Florian Kalenda

Eisenglanz


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Angriffe mit einem dicken Ast ab.

      „Der Speer ist gar nicht schwer, den kann sogar Heila führen“, sagte Deso, aber die hob nur ihre vollen Hände zum Zeichen, dass sie für solche Spiele keine Zeit hatte.

      „Trotzdem ist er fest“, behauptete Isanpert, „wenn du ihn gegen einen Steinwall rammst, bricht eher der Kopf als der Schaft.“

      Deso versuchte, den Holzschaft zu biegen. „Nicht genug Kraft?“, fragte Isanpert.

      „Er ist wirklich fest. Aber wofür brauchst du einen Speer? Du sollst doch nächstes Jahr den Sax bekommen.“

      „Du hast Hucwalt gesehen. Wie viele Waffen hatte der? Im Gürtel eine zweischneidige Spatha und ein Messer, dazu zwei Speere aufs Ross gebunden!“

      Deso nickte und machte sich wieder an seine Arbeit. „Habt ihr es bemerkt? Martilo und Fritilo haben eine lange, gerade Nase wie ihr Vater, der Graf. Nur die von Hucwalt ist anders, auch lang, aber krumm, wie eine Wurzel.“ Er deutete auf den Boden. „Ungefähr so.“

      „Wahrscheinlich ist sie im Kampf gebrochen.“ Isanpert nahm Deso den hölzernen Dübel aus der Hand, an dem dieser schnitzte und schnitzte, ohne auch nur hinzusehen. „Den musst du noch mal machen. Da ist fast nichts mehr übrig.“

      „Oder er ist vom Ross gefallen“, rief Heila, die sich mit solchen Stürzen auskannte. Sie hatte im Frühjahr versucht, ein Kalb zu reiten. Seit diesem Zwischenfall hielten ihre Eltern sie von allen Tieren fern. Nur das Geflügel durfte das Kind füttern.

      Isanpert sagte: „Habt ihr gesehen, wie reich sie sind? Eine Spatha, wie Hucwalt sie trägt, ist schwierig zu schmieden. Und unglaublich teuer. Damit kann man viel besser kämpfen.“

      „Ich dachte, es kommt auf Gottes Beistand an“, sagte Deso.

      „Bestimmt hat sein Bruder sie gemacht“, sagte Heila. „Alle Zwerge sind Schmiede.“ Beim Spinnen und Weben bekam sie oft Gislas Geschichten zu hören.

      Isanpert widersprach. „Martilo schmiedet Spangen und Ringe aus Gold und Silber. Keine Schwerter, und auch keine eisernen Beschläge für Pflugscharen wie unseren.“ Er war im Frühjahr dabei gewesen, als Uto und Gudo das wertvolle Schmiedewerk in Frigisinga abholten, und hatte es selbst am Pflug befestigt. „Morgen pflügen wir das hintere Feld. Hoffentlich zieht der Ochse. Es ist mühsam genug, wenn man ihn nicht ständig antreiben muss.“

      Deso rieb sich über die schmutzige Stirn. „Nächstes Jahr musst du solche Sachen nicht mehr machen.“

      „Trotzdem wäre es besser, wir hätten einen zweiten Ochsen. Oder auch noch ein Pflugmesser aus Eisen.“ Isanpert warf eine letzte Ladung Bucheckern in den Korb. „Ich geh den leeren, und den Speer stelle ich auch weg. Passt auf die Ferkel auf, die sind noch so klein, die kommen überall durch.“

      Er zog den Karren holpernd über den Schweineweg nach Gramlinga. Am Hintereingang des Wohnhauses stellte er ihn ab.

      Dann hielt er inne, weil er ein Geräusch hörte.

      Er horchte ins Haus hinein. Etwas stimmte nicht.

      Ein zweites Geräusch übertönte das erste. Von hinten kamen Schritte. Tapsige Schritte. Isanpert drehte sich um. Es war Deso. Natürlich.

      Deso zuckte verlegen mit den Achseln. „Heila sagt, sie kommt allein …“

      „Still“, sagte Isanpert. „Hörst du?“

      Ein Ächzen war zu hören, ein Stöhnen. Sie schlüpften durch die kleine Tür ins Haus. Nun standen sie zwischen Werkzeug und Vorräten. Das Geräusch war ganz nahe.

      Durch die Lücken im Weidengeflecht sahen sie den Priester Fritilo. Über ihre Mutter gebeugt. So nah, den Kopf zurückgeworfen. Sein Gürtel samt Schwert lag auf dem Boden. Sie zuckte wie unter Schmerzen.

      Was er da tat, begriffen sie nicht. Aber eines wussten sie. Das Gesetz stellte es unter Strafe, einem fremden Weib den Rock zu heben. Der Diakon hatte es in Sankt Martin gepredigt.

