Florian Kalenda

Eisenglanz


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in den Sinn kam, ließ seine Mutter, die alte Gisla, ihre kratzende Stimme hören: „Volljährig ist der Isanpert. Es wäre wirklich Zeit gewesen.“

      „Ich wollte ja“, rief Isanpert.

      Ula wandte sich flehend an Hucwalt. „Du hättest ihn im Frühjahr sehen müssen, mit seinen dünnen Armen. Wir hätten ihn in den sicheren Tod geschickt. Darum hat Gudo beschlossen, ihm wenigstens ein weiteres Jahr zu geben. Isanpert war fleißig. Die Arbeit hat ihn kräftiger gemacht. Nächsten Sommer kann er mit Uto dem Heer folgen.“

      „Im Gemüsebeet schießt das Unkraut stets am schnellsten hoch“, ereiferte sich Gisla und hustete. Das hatte sie in letzter Zeit häufig. Ula reichte ihr den Wasserkrug. Die Alte nahm ihn nicht. Sie werde ohnehin nicht im Bett sterben, sagte sie, dazu gebe es zu viel Gewalt in der Welt.

      Der Priester Fritilo sah Gudo verächtlich an, der offenbar vor seinem Weib kuschte. Hucwalt grinste. „Seid ihr aber nicht viel zu wenige? Gleichgültig, wer dem Heer folgt, der andere ist mit dem Knecht nur zu zweit, um zu pflügen und zu schlachten und Holz zu hauen. Von Bedrohungen ganz zu schweigen. Ich wundere mich über Uto. Er kann euch hier draußen nicht schützen.“

      Erneut räusperte sich Gudo. Ja, Hucwalt hatte recht. Uto, dem der Hof gehörte, war ein bedeutender Mann aus dem Geschlecht der Hahilinga. Er lebte fern, jenseits des Flusses Isura, in einer Siedlung, die nach seinem Großvater Utinga hieß. Um von dort nach Gramlinga zu reiten, benötigte Uto einen ganzen Tag, wenn er das Ross nicht schonte. Den weiten Weg hätte er nur wegen der einen Siedlung auf sich nehmen müssen. Uto gehörten tausend Rösser und einige Dutzend Höfe, aber keiner lag in der Nähe von Gramlinga.

      Gelegentlich machte Uto große Worte, er wolle die verfallenen Häuser wieder aufbauen, weitere Männer in Gramlinga ansiedeln. Schließlich gebe es in der Umgegend viele blühende Huben. Warum sollte gerade an diesem Fleck der Ackerbau nicht gelingen.

      Von diesen Vorhaben erzählte Gudo den Gästen. In der Zwischenzeit, sagte er, mochte es ein Vorteil sein, dass Vorbeiziehende den zur Hälfte verfallenen Hof kaum eines Blicks würdigten. Gäste habe man selten, darum sei heute ein besonderer Tag, den man zu feiern gedenke.

      Eine Warnung

      „Hast du von einem Räuber gehört, der über unsere Wege zieht?“, fragte Hucwalt. „Filipert soll er heißen.“

      Gudo nickte. „Ich habe den Namen gehört.“

      „Ein Räuber“, rief Isanpert dazwischen. „Uns hast du nichts gesagt!“

      Gudo sah ihn finster an. „Entschuldigt meinen Sohn, der nicht zu schweigen versteht, wenn Männer reden. Ja, von diesem Filipert hört man jetzt bisweilen. So sind die Leute. Einer schnappt die Geschichte auf, und wenn ihm am anderen Tag ein Schaf davonläuft, dann schreit er: Das war der Filipert! Dabei sind ihm bloß beim Hüten die Augen zugefallen. Einen Räuber hat er vielleicht im Traum gesehen.“

      „Dieser Filipert hat mindestens zwei Dutzend Leute bei sich“, sagte Hucwalt. „Und ihr seid hier drei Männer!“

      „Ich bin ihm nicht begegnet. Mir hat keiner etwas geraubt. Wenn ein Schwein fehlt, dann waren die Buben achtlos.“

      Isanpert errötete, denn es fehlte ja wirklich ein Schwein. Hucwalt reckte und straffte sich. Man konnte die Muskeln unter dem Lederwams sehen, wie er nach dem Wasserkrug griff. „Du magst recht haben, Gudo. Gerüchte vermehren sich von selbst. Aber den Filipert gibt es wirklich. Vielleicht schlagen seine Männer demnächst deine Tür ein. Dann wirst du anders reden.“

      Gisla lachte bitter. „Wer so etwas erlebt hat, vergisst es nicht.“ Sie rückte ihr Kleid zurecht, das noch den alten Schnitt hatte. Zwei hölzerne Spangen hielten es zusammen.

      „Für solche Geschichten ist jetzt nicht die rechte Zeit“, wiegelte Gudo ab.

