Florian Kalenda

Eisenglanz


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Abend forderte Uto ihn auf, damit das Fleisch zu schneiden. Clementia sah es ungern, dass Isanpert Gaben erhielt. Gut, einen Sax brauchte dieser Kerl, um Uto zu schützen. Auf Utinga gab es ein ganzes Regal mit solchen Waffen. Hatte man eine neue machen lassen müssen? Uto übertrieb es.

      Der Priester Maximinus musste die Waffe auch noch segnen, als wäre sie das Prunkschwert eines berühmten Kriegers. Clementia verfolgte die Feierlichkeit mit einem Ausdruck wie bei einem Begräbnis. Für das Festmahl danach hatte Uto ein Schwein schlachten lassen.

      „Wir werden nicht über Isanpert streiten. Ich habe dich in dieser Sache gewähren lassen und dir mit keinem Wort widersprochen“, sagte sie zu Uto und fuhr dabei ihrem Ältesten, Hildpert, über das flachsblonde Haar. „Aber musstest du ihm auch noch das beste Ross schenken?“

      „Das habe ich nicht.“

      „… und ein edles Messer, wie es sich vielleicht für einen Herzogssohn gebührt.“

      Uto hob erstaunt den Kopf.

      Clementia fuhr fort: „Für einen in christlicher Ehe geborenen Sohn des Herzogs.“

      Geduldig erklärte Uto: „Was Wunniwint betrifft – so heißt die Stute. Sie ist nicht unser bestes Ross. Ich habe sie Isanpert nicht gegeben oder geschenkt. Er darf sie reiten, solange er bei uns ist. Er muss so viel wie möglich reiten.“

      Clementia warf ausnahmsweise einen Blick auf Isanpert. „Solange er hier ist? Wann geht er weg?“

      „Er bleibt, bis der Streit mit den Mohingara beigelegt ist.“

      „Wenn du den Streit beilegen willst, lade sie vor Gericht.“

      Uto legte die Handflächen auf den Tisch und fuhr über die Oberfläche. „Es gibt eine Schwierigkeit. Der zuständige Richter ist Graf Cotapert selbst. Es ist sein Sohn, der das Leben verloren hat. Können wir von ihm ein gerechtes Urteil erwarten?“

      „Ich bin nur ein Weib, aber ich weiß, dass die Männer vor Gericht stets Ratsbürgen wählen, die über die Einhaltung des Rechts wachen.“

      Uto schüttelte den Kopf. „Sie werden dem Grafen nicht zu widersprechen wagen.“

      „Was ist mit dem prächtigen Messer?“, fragte Clementia.

      Uto benötigte einige Augenblicke, um ihr zu folgen. „Ich weiß nicht, warum ich Isanpert nicht ein Messer schenken sollte. Wir feiern seine Mannbarkeit. Er ist mein Sohn.“

      „Das hast du in letzter Zeit häufig genug betont.“

      Wenn Uto und Clementia stritten, schwieg die Halle. Nicht alle von Utos Männern verstanden, warum sich der Herr von Utinga solche Dinge von einem Weib sagen ließ. Er konnte ihr doch ein paar auf die Ohren geben – und dem Priester auch gleich, hinter dem sie sich verschanzte. Er hatte ihn schließlich auf seine Kosten ausbilden lassen.

      Warum sollte Uto nicht einen Sohn haben von einer Kebse, wenn er es sich leisten konnte, sie durchzufüttern, ihr sogar einen Mann und eine Hube zu geben? Wirklich, fanden Olko und die anderen, Uto nahm die Sache mit den Geboten zu wörtlich. Auch wenn es wichtig war, Gott auf seiner Seite zu haben und die Geister ebenso.

      Der Sax und das Messer blieben nicht die einzigen Geschenke, die Isanpert erhielt. Weil der Winter unausweichlich auch in diesem Jahr kommen würde, ließ Uto ihm einen schweren Wollmantel zurechtschneidern.

      „Es ist dunkle Wolle“, sagte Uto. „Man kann sie nicht bunt färben, aber sie wärmt darum nicht weniger.“

      Isanpert warf ihn über. „Einen so warmen Mantel hatte ich noch nie.“ Er befühlte die mit einer Naht verstärkten Löcher. Wenn man den Dorn einer Spange hindurchführte, konnte man den Mantel eng um sich schließen.

      „Die Magd, die ihn genäht hat, wollte mir keine Spange geben. Sie sagte, du wirst dir selbst eine schnitzen.“

      Isanpert dankte Uto. „Ich weiß, wer das war. Sie hat recht. Ich werde mit meinem neuen Messer eine schnitzen.“

      Nach dem Abendmahl schärfte Isanpert das kleine Messer mit dem Griff aus grünem Glas und nahm ein Stück Zwetschgenholz zur Hand.

