Florian Kalenda

Eisenglanz


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hechelnd über ihm, entblößte die Zähne über seiner Kehle.

      „Lass ab, Faho“, rief der Mann. „Es ist gut!“

      Der Hund Faho ließ ab. Der Torwächter blieb stehen und sah zu, wie Isanpert sich aufrappelte.

      Isanpert klopfte seine Kleidung ab. „Mein Name ist Isanpert, ich bin von Gramlinga und suche Dux Otilo.“

      Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Dux ist nicht hier.“

      „Aber … wollte er nicht den Gefangenen verhören?“

      „Das überlässt der Dux dem Grafen. Er ist im Morgengrauen mit seinen Männern aufgebrochen.“

      Isanpert erschrak. „Ist Uto noch da, der Otilos Reiter führt?“

      „Was willst du von ihm?“, fragte der Torwächter misstrauisch.

      „Ich bin sein Mann, ich lebe auf einer seiner Huben“, sagte Isanpert vorsichtig. „Ich muss ihn sprechen.“

      Der Wächter packte Isanpert am Arm und führte ihn zu einer Gruppe mit vier Männern um den kleingewachsenen Martilo. Ihm meldete er Isanperts Ankunft.

      „Ich habe alles gesehen, Ortwalt“, sagte Martilo, den Blick auf Isanpert geheftet. „Ein Glück, dass wir den Hund haben, sonst säße bald dieser Filipert unerkannt an unserer Tafel.“

      Der Mann Ortwalt murmelte eine Ausflucht. Martilo gab ihm einen Wink. „Du kannst ihn loslassen. Ich kenne ihn.“

      Isanpert sprach den Wunsch aus, so bald wie möglich mit Uto zu sprechen. „Wir warten alle auf ihn“, entgegnete Martilo. „Auf ihn und meinen Vater. Sie werden den Gefangenen verhören. Augenblicklich beraten sie sich in der Halle.“

      Er wandte sich ab. Isanpert versuchte, dem Gespräch zu folgen und sich zusammenzureimen, wer diese Männer waren: nämlich Liutker, der junge Krieger mit den braunen Locken, der vor Gramlinga mit dem Dux gescherzt hatte, dann der hellblonde Otker von Riharteshusir aus der Sippe der Huosi, der für Isanpert nur einen abfälligen Blick übrig hatte, und schließlich ein dicker Mann namens Dagoprant, der ein Hemd von so gelb leuchtender Farbe trug wie die Bienen und die Sonnenblumen. Er bewegte heftig die Arme, wenn er sprach.

      Martilo, Otker und Liutker waren in Otilos Gefolge gegen den Räuber Filipert und seine Männer geritten, nicht jedoch der dicke Dagoprant, der genau wissen wollte, was sie gesehen hatten. „Liutker war es also, der den Späher auf dem Baum entdeckte. Und einige Dutzend Schritte weiter habt ihr ein Lager gefunden, ein verlassenes Lager.“

      „Aus der Glut stieg noch Rauch auf. Jemand hatte sie mit Gras erstickt“, ergänzte Otker.

      Dagoprant nickte. „Das Lager war nicht weit von dem Baum, auf dem dieser Mann saß und Ausschau hielt. Er war ihr Späher.“

      „Das ist nicht gewiss“, warf Martilo ein.

      Otker lachte abfällig.

      „Er bestreitet es“, sagte Liutker. „Er behauptet, er sei aus Angst vor den Räubern auf den Baum gestiegen, um sich dort zu verstecken.“

      „Ich habe nicht gehört, dass er sie gewarnt hätte“, sagte Martilo.

      Liutker wandte ein, er habe vielleicht gewinkt oder einen Stock geworfen. Otker gab ihm recht.

      Dagoprant schüttelte den Kopf. „Mit euren Waffen versteht ihr herumzufuchteln. Und Liutker hat gute Augen. Aber denkt nach. Es gab eine einfachere Möglichkeit.“ Er wandte sich an Isanpert. „Du siehst aus, als könntest du helfen. Weißt du, wie ein Mann von einem Baum aus seine Gefährten vor anrückenden Feinden warnt? Ein Mann, der im Wald aufgewachsen ist?“

      „Das kann dir sogar meine kleine Schwester erklären“, sagte Isanpert. Und er hielt sich die gefalteten Hände vor den Mund.

      Dagoprant nickte. „Du verstehst mich. Lass es für jetzt gut sein. Aber ich brauche dich im Verhör. Setz dich hinter mich. Ich gebe dir dann ein Zeichen.“

      „Cotapert wird den Späher schon zum Reden bringen“, sagte Otker, der Isanpert keines Blickes würdigte. „Mit Hucwalts Hilfe.“

      „Der Dux befiehlt, dass sein Leib unbeschadet bleibe“, widersprach Liutker. „Wo ist Hucwalt überhaupt?“

      Martilo wusste es. Hucwalt war im Morgengrauen ausgeritten, auf der Suche nach seinem Bruder Fritilo. Der war seit dem Heereszug verschwunden.

