Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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sich.

      »Ich soll Sie von Oberst Tomacic grüßen!«, rief ihm Peter nach.

      Beller blieb stehen und drehte sich um.

      »Ist der alte Paragrafenreiter noch immer in Amt und Würden?«

      »Wieder!«

      »Richten Sie ihm vom Pitbull ›schöne Grüße‹ aus! Er soll sich bei mir melden!« Seine tragende Stimme schwang durch die Halle.

      Peter schaute ihm nach; Pitbull war ein passender Spitzname, der sowohl auf Bellers Gestalt, als auch auf sein Wesen zutraf.

      Frederica stand an dem Metalltisch und betrachtete die drei Plastiksäcke, in denen sich die Utensilien der Toten befanden.

      Peter beobachtete sie, rutschte vom Tischende und stellte sich neben sie. Mit seinem Füller schob er die Beutel hin- und her. Ein mit Ruß überzogenes Armband stach ihm ins Auge. Er hob die Plastiktüte in die Höhe und rubbelte über das Geschmeide.

      »Das gehörte Kirstin«, schluchzte Frederica und hob ihren Arm.

      Sie trug das gleiche Bettelarmband.

      »Ich habe es ihr geschenkt. Darf ich es haben?«

      »Leider nein. Wenn es freigegeben ist, können Sie Herrn Voss darum bitten.«

      Die Italienerin nickte und wischte sich mit dem Handrücken über ihre Wangen, um die Tränen zu unterdrücken.

      Holzinger zückte sein Smartphone und schoss von den Pretiosen Fotos.

      »Sie fahren mit der Familie Voss zurück ins Hotel?«, wollte er von Frau Costa wissen.

      Frederica nickte und kramte ein Taschentuch aus ihrer Jacke.

      »Die Zeit drängt«, wandte sich Peter an Lucas. »Wir müssen los, sonst bist du um 18:00 nicht in der Seilerstätte. Hier, nimm meinen Trolley«, grinste er süffisant, drückte ihm zusätzlich seinen Flipstick in die Hand.

      Sie verabschiedeten sich und gingen zurück zu ihrem Wagen.

      *

      »So … Soll ich fahren?«, fragte Perez mit unschuldiger Miene.

      Holzinger tippte sich mehrmals mit dem Zeigefinger auf die Stirn.

      »Wa … Warum ist Frederica Costa mitgekommen. Die hat kein einziges Mal den Mund aufgemacht«, wechselte Lucas das Thema, während er die Autotür aufzog.

      Peter zuckte mit den Achseln.

      Im Wagen zog Holzinger sein Mobile aus der Tasche. Der Bildschirm leuchtete sofort auf, denn er hatte eine SMS erhalten. Er öffnete den Posteingang und der erste Eintrag war eine Nachricht von einer ihm unbekannten Nummer. Er berührte das Display und las:

       ›Schicke mir deine Mailadresse. Habe eine Mail, die ich an dich weiterleiten soll. Lass uns im Anschluss telefonieren.

      lg Anna Steiger.‹

       Peter trommelte mit seinen Fingern auf das Lenkrad und überlegte, ob er sie sofort anrufen sollte.

      War die Nachricht überhaupt von Anna? »Lucas, kannst du mir Annas Nummer vorlesen?«

      »Wo … Wozu?«

      »Kannst du einmal das tun, worum man dich bittet, ohne mit einer Gegenfrage zu antworten?«

      Lucas rümpfte die Nase, bewegte tonlos seinen Lippen und schüttelte den Kopf. Er sagte ihm die Rufnummer an.

      »Schau, schau – er kann die Nummer auswendig«, ätzte Peter und überprüfte die Ziffernfolge. Sie stimmte.

      »I … Ich besitze ein phänomenales Zahlengedächtnis. Hat nicht jeder ...«, erwiderte er schnippisch.

      Holzinger tippte seine Mail-Adresse und verschickte die SMS.

      Lucas erkundigte sich, warum Anna seine E-Mail-Adresse benötigte.

      Peter zuckte mit den Achseln, zeigte ihm die Nachricht und fuhr langsam Richtung S1, wo die Schneefahrbahn vom Salz aufgelöst worden war. Im Dreisekundentakt schrammten die Wischerblätter über die Scheibe.

