Florian Kalenda

Eisenglanz


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vom Kittel.

      Entrüstet ergriff Uto das Wort. Er sei enttäuscht, sagte er. Ein solches Verhalten sei eines Gastes an einem christlichen Hof nicht würdig, und gar noch unter Verwandten.

      Da geriet Hucwalt erst recht wieder in Wut und schrie, Silber mache den toten Bruder nicht lebendig. Die Heirat des einen Bruders werde nur möglich sein, wenn der Mörder des anderen seine gerechte Strafe erhalten habe. Schwankend wandte er sich ab.

      Mit einem Zittern in der Stimme sagte Martilo, sein älterer Bruder könne keinesfalls für die Sippe sprechen, das könne nur sein Vater Cotapert. Hucwalt werde am nächsten Tag sicher Vernunft annehmen. Für heute sei vielleicht schon zu viel geredet worden.

      Uto antwortete, es gebe nichts weiter zu sagen. Der Hausfrieden sei gebrochen. Waltrut weinte. Clementia führte sie zu Bett.

      Isanpert schlief in dieser Nacht unruhig, sah immer wieder nach der Tür und vermied es, zum Wasserlassen nach draußen zu gehen.

      Blaue Augen und ein grünes Messer

      Vom nächsten Tag an hatte Isanpert einen Platz zwischen Paulus und Waltrut an der oberen Tafel. Von Hildpert, der ihm gegenübersaß, bekam er heimliche Tritte. Clementia sah ihn böse an. Waltrut hatte verweinte Augen. Sie sprach nicht ein Wort mehr, als sie musste.

      Uto wollte es so. „Auch er ist mein Sohn“, sagte er vor allen Leuten. Neu war, dass er es sagte. Auch wenn es jeder gewusst hatte.

      „Du bist ein Mann“, redete er Isanpert an. „Du sollst auch so behandelt werden. Vor allem brauchst du ein Schwert.“ Nach Isanperts Ankunft hatte er eine Waffe beim Schmied in Ardinga in Auftrag gegeben. Einen scharfen Sax, der leicht zu schwingen war und nicht viel wog. Er werde fertig sein, wenn der Mond wieder zunehme, hatte der Schmied zugesagt.

      Uto löffelte die Suppe aus Schaffleisch und Bohnen. Clementia fragte, ob es nicht besser sei, wenn Isanpert an der unteren Tafel sitze. „Dort sind deine anderen Männer, mit denen er zusammen kämpfen soll. Seinesgleichen. Platz ist auch, nachdem du dieses Jahr am Monsee zwei Mann verloren hast.“

      Uto kaute das Fleisch, legte den Löffel ab und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. „Am unteren Tisch, das ist nichts. Du weißt, wie ich bin. Entweder ganz oder gar nicht.“ Dann erzählte er von den Seen und den Bergen im Osten, und den Heiden, die dort schändlichen Göttern huldigten. Dorthin werde Otilo sie auch im nächsten Sommer führen.

      Isanpert schlief nun im Herrenhaus. Man wies ihm eine Bettstatt am linken Ende des Raums zu, wo Utos Männer und ihre Weiber ruhten. Uto und Clementia, ihre Kinder und die vornehmsten Gäste legten sich rechts von der Tür zur Nachtruhe, nahe der Feuerstelle, wo die Glut länger wärmte.

      Das Kastenbett wackelte jedes Mal, wenn Isanpert sich umdrehte. Er hatte es immerhin für sich. Er hätte eine Magd zu sich nehmen können, wenn er gewollt hätte.

      Hulda sah er bisweilen untertags. „Die Abende sind so lang“, sagte sie.

      „Aber wir haben immer nur still nebeneinandergesessen“, gab er zurück, „du hast gesponnen und ich habe geschnitzt. Geredet haben wir wenig.“

      „Trotzdem. Jetzt sitze ich allein da und spinne.“

      „Und ich sitze und schnitze im anderen Haus.“

      „Eben“, sagte Hulda.

      Olko nickte beifällig, als Isanpert ihm von dem Sax erzählte, den er bekommen werde. „Der Schmied Lantfrid ist kein schlechter Mann. Er hat Kraft im Arm. Nimm dich vor seiner Tochter in Acht. Vor ihren Augen. Sie ist nicht älter als du, aber hat schon so manchen um die Nachtruhe gebracht.“

      Isanpert lachte. „Was soll mir ein Mädchen denn antun?“

      „Du hast recht, wenn du lachst. Man muss die Weiber leicht nehmen. Ohne sie kommt keiner aus. Ein Mann braucht sie so nötig wie einmal in der Woche das Baden.“ Olko kratzte sich im Schritt. „Ich rate dir, such dir eines, das nicht viel Ärger macht. Nicht wie die Schmiedetochter.“

