Florian Kalenda

Eisenglanz


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wieder hochzog. Sie wischte sich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und fragte, als sähe sie ihn zum ersten Mal: „Du bist Vaters Kebssohn, oder?“

      „Ich heiße Isanpert und bin der Sohn des Gudo und der Ula. Ich diene Herrn Uto auf Gramlinga, einer Hube oberhalb der Clana, an der Straße, die zu der Burg Augusta führt.“

      „Dort dienst du meinem Vater ja nun nicht“, gab sie zurück. „Du bist schließlich hier. Und ich frage mich, warum.“

      „Ich gehe, wohin Uto mich schickt“, sagte Isanpert. „Er möchte, dass ich hier mit Olko kämpfen lerne.“

      „Ein Schwert schwingen kann man überall. Aus irgendeinem Grund bist du an der Clana nicht mehr erwünscht. Hattest du Streit mit deinen Geschwistern?“

      „Mein Bruder Deso und meine Schwester Heila sind liebe Kinder“, sagte Isanpert. Mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Alle meine Geschwister waren nie anders als freundlich zu mir.“

      Sie legte den Kopf schief. „Also war es etwas mit einem Weib. Hast du eine Magd verführt? Oder die Nachbarstochter?“

      Isanpert wurde rot. Es war zur Zeit der Frühjahrsaussaat geschehen. Jeder war auf den Feldern gewesen, um zu pflügen, zu säen, zu rechen und zugleich die Tiere nicht zu vernachlässigen. Isanpert half Engilpert, den Pflug zu führen und recht tief ins Erdreich zu drücken. Erst längs, dann quer. Deso trieb den Ochsen an. Sogar die keuchende alte Gisla mit ihren lahmen Schritten und die kleine Heila mit ihren Goldlöckchen, die sonst nur spinnen durfte, alle waren seit der Frühe auf den Äckern, als Isanpert in einer Furche umknickte. Der nackte Fuß schwoll an. Er verbarg es erst, stützte sich auf den Ochsen. Ula sah es aber doch.

      Weil Leuba die Kräuter und ihre Wirkung gut kannte, bat Ula sie, mit dem Buben zum Haus zu gehen, den Fuß zu säubern und ihm einen Umschlag zu machen. Dann sollte Leuba so schnell wie möglich zurückkehren, Isanpert aber sollte wenigstens diesen einen Tag ruhen.

      Isanpert ließ es geschehen, dass Leuba ihn wusch und mit einem Tuch abtrocknete, von oben bis unten, nicht nur den Knöchel. Sie trug zerriebene Arnika-Blätter auf die Schwellung auf, legte einen Verband an, half ihm aufs Lager und kümmerte sich mit robuster Entschlossenheit um sein Wohlergehen. Isanpert dankte ihr die Mühe schlecht. Ab jenem Tag war er darauf bedacht, auf der Bank nie mehr neben Leuba zu sitzen, immer ein wenig Abstand zu halten. Vor allen Mädchen und Weibern war er seither auf der Hut.

      „Da habe ich es wohl getroffen“, sagte Waltrut. „Komm nicht auf dumme Gedanken. Bei uns am Hof gibt es keine solchen Geschichten. Da passen wir auf. Außerdem würde keine unserer Mägde so einer mageren Vogelscheuche wie dir auch nur einen einzigen Blick gönnen.“

      „Keine Sorge“, sagte Isanpert. „Ich habe gar keine Zeit für deine Mägde. Morgens übe ich mit den Waffen. Nachmittags gibt mir Rihho so viel Arbeit, dass ich kaum zum Reiten komme. Ich würde wirklich lieber reiten als deine Mägde ansehen.“

      Waltrut stemmte die Arme in die Hüften. „Du denkst wohl, ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß Bescheid. Obwohl es dir angeblich an Zeit fehlt, scheust du keine Mühe, der Hulda Geschenke zu machen!“

      Da sagte Isanpert, er denke gewiss nicht schlecht von ihr. Im Gegenteil scheine es ihm, als ob Waltrut vieles über Heimlichkeiten zwischen Männern und Weibern wisse. Und er fragte sie geradeheraus, ob sie sich mit einem Mann treffe.

      Entrüstet erklärte sie: „Mein Vater wählt meinen Bräutigam.“

      „Vielleicht einen gewissen Liutker?“

      Waltrut tat, als müsse sie lachen. „Man merkt, dass du fremd bist. Sonst würdest du etwas so Dummes nicht sagen. Herrin über Altham zu sein, das wäre wirklich erbärmlich.“

      „Altham? Wo ist das?“

      „Aha! Du tust also nur so, als würdest du dich auskennen“, sagte Waltrut. „Altham ist der nächste Hof in Richtung Sonnenaufgang. Es ist Liutkers schäbiger Hof.“

      „Immerhin günstig gelegen“, sagte Isanpert. „Ist er nicht mit dem Dux verwandt?“

      „Nur ein Kebssohn.“ Waltrut wickelte eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. „Und sieht aus wie eine Krähe.“

      Isanpert hielt dagegen, er habe Liutker gesehen, an Otilos Seite. Keinesfalls glich er einer Krähe. Den Späher auf dem Baum hatte er entdeckt. Alle hatten gut von ihm gesprochen.

