einen Schritt zurück, damit der Mönch es aufheben kann. Natürlich ist Sonnenbaden verboten und zu keinem Zeitpunkt unangemessen gekleidet zu sein. Auch Make-up und sonstiger Schmuck sind unerwünscht.
Dann bekommen wir unseren täglichen Stundenplan und gehen ins Schweigen.
Eine Meditation
Die einfachste buddhistische Meditation, die ich kenne:
Finde einen aufrechten und entspannten Sitz auf dem Boden, einem Kissen oder Stuhl. Schließe deine Augen und lege die Hände in deinem Schoß oder auf deinen Oberschenkeln ab.
Nimm Kontakt zu deinem Atem auf. Beobachte ihn absichtslos und ohne einzugreifen. Komme so ganz in den gegenwärtigen Moment.
Dann führe deine Aufmerksamkeit zu deinem Herzzentrum, Anahata, in der Mitte deiner Brust. Atme durch dein Herzzentrum ein und aus. Begleite deinen Atemstrom im Geiste mit einem „Bu“ im Ein- und einem „Dho“ im Ausatem.
„Bu-dho“ bedeutet „Wach-Auf“
„Buddha“ bedeutet dementsprechend „der Erwachte“.
Körperübungen verboten
Sonor ertönt um 4.00 Uhr der große Klostergong. Er soll die Menschen rund um das Kloster daran erinnern, die Bettelschalen der Mönche zu füllen, die sich jetzt auf ihre Tour durch die verschlafene Stadt machen. Mein Jetlag absorbiert bereitwillig den wabernd tiefen Klang und mischt ihn gefällig in meine morgendlichen Träume. Weil es nicht nur mir so geht und Christian das weiß, läuft er um 4.15 Uhr noch einmal von einem schrillen Glöckchen begleitet durch die Gänge. Wer um 4.30 Uhr pünktlich auf seiner Yogamatte sitzen will, muss jetzt aufstehen.
In vielen Vipassana Meditationskursen sind körperliche Übungen verboten. Sie lenken zu sehr vom Wesentlichen ab, heißt es. Doch Ajahn Somchei ist ein weltoffener Abt und Anja konnte ihn mit einem durchdachten Konzept überzeugen, dass ein angemessener Yogaunterricht sehr hilfreich fürs Meditieren ist. Sie hat die Themen der Stunden auf die bei uns Retreat-Teilnehmer zu erwartenden inneren Prozesse abgestimmt. Körperübungen, die für meinen Geschmack und für die frühe Stunde eine Herausforderung darstellen, sollen Reaktionen in unserem Geist triggern, wie sie auch während des bevorstehenden Meditationsmarathons zu Tage treten werden.
Dazu gehört zum Beispiel Frust, der sich ja recht schnell bei uns westlichen Menschen zeigt, wenn es mal nicht so läuft, wie wir es uns vorstellen. Besonders zu Beginn einer Meditationspraxis ist es schwierig, die Konzentration über einen längeren Zeitraum zu halten. Den Geist zu trainieren, kommt der Erziehung eines Hundebabys gleich. In seinem Lernwillen bremst es sich durch seine noch viel größere Neugier auf das Leben um es herum immer wieder selbst aus. Ich lasse das Hündchen sitzen, was es bereitwillig tut. Im nächsten Moment springt es aber schon wieder auf, um einem Schmetterling oder sonst einer Ablenkung nachzujagen. Immer wieder muss ich es heranrufen und Sitz machen lassen. Einmal, zehnmal, hundertmal. Wenn unsere Anstrengungen scheinbar zu nichts führen und wir immer wieder bei Null beginnen müssen, ist das frustrierend. Und wenn der erlernte Schaltkreis der Motivation, unser Belohnungssystem, nicht bedient wird, neigen wir dazu aufzugeben.
Ein weiteres Phänomen ist die Projektion. Ohne jede Form der Ablenkung neigt ein ungeschulter Geist dazu, die schillerndsten Fantasien auf andere Personen zu projizieren. So kann es vorkommen, dass jemand einen vollkommen fremden Menschen aus der Gruppe zur Liebe seines Lebens stilisiert, ohne je ein Wort mit ihm oder ihr gewechselt zu haben. Projektionen funktionieren im gleichen Maße mit den Gefühlen der Zu- wie der Abneigung. War es eben noch die überbordende Liebe, die uns durchströmte, ist es am nächsten Tag vielleicht das traurige Gefühl, ein Außenseiter zu sein und die ganze Gruppe gegen sich zu haben.
Neben Frustration und Projektion stellt auch unser eigenes Bewertungssystem ein großes Hindernis dar. Unser Geist bewertet ununterbrochen jede, jeden und ganz besonders sich selbst. Leider liegt es in seiner Natur, dass die meisten dieser Bewertungen negativ ausfallen und dass wir dabei vor allem mit uns selbst sehr hart ins Gericht gehen.
