Florian Kalenda

Eisenglanz


Скачать книгу

sah er seine Mutter lächelnd Gemüse schneiden. Neben ihr stand Fritilo, der leise auf sie einredete, aber verstummte, sowie Gudo durch die Tür trat.

      Alto saß neben der Feuerstelle und sprach mit der kleinen Heila. Nebenbei stieß er einen Finger in die Asche und fuhr sich damit über die Augenlider. Mit frisch geschwärztem Auge zwinkerte er Isanpert zu.

      Gähnend sagte Isanpert: „Diesen Bonifatius, von dem du erzählt hast, den würde ich gern mal sehen.“

      „Hast du von ihm geträumt? Wer weiß“, sagte Alto, „vielleicht wirst du ihn sehen. Ich habe vor zehn Tagen zuletzt mit ihm gesprochen. Er wird noch dieses Jahr nach Frigisinga reisen, um einen neuen Bischof zu weihen, denn Erempert ist gestorben, wie du vielleicht gehört hast. Behalte also die Straße im Auge. Wenn du eines Tages einen Mann siehst, der dir alt, aber doch groß und kräftig erscheint, der keinerlei Waffen, sondern vielmehr nur ein Kreuz aus geschliffenem Glas um den Hals trägt, dann ist er es.“

      Alto lächelte, während er so sprach. Isanpert antwortete mit ernster Entschlossenheit: „Ich werde ihn nicht verpassen. Die Straße habe ich eigentlich immer im Blick.“

      „Bestelle ihm meine besten Grüße.“

      Nachdem Alto dem Haus seinen Segen gegeben hatte und die Gäste gegangen waren, liefen Gudo und Engilpert die Straße hinunter, wo noch das tote Ross lag. Gudo wollte eine Grube für den Kadaver ausheben. Er wusste aus der Kirche, dass der Papst den Verzehr von Rossfleisch verboten hatte.

      Engilpert war von den Hühnern nicht lange satt geblieben. „Freilich ist es um ein Ross schade, und man soll es nicht schlachten. Aber dieses ist schon tot. Es wird nicht wieder lebendig werden.“

      Am Ende gewann der Hunger die Oberhand. Sie zerlegten das Tier.

      Isanpert brach auf, das Schwein zu suchen, das im heraufziehenden Unwetter verloren gegangen war. Ula kam mit ihm. Den Schweinen galt nach den Kindern ihre größte Sorge. Oft brachte sie den Tieren Küchenabfälle oder besserte mit geschickten Fingern ihr Gehege aus.

      Eine Spur fanden sie nach den Regengüssen nicht mehr. Also schlugen sie die Richtung ein, die es genommen hatte, falls Isanperts Erinnerung nicht trog. Sie gingen einige hundert Schritte. Ein Rinnsal, mehr Regenwasser als Bach, floss in Richtung Ambra hinab. „Der Boden wird immer feuchter und tiefer. Vielleicht ist es den Hügel hinaufgerannt“, sagte Isanpert.

      „Das glaube ich nicht“, antwortete Ula. „Schweine sind ebenso faul wie Menschen. Sie rennen nicht einen Hügel hinauf, wenn es einen anderen Weg gibt.“ Sie behielt recht. Sie fanden erst Spuren im Matsch, dann das Schwein in einer Kuhle mit braunem Schlamm. Es hatte sich einen Panzer aus Schmutz zugelegt.

      „Es sieht jetzt so hübsch und sauber aus wie du“, sagte Ula. „Als du neu geboren warst, bist du mir einmal beim Waschen entglitten und im Bottich untergetaucht. An dem Tag musst du beschlossen haben, du hättest genug Wasser fürs ganze Leben abbekommen.“

      Isanpert stöhnte. „Wie oft willst du mir die Geschichte noch erzählen? Ich zähle jetzt nach Jahren zu den Männern und bin kein bisschen schmutzig. Ich kämme mich jeden Tag und zerdrücke alle Läuse. Dreck geht am besten weg, wenn man ihn erst trocknen lässt und dann abreibt.“

      „Alto dachte bestimmt, du hättest seit der Taufe damals nicht mehr gebadet. Vielleicht haben wir dir den falschen Namen gegeben. Du wirst nie wie Eisen glänzen, wenn du dich nicht wäschst.“

      „Aber da hast du es doch“, rief Isanpert. „Niemand käme auf die Idee, ein eisernes Schwert ins Wasser zu tauchen. Es würde rosten. Stattdessen reiben die Kämpfer es mit Öl ein.“

      Ula seufzte. „Dir fällt immer etwas ein, um dich zu rechtfertigen.“ Sie versetzte dem Schwein, das zu ihrer Seite hin auszureißen versuchte, einen Hieb mit ihrem Stock.

      „Was hat dir Fritilo heute Morgen gesagt?“, fragte Isanpert.

