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froh.

      „Leider sind wir nicht vollzählig“, fuhr Uto fort. „Besonders vermissen wir Martilos Vater Cotapert.“

      Hucwalt erhob sich, um als Ältester der Mohingara zu sprechen. Isanpert duckte sich. „Unser Vater bedauert es selbst. Er hat einen lästigen, aber dringenden Gang zu tun. Der neue Bischof erhebt Ansprüche auf unsere Kirche Sankt Martin zu Piparpah. Unbegründet natürlich. Aber ich will euch nicht mit Rechtssachen langweilen. Unser Vater bat uns, euch seine Grüße und sein Einverständnis zu übermitteln.“

      „Bei der Hochzeit im kommenden Jahr wird Cotapert sich nicht durch Geschäfte entschuldigen können“, sagte Uto. „Heute werden wir seinen Anteil unter uns aufteilen.“ Er hob einen bronzenen Kelch mit rot leuchtenden Steinen und trank daraus, bevor er ihn Hucwalt reichte.

      Hucwalt nahm ihn, trank aber nicht gleich. „Noch ein Mann fehlt an dieser Tafel. Es ist mein Bruder Fritilo. Allzu früh ist er gestorben. Auf sein ewiges Gedächtnis trinke ich.“

      In dem Kelch war gewürzter Wein aus dem Langobardenreich, rot und süß und kräftig. Mit dem sauren Rebsaft von der Clana, der Isura oder auch der Tonah konnte man ihn gar nicht vergleichen. Immer wieder füllte Rihho nach. Martilo erzählte, ein ähnliches Fass habe Adalpert, der berühmte Mann aus der Sippe der Huosi, einer der Ersten des Stammes, einst von einer Reise nach Roma mitgebracht. Wer einen Schluck davon nehme, müsse Gott für ein solches Geschenk des Himmels danken, sagte Martilo. Vorsichtig trank er und fragte Uto, wie er an den Wein gekommen sei, ob er Handelsverbindungen über die Alpes hinweg unterhalte?

      Uto lächelte. Dieses Geheimnis müsse er auch vor gern gesehenen Gästen geheim halten. „Wenn du erst Mann meiner Tochter sein wirst, Vater meines Enkels und mein eigenes Fleisch und Blut, werde ich es dir verraten.“

      Martilo lachte und bat seinen Bruder, den Wein langsam zu trinken.

      Am unteren Tisch saßen die nicht begüterten Freien aus Utos Gefolgschaft. Vor ihnen stand ein mit Bier gefüllter Krug aus gebranntem Lehm. Olko reichte ihn Isanpert. „Trink“, sagte er, „denn dies ist Festtagsbier, und so etwas Gutes wird es lange nicht mehr geben.“

      Isanpert trank. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Olko, der sich seinen Gefährten zugewandt hatte und zwinkerte. „Du glaubst wohl, ich vertrage kein Bier“, sagte er.

      „Aber was“, sagte Olko, „ein kräftiger Kerl wie du.“

      Die Tischgenossen lachten. Sie wussten, dass Festtagsbier stärker eingebraut wurde als gewöhnliches und zu Kopf stieg, wenn man sich nicht versah. Isanpert mochte groß sein für sein Alter, stark war er nicht.

      Isanpert hörte die Männer über Olkos Scherz lachen und begriff das als Warnung. Wenn ihm Olko den Krug zureichte, nahm er zwar stets einen Schluck, aber nur einen kleinen.

      Am oberen Tisch trug Dagoprant Lieder vor. Alle hörten hin, als er von dem Helden Hiltiprant und seinem Sohn Hatuprant sang, die zwischen zwei Heeren aufeinandertrafen, ohne sich zu erkennen. Das nächste Lied handelte von der Königin Rosemund, die ihren Gatten Alboin erschlagen ließ, aus Rache, weil er ihren Vater getötet hatte.

      Alle waren sich einig, die langobardischen Lieder seien die besten, voller Blut und Fehden und Schlachten. Die Worte hätten einen Klang wie Trommelwirbel, sagte Uto. Nur Clementia fand die Geschichte von Rosemund unpassend.

      Waltrut lauschte Martilo, ohne zu ermüden. Bisweilen errötete sie. Einmal rief sie Hulda herbei, ein Band festzuziehen, das sich an ihrem Kleid gelöst hatte. Martilos Blick fiel auf die hölzerne Spange, die Huldas Kleid zusammenhielt. „Eine feine Schnitzerei“, sagte er. Hulda errötete. Waltrut erklärte, einer der Knechte habe sie gemacht.

      „Er hat eine Begabung dafür“, sagte Martilo. „Vielleicht kann ich morgen einmal mit ihm sprechen. Ein so geschickter Knecht wäre eine Zierde für unseren Hausstand, wenn wir erst verheiratet sind.“

      „Ja, vielleicht morgen“, sagte Waltrut.