Über die Yogaübungen bewußt mit diesen Geisteszuständen in Kontakt zu kommen, soll ihnen die Schärfe nehmen und helfen die Tür des Erkennens zu öffnen. Wir lernen, dass wir keinen Einfluß darauf haben, welche Gedanken in unserem Geist erscheinen, wohl aber, welche Qualitäten wir ihnen zuweisen. Es liegt ganz in unserer Hand, ob wir einer Geistesbewegung eine neutrale, positive oder negative Färbung geben. Und auch, ob wir einen Gedanken einladen zu bleiben oder ob wir ihn durchwinken. Der Zen-Meister Suzuki Roshi drückt es so aus: Lass Deine Vorder- und Hintertür offen. Lass die Gedanken kommen und gehen. Aber serviere ihnen keinen Tee. Und wenn wir mal nicht aufgepasst haben und wir erwischen einen Gedanken dabei, wie er sich selbst Tee eingeschenkt, gilt es, sich nicht mit ihm zu identifizieren. Eckhart Tolle, ein von mir sehr geschätzter spiritueller Lehrer, drückt es so aus: Glaube deinen Gedanken nicht. Sie sind real, aber nicht wahr. Zumindest nicht immer. Wenn wir das akzeptieren, haben wir in jedem Moment die Möglichkeit, unsere Realität aktiv mitzugestalten. Denn jeder Gedanke hat das Potenzial, sich in eine Tat zu wandeln und sich damit zu manifestieren.
Diese erfahrungsreichen 90 Minuten Yoga am frühen Morgen münden direkt in die erste Meditation des Tages, in der wir die Möglichkeit haben, das eben Erfahrene zu integrieren. Um 7.00 Uhr steht mit dem Frühstück die erste von zwei täglichen Mahlzeiten auf dem Plan. Gleich neben der Buddhahalle liegt der offene Essensraum zu ebener Erde. Aus einer Küche, die ich noch nie von innen gesehen habe, kommen jede Menge Köstlichkeiten. Ein in die Jahre gekommener Ladyboy bekocht hier schon seit über 10 Jahren die Farrangs. Meist gibt es drei vegetarische Gerichte mit Reis und zum Nachtisch Obst. Kleine Bananen, Drachenfrüchte, Rambutan, Mangostane.
Schweigend sitzen wir teilweise zu sechst an runden Tischen und versuchen, wegzuschauen. Zufälliger Blickkontakt ist unangenehm, denn selbst ein Lächeln wäre ja eine Form der Kommunikation. Nicht zu lächeln ist aber auch komisch und fühlt sich unfreundlich an. Aus dem Augenwinkel beobachte ich meine Tochter. In mir steigen Zweifel auf, ob das Ganze nicht zu viel für eine meditationsunerfahrene, junge Frau ist und eine Geschichte kommt mir in den Sinn, die ich vor ein paar Monaten hörte. Eine Teilnehmerin aus der Yogalehrer Ausbildung in Hamburg, die ein ähnliches Schweigeretreat in Deutschland besuchte, rutschte nach ein paar Tagen in eine Psychose und landete für drei Wochen in der geschlossenen Psychiatrie. Obwohl ich mir sicher bin, dass Greta weiß, dass sie jederzeit die Notbremse ziehen kann und ich mich auch darauf verlassen kann, dass sie das tut, will mich dieser Gedanke nicht loslassen. In einem wachen Moment entlarve ich ihn als Produkt meines schon jetzt gelangweilten Gehirns und ein Zitat von Hermann Hesse fällt mir ein: Nichts auf der Welt ist dem Menschen mehr zuwider, als den Weg zu gehen, der ihn zu sich selber führt! Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf boykottiere ich den Fluchtversuch meines Geistes vor der Konfrontation mit sich selbst und fokussiere mich auf meine eigene Übung.
Unsere Buddha Natur aktivieren
Nach dem Frühstück steht uns ein wenig Zeit zur freien Verfügung, bevor es um 9.00 Uhr weitergeht. Die Pausen zwischen den Programmpunkten sind nicht wirklich als solche zu verstehen. Ziel ist es, vierundzwanzig Stunden in Achtsamkeit zu verbringen. Selbst wenn ich mich nach dem Frühstück noch einmal hinlege, liege ich achtsam. Beobachte den Atem, den Körper, die Gedanken, die Gefühle. Wenn ich in der Pause fege oder putze, tue ich es achtsam. Wenn ich einfach nur rumsitze, spazieren gehe, ich bin immer in Achtsamkeit. Achtsam sein heißt, ohne Bewertung immer hier in diesem Moment zu verweilen, bei dem, was gerade ist.
In den darauffolgenden zwei Stunden werden wir in die erste von sieben Stufen der Gehmeditation eingewiesen. Wir lernen, unsere Konzentration zu halten und gehen immer denselben kurzen Weg hin und her. Drehen uns achtsam, benennen dabei den der Bewegung vorausgehenden Impuls sowie die Bewegung selbst. Jeder Schritt folgt einem gedachten „links geht vor“, „rechts geht vor“. Dies machen