      Peters Smartphone spielte den River-Kwai-Marsch, während am kleinen Display am Armaturenbrett Tomacics Name blinkte.

      »Grüß Gott Herr Paragrafenreiter.«

      »Ah, wie ich merke, hast du mit Pitbull gesprochen.«

      »Ja, das habe ich. Gibt es etwas Neues?«

      »Ja. Für morgen werden fünfundzwanzig Kollegen in zivil abgestellt. Mit Ophaus hast du dich ja in der Zwischenzeit unterhalten. – Für die nächsten Wochen wird uns eine Dame aus dem Innenministerium zugeteilt. Und jetzt das Wichtigste: Ich war im Plaza und hatte das Glück, die EC-Leute beim Mittagessen anzutreffen.«

      »Gut gemacht«, unterbrach ihn Peter, der sich wunderte, wie es sein Ex-Boss geschafft hatte, die komplette Anzahl der geforderten Beamten zu bekommen.

      »Ich habe sogleich bemerkt, dass sie sich in tiefes Schweigen hüllten, solange sie beieinandersaßen. Deshalb bat ich sie einzeln an die Bar und befragte sie. Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe von dreien erfahren, dass sie ebenfalls erpresst werden. Die Kopien erhalten wir per Mail.«

      »Su ... Super Richard«, mischte sich Lucas ins Gespräch. »Aber kannst du ihnen bitte sagen, sie sollen uns die Originale zusenden.«

      »Habe ich getan. Man hat mir versprochen, sie noch heute abzuschicken: Zuhanden unseres Oberstleutnants Holzinger«, teilte Richard eine Spitze aus.

      »Letzte Bitte, Herr Paragrafenreiter«, stieg Peter auf die unterschwellige Stichelei ein. »Kannst du dich mit Gerhard Klugs Firma in Verbindung setzen. Frage sie, ob sie von einem Erpresserbrief wissen. Das Gleiche gilt für René Delons Unternehmen. Die Unterlagen findest du auf meinem Tisch.«

      »Habe ich gesehen. Liegt vor mir.«

      »Du sitzt an meinem Schreibtisch?«, entrüstete sich Peter.

      »Wo soll ich sonst sitzen?«, schnauzte Richard zurück.

      »Äh, schon gut. Ich habe dir das vorletzte Zimmer am Ende des Ganges zugedacht. Du darfst es dir dort mit deiner Kaffeemaschine gemütlich machen.«

      »Kleiner, das ist lustig. Ich habe bereits mein eigenes Büro, bevor ich noch den Vertrag unterschrieben habe?« In seiner Stimme war die Verwunderung nicht zu überhören.

      Peter beugte sich zu seinem Beifahrer und flüsterte: »Ich glaube, ›Pitbull‹ und ›Paragrafenreiter‹ passen zu den beiden. Schade, Richards Nick hätte ich gerne gekannt, als er noch mein Boss war.« Er hob wieder seine Stimme. »Würdest du mir verraten, wie du es geschafft hast, die geforderte Manpower zu bekommen?«

      Aus den Lautsprechern hörten sie leises Kichern.

      »Ganz einfach, Kleiner. Erfahrung kann durch nichts ersetzt werden.«

      »Was heißt das?«

      Richard zögerte mit der Antwort.

      »Ich habe fünfunddreißig Leute angefordert.« Tomacic lachte laut auf und beendete grußlos das Gespräch.

      »Das wird eine astronomische Rechnung geben, denn jetzt sind wir eindeutig überbesetzt«, seufzte Peter und bog in den Parkplatz vor dem Kongresszentrum ein, der unter einer dicken Schneedecke lag. Er parkte sich neben einem silberfarbenen Porsche Macan mit italienischem Kennzeichen ein.

      »Lucas, was ich noch nicht verstanden habe, wozu brauchst du die Originale? Erhoffst du dir Fingerabdrücke?«

      »Nei … Nein. Diese Schreiben sind sicher schon durch viele Hände gegangen. Wir bräuchten von jedem, der sie angegriffen hat ein Sample, wollte man die Spuren zuordnen. Wozu ich sie brauche? – Sage ich dir, wenn ich sie habe.«

      Nichts hasste Peter mehr,