      Hulda war unter den Knechten und Mägden, die die Tafel mit dem schmutzigen Geschirr wegzutragen hatten. Sie trug Isanperts Gewandspange am Kleid. Er hielt das für ein gutes Zeichen und lächelte ihr zu. Dann begann er, ein Kreuz zu schnitzen, aber kein einfaches, gerades, wie es Kinder aus zwei Ästen bilden. Vielmehr sollten alle vier Arme von der schmalen Mitte aus zunehmend in die Breite gehen. Überdies würde ein Ring die Arme des Kreuzes verbinden, ein glatter Ring, ähnlich einem Strahlenkranz. Ein solches Kreuz trug Alto um den Hals.

      Das Schnitzen ging schwer voran. „Das Messer ist spitz, aber wie ich es auch schleife, die Klinge wird nicht so scharf wie mein altes“, sagte Isanpert zu Waltrut, die ihm gegenüber saß.

      „Nimm doch dein altes Messer“, spottete diese. „Es passt besser zu dir. Der Griff ist ganz abgewetzt und speckig.“

      Isanpert presste die Lippen aufeinander und arbeitete verbissen. Das Messer fuhr immer wieder über die Oberfläche – bis es einmal abrutschte und in Isanperts Schenkel drang. Ihm entfuhr ein Schrei. Hulda ließ ihr Ende der Tafel fallen. Holzteller und Speisereste kullerten über den Boden. Clementia sah erbost von ihrer Spinnrolle auf. Waltrut beruhigte sie. Hulda holte Tietgart herbei, die das Blut mit einem Flecken Moos zu stillen versuchte.

      „Der Ring ist gebrochen“, stöhnte Isanpert zwischen den Zähnen hervor.

      Tietgart verstand ihn falsch. „Es ist nur Blut. Nichts gebrochen.“

      Er wies auf seine Schnitzarbeit. In der Tat, das Messer hatte das runde Verbindungsstück zwischen zwei Kreuzarmen durchtrennt. Im äußeren Kranz klaffte eine Lücke.

      Hulda sagte, der Bruch im Holz sei auf die Ferne nicht zu erkennen. Isanpert zog es vor, die Arbeit von Neuem zu beginnen. Diesmal mit seinem alten Messer. Als er nach etlichen Abenden mit der Form zufrieden war, lieh er sich aus dem Werkzeughaus ein rundes Kerbeisen, um die Oberfläche mit einem Muster zu versehen. Den Ring ließ er glatt, denn so mache er am meisten Eindruck, sagte er.

      Endlich konnte er den Mantel eng um sich schließen. Es war an der Zeit. Wenn er nachmittags von seinen Ausritten zurückkehrte, blies der Oktoberwind.

      Die Arbeiten lenkten ihn ab von den feindseligen Gesten, den hinterhältigen Bemerkungen. Isanpert wäre lieber bei den schweigenden Knechten gesessen als an einer Tafel mit Clementia, die von ihm sprach, als wäre er nicht da, und dem Priester Maximinus, der ihm bisweilen Blicke voller Abscheu zuwarf. Dass Hildpert und Paulus jede Gelegenheit wahrnahmen, ihn zum Stolpern zu bringen, ließ ihn dagegen nur lachen. Er sah es als Übung an, den Hindernissen auszuweichen, den gestellten Beinen und versteckten Stößen, und sein Gewand durchsuchte er gründlich nach Schnecken und Würmern, bevor er es anzog.

      Uto musste sich oft noch im Bett so einiges anhören. „So kann es nicht weitergehen“, sagte er eines Tages zu Isanpert, draußen auf dem Hof, wo niemand sie hören konnte. „Ich bin es leid. Vielleicht finden wir eine Lösung, ohne unsere Abmachung zu brechen. Wie würde es dir gefallen, wenn ich dich im Frühjahr auf einen meiner Höfe am Monsee schicke? Dort wären sie froh über einen fähigen Zimmermann.“

      Isanpert nickte.

      „Dann würde Clementia sich ein wenig beruhigen. Im Sommer würdest du mit mir im Gefolge des Dux reiten.“

      Isanpert sagte, das würde ihm bestimmt nicht schlecht gefallen.

      „Für Waltrut wäre es auch gut. Sie scheint Martilo gegenüber nicht so abgeneigt wie anfangs.“

      „Soll die Heirat doch noch stattfinden? Neulich hast du anders gesprochen. Hucwalt hat deine Gastfreundschaft missbraucht.“

      „Hucwalt hat einen Fehler gemacht. Er wusste nicht, dass du mein Sohn bist. Es lebt sich gut, dort in den Bergen. Sie haben fischreiche Seen, große Weiden und mehr Wild, als du jagen kannst. Bis zum Frühjahr ist es noch lange. Wir werden beide darüber nachdenken.“

      Auf