu ein werther Mann,
20Der stolze König von Brandigan,
Weil vergebens Klamide geworben.
Nicht oft verschüttet noch verdorben
War der Meth hier in der Kanne.
Keine Truhendinger Pfanne64
25Mit Krapfen hörte man erschrein,
Ihnen schuf der Misslaut selten Pein.
Wollt ich ihnen des verdenken,
Das hieße wohl mich selber kränken:
Denn wo ich oft bin eingekehrt
Und wo man mich als Herren ehrt,
[185]Daheim in meinem eignen Haus
Freut auch sich selten eine Maus.
Die Maus muß ihre Speise stehlen;
Die braucht man nicht vor mir zu hehlen,
5Ich finde keine offen.
Zu oft hat da betroffen
Mich Wolfram von Eschenbach,
Zu erdulden solch Gemach.
Meiner Klage ward genug vernommen;
10Nun mag die Märe wieder kommen,
Wie Pelrapär stand Jammers voll:
Da gab das Volk von Freuden Zoll.
Die der Treue sich ergeben,
Die Helden musten spärlich leben.
15Doch Mannheit wars, die das gebot.
Erbarmen sollt euch ihre Noth:
Denn ihr Leben steht zu Pfand,
Sie löse denn die höchste Hand.
Hört mehr noch von den Armen:
20Sie sollten euch erbarmen.
Sie empfingen roth vor Scham
Den edeln Gast, der ihnen kam.
Sie sahn, er war so reich und werth:
Aus Nothdurft nicht hatt er begehrt
25Herberge hier zu solcher Zeit:
Er kannte nicht ihr tiefes Leid.
Ein Teppich ward gespreitet,
Wo gestützt war und geleitet
Eine schattenreiche Linde.
Da entwappnete ihn das Gesinde.
[186]Andre Farb er bald als sie gewann,
Da er des Eisens Rost hindann
Sich wusch mit klarem Bronnen.
Schier hätt er da der Sonnen
5Ueberstralt den lichten Glast;
Drum daucht er sie ein werther Gast.
Man bot ihm einen Mantel gleich,
Geschnitten aus demselben Zeuch
Wie der Rock, den er zuvor getragen.
10Wildneu roch der Pelz am Kragen.
Sie sprachen: »Wollt ihr schauen
Die Köngin, unsre Frauen?«
Da sprach der Ritter zu den Herrn,
Ja, er sähe sie wohl gern.
15Sie gingen zu des Saales Thor
(Es führten Stufen viel empor),
Daß ihn ein lieblich Antlitz grüße,
Künftig seiner Augen Süße.
Von der Königstochter ging
20Ein Lichtglanz, eh sie ihn empfing.
Von Katelangen Kiot65
Und der werthe Manfilot
(Die beide Herzoge sind)
Brachten ihres Bruders Kind,
25Dieses Landes Königin;
Sie hatten Gott zu Liebe hin
Gegeben Harnisch, Schild und Schwert.
Da gingen die Fürsten werth,
Blühend, ob von Haaren grau,
Und brachten ihm des Landes Frau
[187]Mit Zucht bis an die Thür entgegen.
Da küsste sie der werthe Degen;
Die Munde waren beide roth.
Die Königin die Hand ihm bot:
5Ein führte sie Herrn Parzival:
Sie setzten nieder sich zumal.
Die Frauen und die Ritterschaft
Hatten alle schwache Kraft,
Die da saßen oder stunden.
10Die Freude war verschwunden
Dem Gesinde wie der Wirthin.
Kondwiramur die Königin
Hat zwar ihr Liebreiz ausgeschieden:
Denn Jeschuten und Eniden
15Und Kunnewaren de Lalant
Und die man je preiswürdig fand,
Wo es Frauenschöne galt,
Die überschien sie mit Gewalt
Und der Isolden Lob, der beiden.66
20Ja, ihr muß man den Preis bescheiden.
Ihr, Kondwiramor:
Die trug den wahren beau korps;
Das heißt im Deutschen: schöner Leib.
Jedwede war ein nutzes Weib,
25Die uns die Zwei gebaren,
Die hier beisammen waren.
Da thaten Alle, Weib und Mann,
Nichts als daß sie spähend sahn
Auf die Zwei beieinander.
Viel guter Freunde fand er.
[188]Der