      „So wie dein Weib?“, fragte Isanpert. Sein neues Bett stand neben Olkos, und so wusste er, dass Olko mit seinem Weib kaum je ein Wort wechselte. Ihre Zwiesprache war anderer Art, hinter dem hohen Rand des Bettes verborgen, der nicht nur die Zugluft abhielt, sondern auch Blicke. „Du sagst immer, du hättest sie eingefangen, aber du hast mir nie erzählt, wo.“

      „Auf dem Heereszug war es“, sagte Olko. „Die Heiden hatten eine Siedlung niedergebrannt. Da gab Otilo Befehl, ihr Dorf zu stürmen. Ich habe sie als Teil der Beute gefordert. Sie kannte kein Wort in der Volkssprache. Heute spricht sie ein wenig. Glaubst du, das macht es einfacher?“ Er zog seinen Bart stramm.

      Den Mist musste Isanpert nicht mehr einsammeln. Rihho gab ihm leichtere Aufgaben. „Eigentlich vermisse ich es“, sagte er zu Uto. „Es war keine schwere Arbeit. Ich bin gern bei den Rössern.“

      „Rossbollen zusammenzutragen ist nichts für einen Hahiling“, erklärte Uto. „Wir haben Rösser, um sie zu reiten oder zu verkaufen.“

      An manchen Nachmittagen blieb Zeit für einen Ausritt. An den Abenden saßen sie sich gegenüber wie feindliche Heere bei einer Belagerung. Isanpert schlang das Essen hinunter und war froh, wenn er sich recht bald dem Abendwerk widmen konnte: der letzten Arbeit des Tages, in der Dämmerung oder gar bei Feuerschein im Haus ausgeführt, bis die Augen zufielen.

      Clementia fragte Uto, wie es mit den Mohingara weitergehen werde. Deren Bruder sei schließlich immer noch tot. Wenn sie auch Waltrut nicht mehr wollten, so doch wenigstens Rache. Oder Blutgeld.

      „Darum ist Isanpert auf Utinga“, erklärte Uto. Hier konnten ihm die Mohingara nichts tun. „Ich habe ihm versprochen, ihn zu schützen. Auf Gramlinga kann ich das nicht.“

      Er wandte sich an Hildpert und Paulus. Olko unterwies sie an den Nachmittagen im Kampf, Isanpert aber in den Morgenstunden. „Ab morgen übt ihr alle gemeinsam. Von Isanpert könnt ihr euch einiges abschauen.“

      Hildpert grummelte Zustimmung, während der Jüngere ängstlich zu seiner Mutter sah. Clementia verschränkte die Arme und sagte, da wolle sie gern ein wenig zusehen.

      Am Morgen standen sie alle rund um den Kampfplatz. „Ich will gegen Isanpert kämpfen“, sagte Hildpert. Seine Mutter lächelte stolz.

      Olko war es nicht recht. „Sie haben nicht das gleiche Alter“, sagte er. „Hildpert ist drei Sommer jünger.“

      „Dafür ist Hildpert bulliger“, sagte Uto. „Isanpert ist groß, aber schmal. Lass sie gewähren. Nur das eine Mal.“

      Obwohl sie die helle Haut ihrer Mutter geerbt hatten, waren beide kräftige Kinder: Hildpert reichte Isanpert nur bis zur Brust, aber er hatte dickere Arme und verschlang größere Mengen. Auch Paulus langte schon tüchtig zu.

      Olko reichte Hildpert ein stumpfes Übungsschwert und Isanpert ein zweites. „Lass etwas von ihm übrig“, brummte er. Er schien sicher, was den Ausgang des Kampfes anging. Isanpert sah sich unruhig um. Der halbe Hof hatte sich versammelt. Sogar der Priester Maximinus war da.

      Hildpert stürmte los, als wolle er seinen Gegner umreißen. Isanpert wich aus. Immer und immer wieder. Nicht einmal trafen ihre Klingen aufeinander. Isanpert wunderte sich, wie leicht es ihm fiel. Er war im Sommer ein Mann geworden, er stand sicher auf den Beinen und bewegte sich gewandt. Hildpert aber war ein Kind. Ein starkes Kind. Jeder konnte es sehen.

      „Du bist ein Feigling“, sagte Hildpert. Ihm standen Tränen im Gesicht. „Du weichst immer aus.“

      „Er ist schneller und geschickter als du“, sagte Olko. „Das kommt mit dem Alter. In zwei Jahren wirst du auch ein besserer Kämpfer sein als heute.“

      „Er hat mich nicht besiegt“, sagte Hildpert trotzig.

      „Sei nicht dumm“, sagte Uto, „jedes Mal, wenn du an ihm vorbeigestürmt bist, hätte er dir sein Schwert über den Kopf ziehen können.“

      Hildperts Hand ging zum Kopf. Erleichtert stellte