Florian Kalenda

Eisenglanz


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in Burdigala, also überall, wo es etwas galt, wenn einer den Franken die Stirn zu bieten wagte.

      Solchermaßen verheiratet mit der Tochter des alten Karl, schien Otilo alles zu gelingen. Im Sattel, mit dem Schwert in der Hand, lehrte er die furchtlosen Hunnen das Zittern und hielt seinen gierigen Schwager Pippin auf Abstand. Wenn sich jetzt eine Bande übler Männer in den Wäldern des Stammes herumtrieb, wie konnte das anders enden, als dass die Räuber aufgespürt und niedergemacht würden. Gleichgültig, was Hucwalt sagte.

      Otilo würde siegreich von seinem Zug zurückkehren, dessen war sich Isanpert sicher. Es würde Grund zum Feiern geben. Nur wie sollte man feiern, wenn ein Toter hinterm Haus lag, ein Mann aus einflussreicher Sippe?

      Schon waren das Wiehern der Rösser, die Scherze der Männer auf der Straße zu hören. „Sie kommen“, sagte Isanpert.

      „Wusste ich doch, dass ich etwas gehört habe“, sagte Gisla. „Geh ihnen entgegen und halte sie fern vom Hof! Es darf nur ja keiner hinters Haus.“

      „Ich will es versuchen.“

      „Und sag nichts von Ula. Sie sollen sie so nicht sehen. Ich gebe acht, dass sie nicht hinausrennt.“

      Isanpert lief die wenigen Schritte zur Straße hinunter, als verfolge ihn der Bär. Von links kamen sie gezogen. Der Dux und Uto an der Spitze, dahinter die Männer, ganz wie am Tag zuvor. Obwohl mindestens einer fehlte.

      Zwischen den Reitern entdeckte Isanpert Tassilos Kindergesicht. Der Sohn des Dux lauschte Liutkers Scherzen.

      Einen Gefangenen hatten sie. Nur einen, allerdings. Ein junger, blonder Kerl stolperte mit gebundenen Händen hinter den Reitern her, wurde von den Fußtruppen mit Stöcken vorangetrieben.

      Niemand hielt Isanpert davon ab, sich dem Dux zu nähern, der zu Uto sprach. Otilo sagte: „Ich muss über dich lachen, Uto. Tritt dir in der Schlacht ein Dutzend Heiden mit scharfen Speeren entgegen, stürmst du ohne Zögern los, um sie zu begrüßen. Aber Weiber meidest du, als wollten sie dir ans Leben.“

      „Ich weiß nie, wie ich es ihnen recht machen soll“, sagte Uto.

      „Wenigstens einem Weib hast du es recht gemacht. Hier kommt dein Sohn“, sagte Otilo. „Ich glaube, er hat gebadet. Heute kann doch nicht schon Samstag sein?“

      Wirklich, Isanperts Hemd tropfte noch, so gründlich hatte Gisla ihn in den Bottich getaucht. Er war nass und außer Atem. „Habt ihr die Räuber erschlagen?“, rief er, statt zu grüßen.

      Otilo lachte. Uto sagte streng: „Wer bist du, dass dir der Dux Bericht erstatten müsste?“

      „Jeder Mann des Stammes hat das Recht, den Heerführer zu befragen“, sagte Otilo ernst und wandte sich Isanpert zu. „Nein, wir haben keinen erschlagen. Sie sind uns davongelaufen, wie das Wasser des Bachs zwischen den Fingern wegrinnt. Nur ihren Ausguck haben wir erwischt, und das haben wir Liutkers guten Augen zu verdanken. Er ist gefangen, und wir werden ihn in Ruhe befragen können. Und du?“

      Isanpert wurde weiß im Gesicht. „Ich?“

      „Ja, jetzt ist es an dir, Bericht zu erstatten. Auch der Heerführer hat das Recht, die Männer seines Stammes zu befragen.“ Otilo sah sich verschmitzt um. „Wo ist deine Mutter? Hast du auf sie aufgepasst?“

      Isanpert richtete den Blick auf den Boden. Einen Augenblick schwieg er, dann hob er mit einem Ruck den Kopf. „Sie liegt im Bett. Eine schwere Übelkeit hat sie befallen.“

      „Das kam aber plötzlich.“ Uto betrachtete Isanpert misstrauisch. Er hatte das Zögern bemerkt.

      Von hinten kamen der Graf Cotapert und seine Söhne Hucwalt und Martilo heran. Isanpert gab sich Mühe, sie zu grüßen, als begegne er ihnen beim Kirchgang. Auf einen Wink trat auch Gudo hinzu.

      „Eine Krankheit scheint Gramlinga erfasst zu haben“, erklärte Otilo ihm und erkundigte sich dann bei Isanpert: „Ist es ernst, hat sie Fieber?“

      „Es lag am Bier“, brummte Hucwalt. Nicht einmal sein Bruder lachte darüber.