      „Ach, Freundlichkeiten.“

      „Gestern war er unfreundlich. Er hat sich übers Essen beschwert.“

      „So seid ihr Männer. Schwierig ist es mit euch“, sagte sie. Und sie öffnete die Arme für Deso, der ihnen mit wehenden braunen Locken entgegenrannte.

      Deso drückte sich kurz an die Mutter, dann bat er Isanpert um Hilfe. Er hatte eine Haselpfeife zu schnitzen versucht, sie gab aber keinen Ton von sich.

      Im Auftrag des Dux

      Auf das Sommergewitter folgten sonnige Tage, ohne dass die Hitze zurückkehrte. Die Bäume warfen kräftige Schatten, als sich eines Morgens eine Kriegerschar Gramlinga näherte. Ein Mann mit glänzendem Helm führte sie an.

      Es war Isanpert, der den Mann, den Glanz und das Gefolge zuerst erspähte. Ula hatte ihn losgeschickt, Anzündholz zu sammeln, Reisig und Zapfen. Warum er dafür einen Baumwipfel erklettern musste, blieb sein Geheimnis. Von dort oben konnte er weit die Handelsstraße entlangblicken. Die Krieger kamen aus jener Richtung, in der Frigisinga lag.

      Isanpert fiel mehr den Baum hinab, als dass er rutschte. Er rannte zum Haus, wo seine Mutter mit der Hacke die Erde im Gemüsebeet lockerte. Kaum zu Atem gekommen, berichtete er. Mindestens dreißig Mann zögen die Straße herauf. Viele säßen auf Rössern und seien gerüstet.

      Ula wollte es nicht glauben. „Nicht um diese Jahreszeit“, sagte sie.

      Gisla schalt Isanpert: „Das ist doch wieder einer deiner Streiche, du Lausbub!“ Als ihr Vorrat an Schimpfwörtern zu Ende ging, waren Pferdehufe zu hören.

      Ein einzelner Reiter kam in Sichtweite, bog von der Straße ab, ritt auf den Hof zu. Er musste über dreißig Sommer hinaus sein. Ein schmales Gesicht hatte er, glatte dunkelblonde Haare und einen ernsten Zug um die Mundwinkel. Dieser Mann sah aus, als überließe er nichts dem Zufall. Dem Eindruck wirkte nur ein Dutzend Sommersprossen entgegen. Es war Uto aus der Sippe der Hahilinga. Er war Herr von Gramlinga und aller, die dort wohnten.

      Uto grüßte, ohne abzusitzen. Er bat, Gudo zu holen. Der Dux habe beschlossen, das trockene Wetter zu nutzen und eine Schar zu mustern, erklärte er. Otilo wolle die Straße sichern und nach Möglichkeit die Räuber aufspüren, die in der Gegend ihr Unwesen trieben.

      Gudo war mit Engilpert zu einem Platz im Wald gegangen, wo Holz lagerte, das nun gehackt und im Winter verfeuert werden sollte. Deso rannte los.

      Stille kehrte ein, als seine Schritte verklangen. Selbst die Häher schwiegen einen Augenblick. Ein Sperber setzte sich auf einen vergessenen Zaun, der noch ein Stoppelfeld umgab. Utos Blick lag auf Ula.

      Sie lächelte still. „Kann ich dir etwas zu trinken bringen“, sagte sie dann. „Willst du nicht absitzen. Du warst lange nicht da.“

      „Nein“, sagte Uto fast erschrocken. „Nein. Ich will nur Gudo mitnehmen. Wir werden in wenigen Tagen zurück sein. Ich hoffe, ihr könnt ihn entbehren.“

      „Was den Hof angeht, kommen wir zurecht. Die Buben sind fleißig“, sagte Ula. Uto nickte. Dann schwiegen sie wieder und sahen sich an. Isanpert stand daneben und hielt den Mund.

      „Er wird gleich hier sein“, sagte Ula nach einer Weile.

      „Wer?“ Uto fuhr auf. „Ah, Gudo. Das ist gut. Einige der Männer sind ungeduldig. Sie glauben nicht an den Erfolg und fürchten um ihre Ernte.“ Er wandte sich Isanpert zu. „Du bist jetzt groß“, stellte er fest, um im nächsten Augenblick Ula zu fragen: „Warum ist er so mager?“

      Sie seufzte. „Es schlägt ihm nichts an.“

      „Ich habe immer etwas zu essen in der Gürteltasche, für Notfälle.“ Isanpert klopfte auf das rissige Leder. „Kann ich mitkommen, wenn ihr gegen die Räuber zieht?“

      „Du hast nicht einmal eine Waffe“, sagte Ula.

      „Ich kann mich leise im Wald bewegen und auf Bäume klettern. Vielleicht finde ich ihr Lager. Hucwalt sagt, Räuber sind im Wald schwer aufzuspüren.“

      „Das sagt er allerdings