Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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Idee. Der alte Tomacic ist mit dem Haufen hier vertraut. Kennt die Leute. Ein cleverer Schachzug«, meinte Lucas und lehnte sich entspannt zurück. »Jetzt brauchen wir nur noch eine Sekretärin und ein großes White-Board in meinem Büro.«

      »Darum soll sich Richard kümmern. – Ich denke, er ist die ideale Drehscheibe hier im Haus, unser Verbindungsoffizier, wenn wir unterwegs sind.«

      Lucas nickte und schlug sich auf die Oberschenkel. Seine verletzte Hand meldete sich.

      »Autsch. I ... Ich sehe nach, ob es Neuigkeiten gibt, die wir im Meeting gebrauchen können.«

      »Mach das. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um die beiden Vermissten, dass man sie von der Liste streicht.«

      Lucas stapfte durch Sarahs Zimmer in sein Büro. In dem Fenster am großen Monitor, das mit ›QUERY‹ betitelt war, blinkte der Cursor. Er tippte die Namen der fünf Kongressbesucher, die im Flugzeug waren in die Eingabemaske, und setzte ein Häkchen bei Lebenslauf, Arbeitsverhältnis, Presse, Businesskontakte, soziale Netzwerke, Konsumverhalten, Sonstiges und drückte auf ›START‹.

      Im Anschluss betrachtete er die Fenster, die von seinem Computer letzte Nacht gefüllt worden waren. Eines nach dem anderen schloss er. Einzig das, in dem eine Vielzahl von IP-Adressen aufgelistet waren, ließ er geöffnet. Am unteren Fensterrand blinkte ›Current account password processing‹. Er scrollte aufwärts und las einige Absätze.

      »Habe ich es mir doch gedacht.«

      Er tippte mit dem Finger auf die Tischplatte.

      »Wer tief genug gräbt, wird fündig.«

      Nachdem er die Ergebnisse in einem Textfile zusammenkopiert hatte, schickte er es an den Drucker.

      »Lucas, das Meeting fängt an«, hörte er Peter rufen.

      »Ich komme!«, rief er zurück und schob die Ausdrucke in seine Mappe.

      Perez war bereits an der Tür, als er innehielt, zum Schreibtisch zurückging und den Laptop zu sich drehte. Er hatte vergessen, eine Mail zu verschicken.

      Rasch tippte er die kurze Nachricht.

      Als die Meldung ›SENT‹ am Bildschirm erschien, sperrte er den Computer und eilte zur Tür hinaus.

      9

      Hajo Voss hatte die halbe Nacht telefoniert. Zwischen den Gesprächen fand er keine Ruhe und schlich in seiner Suite wie ein gereizter Tiger auf und ab. Ständig verfolgte ihn die Frage nach dem Warum und Weshalb. Seine Frau Sylvia hatte die Hiobsbotschaft erstaunlich beherrscht aufgenommen, zumindest war dies sein Eindruck am Telefon. Sie buchte noch zu nächtlicher Stunde einen Flug. Mittags würde sie in Wien landen.

      Zäh war die Zeit vergangen. Erst in den frühen Morgenstunden fand er etwas Schlaf.

      Um 6:00 morgens ging er hinunter in die Executive-Lounge, wo man ihn mit erstaunten Augen empfing.

      Der Kellner schaute verwundert auf die Uhr und gab seinem Gast zu verstehen, dass das Frühstücksbuffet noch nicht geöffnet sei.

      Nach kurzer Diskussion wies man ihm einen Platz zu und er gab seine spärliche Bestellung auf: Kaffee und ein Stück Kuchen.

      ›Mehr bringe ich nicht hinunter‹, dachte er und genoss den persönlichen Service. Jedes Mal, wenn der Kellner an seinem Tisch vorüber kam, lächelte ihm dieser zu und erkundigte sich nach seinen Wünschen.

      Hajo starrte unentwegt in seine Kaffeeschale, in der er immer wieder mit dem Löffel umrührte, obwohl nur mehr der Boden bedeckt war.

      Ein Hotelboy betrat die Lounge und warf einen Stapel Tageszeitungen auf den Nachbartisch. Der Lärm riss Hajo aus seinen Gedanken. Unbeholfen zog er eine Zeitung vom Stoß.

      Der Flugzeugabsturz beherrschte die Titelseite.

