Florian Kalenda

Eisenglanz


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auftrat. „Wir brauchen mehr von den Pfeilspitzen. Dein Vater sagt, du sollst mir zwei Dutzend geben.“

      „Schon wieder“, spottete das Mädchen. „Du scheinst ein trefflicher Bogenschütze zu sein, Balgo.“

      Balgo rechtfertigte sich: „Biber sind schnell und geschickt. Und ich kann die Pfeile ja nicht zurückholen. Wenn ich ins Wasser wate, vertreibe ich die Biber.“

      Die Schmiedetochter öffnete auf der Suche nach dem Gewünschten eine Kiste. Balgo trat dicht hinter sie, sah ihr über die Schulter. „Nicht so breite. Die schmalen sind die besten, sagt Liutker. Davon brauchen wir mehr. Wenn ihr neue macht, sollt ihr die Widerhaken weglassen. Sie reißen Löcher in den Pelz, wenn man sie herauszieht.“

      Er legte eine Hand um den Leib des Mädchens. Sie wand sich heraus, die Hände voller Pfeilspitzen. „Er soll selbst herkommen, der Liutker“, sagte sie, „wenn er es besser als mein Vater weiß.“ Sie legte die Eisenspitzen auf eine Bank, um sie nach Größe aufzureihen. „Das sind die Einzigen, die wir haben! Und das sag Liutker: Zum Beweis seiner Geschicklichkeit soll er einmal ein paar Pelze mitbringen. Ich nähe mir daraus einen Umhang für die kalten Tage.“ Der Gedanke machte sie lachen.

      Isanpert wandte sich an den Burschen. „Liutker? Dann bist du aus Altham?“

      Der andere straffte sich. Er hatte struppige blonde Haare, ein breites Gesicht mit schmalen Augen. Die Arme stemmte er in die Hüften, so dass seine mehrteilige bronzene Gürtelschließe über dem sandfarbenen Kittel recht zur Geltung kam. „Ich bin Balgo, aus dem Gefolge des Liutker aus dem Geschlecht der Agilolfinga. Und wer bist du?“

      „Der Bischof Alto hat mich auf den Namen Isanpert getauft. Ich bin der Sohn des Gudo und seines Weibs Ula. Gramlinga heißt unsere Hube. Sie liegt an der Straße von Frigisinga nach Augusta.“

      „Von den Namen, die du da nennst, kenne ich nur einen, und das ist der von Alto“, sagte Balgo aus dem Gefolge Liutkers. „Aber ein Bischof ist er nicht. Ein Bischof gebietet über eine Burg, hinter deren Wällen hundert Männer leben.“

      „Ein solcher Bischof ist Alto wirklich nicht“, sagte Isanpert nachdenklich.

      „Nein, er ist ein Landstreicher wie du! Verstehst du, eine Waffe zu führen?“ Balgo nahm ein Sax von der Ablage.

      „Leg das wieder hin“, rief Lana empört.

      „Oder sind die Nägel mehr nach deinem Geschmack?“, spottete Balgo und legte das Schwert zurück.

      „Wenn ich etwas aussuchen könnte, würde ich das Sech nehmen“, antwortete Isanpert ernst und wies auf ein längliches Stück Eisen von der Größe eines Unterarms. „Es würde das Pflügen erleichtern. Unseres habe ich aus Eichenholz gemacht. Es ritzt kaum die Erde.“

      „Nur ein Faulpelz schiebt es auf die Pflugschar“, sagte Balgo.

      „Keine Pflugschar! Eine Pflugschar sieht so aus.“ Isanpert legte die Hände zu einem V zusammen. „Eine eisenbeschlagene Schar haben wir. Das hier ist ein Pflugmesser, ein Sech. Siehst du den Unterschied nicht? Es sitzt eine Armspanne vor der Schar und reißt die Erde auf. So hat der Ochse weniger Mühe, der Boden kann tiefer gepflügt werden und in gerader Linie. Mit einem eisernen Sech könnten wir auf Gramlinga die Zahl der Felder verdoppeln und hätten bessere Ernten.“

      Lana hatte in der Zwischenzeit die Pfeilspitzen fein säuberlich angeordnet. „Welche willst du jetzt?“

      „Es ist schade ums Eisen, man kann Waffen draus schmieden“, sagte Balgo zu Isanpert. „Verdopple lieber die Zahl der Knechte, dann hast du auch mehr Ernte.“ Er wandte sich den Pfeilspitzen zu. Jede einzelne hob er hoch und prüfte ihre Spitze.

      Er hatte einen stattlichen Haufen gebildet, als Lantfrid und Uto hereinkamen. Lantfrid wollte wissen, was Liutker für die Pfeilspitzen gebe. Das Silber, das er ihm gebracht habe, und das Versprechen eines einzigen Pelzes seien längst nicht genug. Allein das Erz koste ja mehr.