      „Das kann es gewesen sein“, sagte Isanpert ernst und nickte Hucwalt zu. „Oder irgendeine Sieche. Wir alle haben furchtbare Magenkrämpfe. Ihr müsstet unseren Knecht Engilpert sehen, wie er sich windet! Ich hatte Glück, ich habe mich erst einmal übergeben. Aber ich habe alles wieder ausgewaschen.“ Er wies auf seinen feuchten Kittel.

      Gudo wurde blaß. „Wenn Isanpert sich wäscht, muss es schlimm sein.“

      Hucwalt machte das Kreuzzeichen, um sich vor Krankheit zu schützen. Cotapert hatte eine Erklärung. „Wenn ein Siechtum ganz plötzlich auftritt, ist das ein Zeichen für einen üblen Zauber. Ein Priester könnte ihn austreiben. Wo ist Fritilo?“ Er blickte die Reihen der Männer hinunter, sah seinen Sohn Fritilo aber nicht.

      „Er wird wohl am hinteren Ende bei den Priestern sein und Lateinisch brabbeln“, sagte Hucwalt.

      „Disputationen führen sie“, verbesserte Martilo.

      „Jetzt fängst du auch noch an, Latein zu reden!“ Hucwalt lachte. „Du hast ihnen zu häufig Gesellschaft geleistet.“

      Cotapert setzte sein Ross in Bewegung, den Heereszug nach seinem Sohn abzusuchen. „Wenn ich ihn finde, schicke ich ihn zum Haus.“

      Otilo sagte: „Gudo, du hast deine Pflicht getan. Ich danke dir und entlasse dich aus dem Heeresdienst. Geh und kümmere dich um die Deinen.“

      Gudo neigte den Kopf. Er und Isanpert gingen einige Schritte, blieben dann stehen und sahen dem Zug nach, wie er sich entfernte.

      Uto wandte sich mehrmals um. Er hätte gerne nach dem Rechten gesehen, aber scheute sich, die Erlaubnis des Dux einzuholen.

      Isanpert richtete seine Aufmerksamkeit auf den gefesselten blonden Mann. Ihm fiel die merkwürdige Haartracht des Gefangenen auf. Die Haare waren an den Seiten länger als oben.

      Auch Cotapert sahen sie noch einmal. „Ich kann Fritilo nicht finden“, rief er ihnen zu und forderte einen anderen Priester auf, hinzugehen und der Siedlung einen Segen zu spenden.

      Der Gottesmann zog hilflos am Zügel, bis sein Ross einen Schritt auf die armseligen Häuser von Gramlinga zu machte. Während Cotapert zufrieden von dannen zog, breitete er die Arme aus und murmelte geschwind einen lateinischen Vers. Dann eilte er Otilo nach.

      „Fritilo wird wohl gerade mit seinem Wasserstrahl die Bäume segnen.“ Gudo lachte, legte den Arm um Isanperts Schulter. „So lass uns zum Haus gehen. Du bist wirklich ganz nass.“

      „Gisla hat mich gewaschen, und mein Hemd gleich mit. Es war alles ziemlich ... schmutzig.“

      „Ausgerechnet Gisla hat dich gewaschen? Und du hast es geschehen lassen? Ihr geht euch doch sonst immer gleich an die Kehle.“

      Isanpert hob die Schultern. „Es ist etwas vorgefallen …“

      „Was ist das für ein Siechtum? Sind sie blau im Gesicht? Zittern sie? Sie waren doch gestern Morgen noch alle …“

      „Es ist etwas anderes“, sagte Isanpert. „Komm mit hinters Haus, dann siehst du ihn.“

      „Wen, ihn?“

      Hinter dem Haus hatte Engilpert den Leichnam des Fritilo mit einem Hanfstrick auf einem Brett festgebunden. Nun mühte er sich, dieses Brett auf zwei Stämmen abzulegen. Einige Spannen über dem Boden würde das Ungeziefer den Toten nicht so schnell zernagen. Mit der Fußseite hatte er begonnen. Der Leichnam hing schräg auf der Holzfläche, mit dem Kopf nach unten, eine Wange gegen das Erdreich gedrückt, das blonde Haar voller Nadeln und Blätter.

      Isanpert eilte hinzu, um Engilpert zu helfen, bevor der Tote auf die Erde rutschte. Gudo griff sich verzweifelt an den Kopf.

      Es lag nicht in Gudos Natur, ausfällig zu werden. Nie setzte er Weibern, Knechtschaft und Kindern ernsthaft mit dem Stock zu. In der Nachbarschaft galt er als milder, freundlicher, vielleicht etwas zu nachsichtiger Mann. Zum Schaden der ganzen Sippe, denn was war schon eine Sippe ohne