      Deso zischte: „Er tut ihr weh!“

      „Wir müssen sie beschützen. Der Dux hat es uns aufgetragen“, flüsterte Isanpert und fasste seinen Speer fester. „Du musst mir helfen. Du läufst hin und haust ihm mit der Hand auf den Rücken. Möglichst fest, dass er es spürt. Dann rennst du schnell weg, hier an mir vorbei nach draußen. Hab keine Angst, ich halte ihn auf. Du musst ihn nur herlocken.“

      Deso nickte stumm und ging auf Zehenspitzen in den Raum hinein. Isanpert folgte ihm vier Schritte weit. Hinter der Trennwand aus Weidengeflecht suchte er den Boden ab nach einer großen Ritze zwischen den Brettern, die er schon längst mit Lehm hatte verfugen wollen. Er schob den Speer hinein. Auf einer Bohle lag der Speer auf, die andere stützte von hinten.

      Das Stöhnen war unerträglich. Er versuchte, es nicht zu hören.

      Dann ging alles ganz schnell.

      Deso lief leise nach vorn. Seine kleinen Fäuste trommelten auf den Rücken des fremden Mannes, der sich so tief über die Mutter beugte. Im nächsten Augenblick schrie er auf. Ein Ellenbogen hatte ihn getroffen. Seine Nase blutete. Er rannte.

      Schritte folgten ihm, schwere Schritte. Er huschte durch die Öffnung, zwischen dem Pflug und dem Mehlsack hindurch. Er musste sich nicht ducken, um durch die niedrige Türöffnung zu laufen. Schon war er im Freien.

      Isanpert richtete sich auf. Die Speerspitze hielt er unter den Arm geklemmt. Sie war nicht zu sehen für Fritilo. Ja, im Halbdunkel des Hauses erkannte Isanpert das zornerfüllte Gesicht des Fremden. Fritilo lief auf ihn zu, ein Holzscheit in der Hand.

      Fritilo verfolgte Deso, aber der war fort. Fritilo stürzte sich auf Isanpert, schwang das Scheit. Isanpert wich zurück. Zugleich griff er nach hinten, fasste den Speer mit der Hand. Hielt ihn auf Bauchhöhe. Noch einen halben Schritt zurück. Fritilo war heran.

      Fritilo öffnete den Mund, um zu schreien. Hervor kam Blut, das Blasen warf. Das Holzscheit krachte auf Isanpert. Dann fiel Fritilo über ihn, Blut strömte über ihn. Der Speer hatte gehalten. Fritilo hatte sich mit Wucht selbst aufgespießt.

      Immer noch schrie jemand, hörte nicht auf zu schreien. Es war Ula. Und als sie nicht mehr schreien konnte, brach sie zusammen, in der Blutlache, neben Fritilo und Isanpert.

      Die alte Gisla half Ula auf und führte sie nach draußen. Leuba war davongelaufen. Engilpert stammelte „o Gott, o Gott“. Gisla befahl ihm, endlich still zu sein und Isanpert vors Haus zu bringen. Anschließend schickte sie ihn zum Brunnen. Sie brauche Wasser, sagte sie. Viel Wasser.

      Und sie wusch sie. Erst Ula, dann Isanpert, der sich nach schwachem Widerstand ihrem eisernen Griff fügte. Dabei murmelte Gisla. Niemand verstand, was sie sagte, zu wem sie eigentlich sprach: zu sich selbst, zu Ula und Isanpert oder zu irgendwelchen Gestalten aus der Vergangenheit, die sie einst gekannt hatte und deren Schicksale ihr jetzt wieder lebendig vor Augen traten.

      Auch die blutige Kleidung wusch sie, walkte sie mit unerwarteter Kraft, um alles Rote aus den Stoffen zu spülen.

      Engilpert brachte wie befohlen eine Decke für Isanpert. „Was machen wir mit dem Toten?“

      „Er muss aus dem Haus“, sagte Gisla. „Nimm ein Brett als Bahre und wälz ihn darauf. Dann könnt ihr ihn leichter tragen. Ist Ula jetzt still?“

      Engilpert hatte sie wie ein Kind in ihr Bett getragen. „Sie wimmert im Schlaf. Bretter liegen hinten, ich suche ein breites ... für den Toten.“

      „Sag Leuba, sie soll die Kuh melken. Warme Milch beruhigt. Wir brauchen viel Milch.“

      Isanpert saß in seine Decke gewickelt und starrte auf ein Huhn, das vergeblich versuchte, einen Zugang zum Gemüsebeet zu finden. „Er hatte hier nichts verloren“, sagte er.

      Gisla nickte.

      Warum auf Gramlinga kein Bleiben war

      Otilo, das wussten die Männer des ganzen Erdkreises, war vom Glück bevorzugt. Hatte er nicht