      Olko trank reichlich Bier. Ihm war kein Rausch anzumerken. Höchstens dass er lustiger war und mehr redete, als es seine Gewohnheit war. Sein Weib überzog er mit freundlichem Spott und nahm sie im nächsten Augenblick auf seinen Schoß, um ihr seine Zuneigung zu zeigen.

      „Sie reden über die Spange, die ich geschnitzt habe“, sagte Isanpert, der das Geschehen an der oberen Tafel mit Augen und Ohren verfolgte.

      Olko lachte. „Ihr werdet glänzend miteinander auskommen, der Bräutigam und du.“

      Je mehr Wein und Bier flossen, desto hitziger redeten die Männer. An der unteren Tafel kam es zu einigen Faustschlägen. Olkos fester Griff vermochte, die beiden Streithähne zu beruhigen.

      An der oberen Tafel wandte sich das Gespräch der Zukunft des Stammes und seiner Nachbarn zu. Ein jeder redete, als wäre er der Dux und wüsste am besten, was zu tun war.

      „So kann es doch nicht weitergehen!“, hörte man Hucwalt rufen. „Wir und die Franken sind Brüder, wie Martilo und ich und … Wir müssen zusammenhalten! Für ein friedliches Miteinander brauchen wir einen Mann, der beide Stämme führen kann …“ Sein Blick galt Uto, der zuhörte, aber nicht ein einziges Mal nickte.

      Hucwalt redete sich in Schwung, nur verlor er das Ziel aus den Augen. Er fing Sätze an, die er nicht beendete. Einzelne Worte brachte er noch hervor, verstummte und sah sich hilflos um. Martilo half ihm darüber hinweg, indem er Beifall bekundete.

      Isanpert fragte Olko: „Was hat er gesagt? Ein Greif soll beide Stämme anführen?“

      „Grifo, hat er gesagt. Nicht der Vogel, sondern der Name.“ Olko hielt das Gänsebein hoch, an dem er nagte, und lachte dröhnend. „Hast du nicht von ihm gehört? Der alte Karl, der Haushofmeister der Franken, hatte nach Pippin und Karlmann einen weiteren Sohn. Der hieß Grifo. Es soll sein Lieblingssohn gewesen sein, weil er ihn der Swanahilt gemacht hat, der schönen Schwester unseres Dux.“ Mit Hilfe des Gänsebeins veranschaulichte Olko, was er meinte. Als das Gelächter der Umsitzenden verklungen war, fuhr er fort: „Manche im Heer hatten die Hoffnung, dass Grifo eines Tages über die Franken herrschen könnte und über die Baiuwaren auch. Über das Volk seines Vaters und das seiner Mutter.“

      „Warum sollte denn ein Mann beide Stämme anführen! Das wäre ja, als hätte einer zwei Eheweiber.“

      „Wer hätte nicht gern zwei Eheweiber.“ Olko riss mit den Zähnen ein Stück Fleisch ab. „Aber im Ernst. Wenn du ein reicher Mann wärst wie Cotapert und hättest Land bei den Franken ebenso wie diesseits der Tonah, so hättest du auch zwei Herren, es zu schützen: den König der Franken und den Dux der Baiuwaren. Angenommen, der König und der Dux zögen gegeneinander in den Krieg, könntest du nur verlieren. Vor allem, wenn du zum falschen Mann hältst.“

      „Dieser Grifo ist tot?“

      „So gut wie.“ Olko wischte sich die Finger am Kittel ab. „Seine Brüder haben ihn aus dem Weg geschafft. Die sauberen Hausmeier Pippin und Karlmann. Ihn abzustechen und in den Fluss zu werfen, werden sie sich nicht getraut haben. Also sitzt Grifo in einer Mönchszelle und betet zum Herrgott, dass der seine Brüder durch eine Sieche dahinraffen lässt …“

      Oben hatte Hucwalt den Faden wiedergefunden. „Schon einmal“, rief er, „haben Pippin und Otilo ihren Streit ausgefochten. Wir sind für sie in den Kampf gezogen und hatten am Ende am meisten zu leiden! Die Schlacht wurde nahe meinem Gehöft Pahara geschlagen. Ich habe vier Dutzend Rinder verloren. Unsere Knechte haben sie weggebracht, unsere Hütten niedergebrannt. Unser Silber und unsere Vorräte haben Franken genommen. Als wären wir nicht ihre besten Freunde, sondern Heiden. Weil die Anführer keine Freunde waren!“

      „Lass die Zukunft des Stammes für einen Augenblick“, bat Uto. „Wir sitzen hier zusammen, um friedlich zu feiern, dass dein Bruder und meine Tochter heiraten werden. Es steht nicht in unserer Macht, Franken und Baiuwaren zu einem Volk zu vereinigen ...“

      „Grifo ist der Mann dafür“, rief Hucwalt.

      „… aber unsere Familien werden wir vereinigen, die Mohingara mit den Hahilinga