      Die Alte ließ sich so leicht nicht zum Schweigen bringen. „Früher kamen im Sommer stets die Alamannen, um Vieh zu stehlen und Weiber. Die jungen haben sie mitgenommen und die alten hiergelassen. Als aber vor vier Jahren die Franken alles niederbrannten, war ihnen das Alter gleichgültig.“

      Gudo gefiel es wenig, dass vor den Gästen schlecht über die Franken geredet wurde. „Sei jetzt still, Mutter!“

      „Mir wollen sie auch mit diesem Filipert Angst machen“, warf Alto ein. „Aber Gott heißt uns, gewalttätigen Männern furchtlos ins Gesicht zu blicken. Sie werden sich am jüngsten Tag für ihre Taten verantworten müssen. Dieser Tag ist nahe.“

      „Für einen heiligen Mann mag die Gefahr geringer sein“, räumte Hucwalt ein. Schließlich war es eine Todsünde, einen Priester zu erschlagen. Niemand belud sich leichtfertig mit solcher Schuld. „Dennoch sorgt sich der Erzbischof, wenn du allein durch die Wälder ziehst.“

      „Seine einzige Sorge ist, dass ich das Falsche predige!“

      Martilo suchte zu vermitteln. „Er will nur dein Bestes.“

      „Nicht mein, sondern ihr Bestes wünschen die ersten Männer. Als Abt eines Klosters wollen sie mich sehen! Ich soll aufpassen, dass auch jeden Tag für sie gebetet wird. Den Bauern soll ich mit der untersten Hölle drohen, wenn sie ihre Abgaben vergessen.“ Alto lächelte traurig. „Ein alter Mann, der herumstreift und göttliche Gerechtigkeit predigt, stört sie.“

      Was göttliche Gerechtigkeit angehe, müsse er sich heraushalten, sagte Hucwalt. Das müssten die Gelehrten klären. Er neigte sich zu Gudo. „Gewiss wunderst du dich, worüber wir sprechen. Kein Geringerer als der Erzbischof Bonifatius hat mich und meine Brüder gebeten, den ehrwürdigen Alto zu Dux Otilo zu begleiten. Bonifatius hält nämlich Alto für den rechten Mann, als Abt einem neuen Kloster vorzustehen. Das würde gegen Bedrohungen wie diesen Filipert helfen.“

      Gudo sah ihn verwirrt an. „Ein neues Kloster? Wo das?“

      „Nicht weit von hier, an der Ilma. Namhafte Männer wie Otker aus der Sippe der Huosi und unser Vater sind bereit, Land zu stiften“, verkündete Hucwalt.

      „Ich lobe ihre Frömmigkeit.“ Gudo machte sicherheitshalber ein Kreuzzeichen. „Entschuldigt, wenn ich einfältig frage. Was hilft ein Kloster gegen Räuber?“

      Da brach der Priester Fritilo sein Schweigen. „Immer mehr Siedler roden den Wald. Sie brauchen sittliche Anleitung“, sagte er. Gottes Schutz werde nicht nur Räuber, sondern auch Hunger, wilde Tiere und böse Geister fernhalten. „Die Räuber hat uns Gott gesandt, als Strafe für unsere Sünden. Ein Bär ist im Sommer hier gesehen worden. Große Sünden müssen es sein!“

      Erneut mischte sich Isanpert ein. „Mönche tragen doch keine Schwerter …“

      „Schweig, wenn du nicht gefragt wirst“, fuhr Gudo auf. Einen Augenblick war es still. „Der Bub hat aber nicht unrecht. Wenn dieser Filipert so viele Übelmänner um sich geschart hat, wie du sagst, sollte der Dux ihn mit Waffengewalt vertreiben.“

      „Du kennst Otilo. In der Tat erwägt er einen Streich gegen diese Schar. Nur bedenke, wenn er jetzt die Männer von den Feldern ruft, werden wir die halbe Ernte verlieren und doch nichts erreichen. Wenn die Räuber zuschlagen, ist der Dux weit weg. Läuft er ihnen nach, verstecken sie sich hinter irgendwelchen Büschen.“ Hucwalt schüttelte den Kopf. „Wir alle müssen wachsam und wehrhaft sein. Zieh nie allein durch den Wald. Quert ein Räuber deinen Weg, erschlag ihn oder häng ihn an den nächsten Baum.“

      Der Priester Fritilo blickte sich um in dem armseligen Raum. Die einzigen Waffen, die er sehen konnte, waren die seiner Brüder. Sie hatten ihre Klingen neben der Tür abgelegt. Er fragte Gudo: „Wo hast du eigentlich dein Schwert?“

      „Hinten.“ Gudo deutete in Richtung Weidengeflecht, wo er zwischen Nahrungsmitteln und Werkzeugen seinen Sax wähnte.

      „Es ist nicht richtig, dass ihr hier mit so wenigen Männern siedelt“, sagte Fritilo. „Es ist falsch und es ist gefährlich.“

      „Noch vor zwei Jahren waren wir doppelt so viele.“ Gudo hob die Achseln. „Einige sind gestorben, andere