      Er blätterte zum vierseitigen Sonderbericht. Trotz der Sprachbarriere arbeitete er sich aufmerksam durch den Bericht, in der Hoffnung, den Grund des Absturzes zu erfahren. Aber es wurden nur Mutmaßungen geäußert, die seine Frage nicht beantworteten.

      Eine Stunde später gesellte sich einer seiner Leibwächter zu ihm.

      »Guten Morgen Herr Voss, reisen wir ab oder besuchen Sie den Kongress?«, fragte der Riese.

      »Kann ich noch nicht sagen. Meine Frau ist am Weg nach Wien. Wir müssen einiges erledigen, wie Sie sich vorstellen können. Ich gebe Ihnen sofort Bescheid, wenn eine Entscheidung gefallen ist.«

      Der Hüne nickte und schlürfte den heißen Tee in sich hinein. Nachdem er die Tasse abgesetzt hatte, schaute er seinen Boss an.

      »Mein herzliches Beileid. Ich habe Kirstin sehr gemocht. Wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen.«

      Voss nickte ihm mit geschlossenen Augen zu und vertiefte sich wieder in den Zeitungsartikel.

      Mittlerweile war das Büfett angerichtet. Langsam füllte sich die Lounge und es bildete sich die erste Schlange vor der Theke.

      »Guten Morgen, Hajo«, begrüßte ihn Craig mit leiser Stimme.

      »Bin mir nicht sicher, ob das ein guter Morgen ist«, erwiderte er müde und zog den Stuhl neben sich zurück.

      Morrison holte tief Luft und klopfte seinem Freund aufmunternd auf die Schulter.

      »Wo ist Rico?«

      »Kommt jeden Moment … Ah da ist er ja.«

      Frederico Costa hob im Vorübergehen kurz die Hand zum Gruße, nickte vielsagend und ging weiter zum Buffet.

      »Ich habe um neun Uhr den ›Boardroom‹ für uns reserviert. Einige unserer Mitglieder sind gestern abends angereist und ich dachte mir, es ist eine gute Idee, wenn wir uns mit ihnen beratschlagen. Willst du dabei sein?«

      Hajo starrte weiter in seine leere Kaffeeschale und nickte zögerlich. »Ja. Ich komme. Sylvia landet erst kurz vor Mittag.«

      »Um 10:00 wäre das Meeting im Nachbarhaus, in der Polizeidirektion. Sie wollen den Ablauf des morgigen Kongresses mit uns besprechen.«

      »Bin dabei«, stimmte Voss kraftlos zu und strich sich über seine spärlichen Haare.

      Rico setzte sich zu ihnen an den Tisch und tauchte das Croissant in den Kaffee. »Die Nachrichten vermuten ein Attentat, aber bisher hat sich niemand dazu bekannt. Was haltet ihr von der Geschichte?«, fragte er mit vollem Mund.

      »Ich habe keine Ahnung, doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass unser Meeting damit zusammenhängt.« Craig wiegte seinen Kopf, als würde er im Geiste einen Slalomparkour durchfahren.

      »Wie meinst du das?«

      »Wie gesagt. Ich weiß es nicht. Ist nur so eine diffuse Vermutung.«

      Sie schwiegen und blätterten in den unterschiedlichsten Ausgaben der Tagespresse, jeder für sich auf der Suche nach einer Antwort.

      *

      Kurz vor neun Uhr übersiedelten sie in den ›Boardroom Charleston‹, wo sich bereits einige ihrer Freunde eingefunden hatten. Unter ihnen auch Fredericos Tochter, die eine große schwarze Brille trug, um ihre verschwollenen Augen zu kaschieren.

      »Kommt, nehmt Platz. Der eine oder andere von euch hat sich sicherlich gefragt, warum ich um dieses Treffen gebeten habe. Einige haben es selbst miterlebt, ich spreche von dem gestrigen Beinaheabsturz. Laut der Presse, könnte es sich um einen Anschlag handeln. Frederico, Hajo und ich wollen auf Nummer sichergehen, dass das vermeintliche Attentat nichts mit unserem Kongress zu tun hat. Deshalb gleich meine Frage: Hat jemand eine Idee?«

      Die Teilnehmer tuschelten, sahen sich gegenseitig an und zu guter Letzt schüttelten sie ihre Köpfe.

      »Okay. Ich habe etwas, was ich euch zeigen möchte.«