      Isanpert sah Lana nach, die gegangen war, die Hühner zu füttern. Da ihn hier niemand zu benötigen schien, ging auch er nach draußen, ums Haus herum, die Hühner suchen.

      Die Schmiedetochter stand inmitten gackernden Geflügels. Sie hatten Hühner, Gänse und Enten. Hungrige Schnäbel pickten nach den Speiseresten, die Lana in einem Eimer mitgebracht hatte. Isanpert sah ihr zu, wie sie auf die Unterseite des Holzbodens trommelte, um letzte Reste zu lösen. Sie hatte Kraft in den Armen, aber sie sah schmal und biegsam aus, gar nicht wie eine Schmiedetochter.

      Als sie Isanpert sah, lachte sie.

      „Sie haben mich vor dir gewarnt“, sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel, „Ich weiß gar nicht warum.“ Da lachte sie noch mehr. Isanpert wusste nicht recht, ob sie ihn anlachte oder auslachte. Er wusste auch nicht, was er noch sagen sollte.

      „Warum trägst du die Haare so kurz?“, fragte sie. „Du siehst aus wie ein Knecht, der die Schweine hütet.“

      „Ich werde ein Krieger sein, mit langen Haaren. Im nächsten Jahr erkennst du mich nicht wieder.“

      „Vielleicht“, sagte sie, „aber jetzt muss ich das Nachtmahl vorbereiten.“

      Isanpert sah ihr nach, bis sie, den leeren Eimer schlenkernd, außer Sichtweite war. Erst dann machte er sich auf, in Richtung des Lagerhauses, wo er seinen Vater und den Schmied vermutete.

      Jemand stieß ihn von hinten. Es war Balgo.

      Balgo, der Gefolgsmann des Liutker aus Altham, drosch mit den Fäusten auf Isanpert los. Nach den ersten Treffern zischte er: „Lass die Finger von ihr, du Hüterbub! Sie gehört mir.“ Isanpert versuchte, etwas zu sagen, aber Balgo schlug ihm umso fester ins Gesicht. „Kümmere dich um deinen Pflug und die Ochsen, aber bleib weg von ihr. Komm mir nicht in die Quere!“

      Dann ließ er ab. Isanpert wischte sich Blut aus dem Mundwinkel und heimlich eine Träne vom Gesicht. Als ihn Uto später auf Kratzer und Schwellungen ansprach, sagte er, er sei mit dem Kopf gegen einen überhängenden Ast gestoßen.

      Uto und der Schmied waren sich einig geworden. Der Schmied sollte ein gutes Ross bekommen, einen echten Renner. Uto erhielt als Draufgabe ein Messer, in dessen Griff ein grüner Glasstein eingearbeitet war. Im Feuer der Schmiede funkelte er schwach. „Im Sonnenlicht sieht es herrlich aus“, behauptete der Schmied und sah zum Himmel. Die Sonne zeigte sich nicht. „Morgen vielleicht.“

      Bevor Uto sich auf sein Ross schwang, reichte er Isanpert das Messer. „Pass gut darauf auf. Den Sax bekommst du als mein Gefolgsmann, aber das Messer gebe ich dir als meinem Sohn.“

      Wie es zum Zweikampf kam und wie er endete

      Olko lachte nicht oft, aber wenn er lachte, dann hallte es von den Häusern und dem Pfahlwerk wider. „War das die Schmiedetochter?“

      „Sie hat schon einen Bräutigam.“ Isanpert strich mit einem Finger über das geschwollene Auge.

      „Ich sehe es“, sagte Olko. „Ich hatte dich gewarnt.“

      Isanpert zuckte mit den Schultern und hielt Olko den Sax hin. Der wog ihn in die Hand. „Keine schlechte Arbeit. Leicht wie eine Spatha. Hätte ich dem Lantfrid nicht zugetraut, dem alten Nagelklopfer.“ Mit einer knappen Armlänge sei der Sax etwas kurz, aber eine Waffe müsse zu ihrem Träger passen.

      Trotzdem übte Isanpert weiter mit einem klobigen, rostigen Schwert. „Das kann deinen Kinderärmchen gar nicht schaden“, sagte Olko und wich Isanperts Schlag aus. „Du musst schneller werden. Mach es mir nicht gar so leicht.“

      „Jede Waffe muss zu ihrem Träger passen, hat mir mal ein kluger Mann gesagt.“ Isanpert hielt die klobige, rostige Klinge hoch. „Die hier ist mir viel zu schwer.“

      „Wenn es ernst ist, nimm die besten Waffen. Nimm deinen neuen Sax, einen leichten Schild und deinen Speer. Aber zum Üben nimm den schweren Sax, damit dein Arm stark wird. Und hör auf zu jammern.“

      Später ging Isanpert zum Fluss und besah das Messer,