      „Verschwunden? Das wird eine seiner Liebschaften sein“, sagte der Dicke. „Hucwalt wird ihn mit einer Magd im Heu finden.“

      Das ärgerte Martilo. „Rede nicht so von meiner Sippe, Dagoprant. Noch dazu vor Fremden. Ist das der Dank dafür, dass du schon so lange Zeit unser Bier trinkst?“

      „Bald werde ich euch nicht mehr zur Last fallen“, sagte der Dicke. „Ich war wirklich lange hier.“

      „Wie ging es dann weiter mit dem Späher auf dem Baum?“, fragte Isanpert. „Was ist mit den anderen Räubern geschehen?“

      „Ah, du kennst die Geschichte nicht?“ Dagoprant leckte sich die Lippen. „Hör zu …“

      „Lass mich erzählen“, unterbrach Otker. „Ich war dabei.“

      „Du hast es gesehen, aber erzählen kannst du es nicht“, sagte Dagoprant. Er hatte eine sanfte, brummige Stimme, der jeder gern lauschte. Otker stieg der Zorn ins Gesicht. Liutker beruhigte ihn und sagte, es sei besser, Dagoprant reden zu lassen, das werde er gleich merken.

      „Du musst wissen, Isanpert“, fing Dagoprant an, „dass es nicht leicht ist, Räuber im Wald zu fassen zu bekommen. Sie sind schnell zu Fuß und kennen die Wege. Otilos Männer kamen schwer gerüstet. Leder und Eisen schützen gegen Pfeile aus dem Hinterhalt, aber sie machen langsam. Ihre Pferde mussten sie zurücklassen. Da sie in breiter Reihe die Gegend durchkämmten, wo sie die Übelmänner vermuteten, konnten sie nicht leise gehen. Jeder versuchte, seine Nachbarn im Blick zu behalten. Aber wehe, ein Hindernis trennte sie. Dann mussten sie sich durch Zurufe verständigen. Fünf Dutzend Mann stolperten rufend durch den Wald.“

      „So war es nicht“, widersprach Otker, der sich in seiner Kriegerehre getroffen fühlte.

      „Doch“, sagte Liutker, „genau so war es.“

      Dagoprant fuhr unbeirrt fort: „Die Richtung hatte ihnen ein alter Mann vorgegeben. Er war auf dem Weg zur Mühle gewesen und behauptete, mit seinen von den Jahren getrübten Augen Fremde am Waldrand erspäht zu haben. Otilo glaubte ihm. Er behielt recht.

      Kennst du Liutker? Sieh ihn dir an! Ein Draufgänger ist er, mit Augen wie ein Falke. Hoch im Wipfel einer Rotbuche erspähte er einen Mann. Liutker blieb ruhig. Er starrte nicht hinauf, er rief nichts, wies nicht mit dem Finger und ließ den Mann nicht merken, dass er ihn gesehen hatte. Er sprach leise mit Otilo, und als sie wie zufällig an der Rotbuche vorbeikamen, bezog Liutker mit einigen Kriegern darunter Stellung.

      Die anderen Männer hieß Otilo ausschwärmen. Hundert Schritte weiter stießen sie auf ein Lager. Die Glut der Feuerstelle war mit Gras erstickt worden. Ein weißer Rauchfaden kroch hervor. Hier war eben noch jemand gewesen.

      Die Spuren der Flüchtigen trennten sich, sie verliefen auf sandigen Böden oder verschwanden in undurchdringlichen Dornenhecken. Vergeblich suchten Otilos Männer.

      Um wenigstens den Mann auf dem Baum gefangen zu setzen, mussten sie ihn mit Pfeilen und auch mit Axtschlägen gegen den Stamm zum Herabsteigen überreden. Er behauptete, er sei zufällig in diesem Teil des Waldes unterwegs gewesen. Als die Räuber kamen, sei er aus Angst auf den Baum geklettert. An der Aussprache des Diutisk hörten sie, dass er kein Fremder war, sondern ein Baiuware wie sie.

      Der Bursche schwor, er habe nichts Böses getan. Hucwalt wollte ihm die Nase abschneiden, um ihn zum Reden zu bringen. Otilo beschloss, ihn mitzunehmen und später gründlich zu befragen.

      Da am westlichen Himmel bereits ein roter Schimmer zwischen den Bäumen zu erahnen war, entfachten die Männer die Glut zu einem großen