      „Du redest zu viel“, sagte sie, „das geht dich überhaupt nichts an. Aber das eine sage ich dir, du brauchst der Hulda gar nicht immer diese Blicke zuzuwerfen, das ist vollkommen aussichtslos. Die kannst du dir aus dem Kopf schlagen!“

      Schnell ging sie fort, um das letzte Wort zu behalten. Brunnenwasser hatte sie keines geschöpft. Isanpert rieb sich die Stirn. „Gut zu wissen“, sagte er laut, obwohl sie es nicht mehr hören konnte.

      Brautwerbung

      Eines Tages kam Dagoprant nach Utinga. Schnaufend rutschte der dicke Mann mit dem gelben Hemd aus dem Sattel, rieb sich den Hintern und sagte, nur zu Fuß zu gehen sei schlimmer.

      Isanpert grüßte er wie einen alten Freund und bat ihn, noch einmal den Ruf des Käuzchens nachzumachen. Zum Gastbier sang er ein Lied von König Thietrihs Kampf gegen die Hunnen. Dann führten sie ein Gespräch, er und Uto. Sie saßen im Wohnhaus und sprachen lange, während alle anderen draußen in der Herbstsonne oder in einem der Grubenhäuser ihrer Arbeit nachgingen.

      Isanpert wäre gerne dabeigesessen. Wie auf Mohinga beim Verhör. Er hatte geholfen, dem Gefangenen die Zunge zu lösen. Von Olko wusste er einiges über die Stämme und die Männer, die sie führten. Er war nicht mehr so einfältig wie einen Monat zuvor. Er hätte mit ihnen beraten können. Sie fragten ihn nicht. Er war zu jung.

      Auf Rihhos Geheiß ölte Isanpert die ledernen Geschirre für Rösser und Ochsen, die Zügel und die Riemen. Der Tiegel mit dem Öl war nahezu leer. Er ging Nachschub holen. Dabei kam er so dicht an der verputzten Wand des großen Hauses vorbei, dass er gar nicht anders konnte, als sich dagegen zu lehnen, das Ohr aufzulegen und Brocken ihres Gesprächs aufzuschnappen.

      Er hörte den Namen Waltrut. Dagoprant kam im Auftrag eines Mannes, der sie freien wollte. Wer es war, verstand Isanpert nicht. Später sah er Uto mit dem Mädchen sprechen.

      Am Abend lauschten sie Dagoprants Liedern. Utos Leute und ihre Weiber saßen bis spät am Feuer, und auch die Knechte und Mägde verließen die große Halle nicht, bis Dagoprant sagte, jetzt sei er wirklich zu heiser und ihm falle kein Lied mehr ein.

      Schon am nächsten Morgen brach er wieder auf. Isanpert holte sein Ross herbei: eine kleine Stute, weiß mit einigen braunen Flecken und einem robusten Rumpf. Das Tier ließ sich willig zu seinem Herrn führen. „Sie passt zu dir“, sagte Isanpert.

      Dagoprant schüttelte den Kopf. „Nur der Größe nach.“ Pferde waren nach seiner Meinung ein notwendiges Übel. Lieber stehe er mit beiden Beinen auf der Erde, aber so komme man nicht voran, sagte er. „Vorankommen muss ich. Zu Mohinga wollen sie das Ergebnis unseres Gesprächs wissen.“

      „Warum hast du mein Versteck nicht verraten, als sie mich suchten?“, fragte Isanpert. „Wo doch die Mohingara deine Freunde sind.“

      „Das ist nicht meine Art“, schnaufte Dagoprant. „Ich bin auch Utos Freund. Und deiner. Dazu war es besser für Cotapert. Vielleicht hätte er etwas Dummes getan und am nächsten Tag bereut. Oder einer seiner Söhne.“

      Isanpert ging in die Knie, legte die Hände ineinander und half beim Aufsteigen.

      Auch wenn Tietgart es gern gehabt hätte, beschränkten sich die Gespräche der nächsten Tage nicht aufs Nützliche und Fromme. Vielerlei Gerüchte gingen um. Waltrut würde heiraten, da waren sich alle einig. Nur wen? Konnte es ein Mann aus der reichen Huosi-Sippschaft sein, die an der Ilma siedelte? Otkers jüngerer Bruder Reginolf war unverheiratet.

      Oder doch Liutker aus Altham. Der Sohn eines Kebsweibs, nun ja, so war die Welt, so waren die Männer. Ein wahrhaftiger Nachfahre