Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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      Sie besiegelten ihren Deal mit einem Handschlag, während erneut Schneeflocken vom Himmel tanzten.

      »Gib mir dein Mobile.«

      Anna streckte ihm ihren Arm entgegen.

      Verwundert reichte ihr Lucas sein Smartphone.

      Sie tippte mehrmals auf das Display und kurz darauf läutete ihres in der Handtasche. »Jetzt haben wir unsere Nummern. Ich schicke dir die Adresse per SMS.«

      »Super. Dann leite ich sie direkt an die Spedition weiter.«

      »Wo wohnt Peter? Kann ich dich mitnehmen?«

      Lucas kramte den Zettel hervor.

      »In Grinzing, Grinzinger Allee«, las er laut vor.

      Sie schaute auf die Uhr.

      »Anna, es ist viel zu spät. Ist nicht deine Richtung. Ich nehme ein Taxi. Wir sehen uns morgen.«

      Sie verabschiedeten sich wie zwei langjährige Freunde.

      »War ein netter Abend. Freue mich auf das Wiedersehen«, rief sie ihm nach.

      7

      Hajo und Craig betraten das Émile Restaurant und schauten sich um. Im Spiegel, der an einer der dunkelbraunen Säulen hing, entdeckten sie ihren Freund. Als sie auf ihn zugingen, erhob er sich, um sie mit einem strahlenden Lächeln zu begrüßen. Frederico Costa war für einen Italiener hochgewachsen, trug einen dunkelgrauen Schurwollanzug mit roter Krawatte. Seine goldene Uhr blitzte unter dem Hemdsärmel hervor. Die typische Arbeitskluft eines erfolgreichen Finanziers. Noch selten hatte ihn jemand in Freizeitkleidung gesehen.

      Zu dritt bildeten sie den Vorstand des Economy-Clubs und waren für die Ausrichtung des Kongresses verantwortlich.

      Sie setzten sich an den schwarz getäfelten Tisch. Der Kellner reichte ihnen die Speisekarte und informierte sie über die Speisen, die nicht auf der Karte zu finden waren.

      »Wie laufen die Geschäfte?«, wollte Craig wissen.

      »Danke der Nachfrage.« Frederico grinste breit. »Du weißt doch, wir sind vor drei Jahren in die Abfallbeseitigung eingestiegen. Eine Cashcow. Hätte ich mir nie träumen lassen. Und der Rest wie immer: höchst profitabel.«

      Er genoss das anerkennende Nicken seiner Freunde.

      »Was gibt es bei dir Neues?«, erkundigte sich Costa bei Hajo, weil ihm dessen Niedergeschlagenheit aufgefallen war.

      »Hajos Tochter war in der Maschine, die heute eine Bruchlandung hingelegt hat«, antwortete ihm Craig anstelle seines Freundes.

      »Oh. Ich habe davon gehört. – Ist sie verletzt?«

      »Wissen wir nicht. – Niemand weiß etwas.«

      »Was sagt die Airline? Die müssten doch …«

      »... Fehlanzeige. Am Flughafen herrscht Chaos, seitdem noch eine Terrordrohung eingegangen ist.«

      Costa rümpfte die Nase und musterte Hajo mit seinen tiefbraunen Augen.

      »Abwarten und Tee trinken«, seufzte der Niederländer, griff nach dem Weinglas und prostete den beiden zu.

      Während des Hauptganges stocherte Voss mit leerem Blick in seinem Teller herum, sein Smartphone im Blickfeld. Es vergingen keine zwei Minuten, ohne dass er überprüfte, ob eine Nachricht eingegangen war. Er atmete tief aus, wenn er es zur Seite schob. Im Anschluss warf er meist einen Blick auf die Uhr. Die Zeit verging im Schneckentempo. An diesem Abend schickte er sein Lieblingsgericht – Wiener Tafelspitz – nach der Hälfte zurück in die Küche. Er hatte keinen Appetit.

      »Für welche Uhrzeit ist das Meeting morgen beim Personenschutz angesetzt?«, wollte er wissen.

      »10:00 Uhr«, antwortete ihm Craig knapp.

      »Wo?«

      »Bundespolizeidirektion. Gleich nebenan, im Nachbarhaus«

      Hajo starrte gedankenverloren auf sein Smartphone, das er zuweilen mit den Fingern von einer Seite zur anderen schob. Die Stimmung hatte ihren Tiefpunkt erreicht. Von Unterhaltung keine Spur.

      »Vielleicht können dir die Leute an der Rezeption helfen«, meinte Craig schließlich und schlug mit beiden Händen auf den Tisch. »Kommt, ich habe Lust auf eine Zigarre. Wir begleiten Hajo zum Empfang und wir zwei stellen uns so lange vor den Eingang.«

      Voss und Costa stimmten zu.

      *

      Gemächlich trotten sie über den Carraramarmor der Lobby zur Rezeption. Craig sah, wie sich Gerard lebhaft mit einer Rezeptionistin unterhielt. Als sich ihre Blicke trafen, hob der Kellner kurz den Arm und streckte den Zeigefinger in die Höhe, um im nächsten Augenblick mit der flachen Hand ›warten‹ zu signalisieren.

      Morrison nickte ihm zu und schob seinen Freund zum Empfangspult.

      »Wie kann ich helfen?«, fragte die Concierge lächelnd.

      Als sie Craig erkannte, hob sie ihre Augenbrauen.

      »Mr. Morrison, ich habe etwas für sie.« Sie drehte sich um, zog eine Fernbedienung aus einem Fach und reichte ihm den Autoschlüssel. »Ist wieder ›pico bello‹. Wir haben auch den Innenraum gesäubert, inklusive den großen Plastikkoffer.«

      »Danke.« Craig griff nach dem Schlüssel und legte eine Zwanzig-Euro-Note auf den Tresen. »Für den Putztrupp ...«, fügte er mit einem breiten Lächeln hinzu. »... Und Herr Voss würde gerne die umliegenden Krankenhäuser anrufen, denn seine Tochter hat sich noch nicht bei ihm gemeldet.«

      »War sie in dem Flugzeug?« Die Rezeptionistin verzog ihr Gesicht zu einer leidenden Miene und winkte Voss zu sich.

      Craig klopfte seinem Freund ermunternd auf die Schulter. »Du findest uns vor dem Eingang.«

      Hajo hob seine Hand.

      Der Nordwind schob zusätzliche Kälte in die Stadt und das Grieseln war von Schneefall abgelöst worden. Die Laternen warfen ihr Licht auf die weiße Pracht und ließ die Ringstraße heller als sonst erscheinen. Der Pulverschnee dämmte die Geräusche des Verkehrs und im Sog der Fahrzeuge züngelten langen Eiskristallschleiern hinterher.

      Zwischen den Eingangssäulen suchten sie sich einen windgeschützten Platz. Craig zog ein Lederetui aus der Brusttasche und bot Frederico eine Zigarre an.

      »Was denkst du? War Kirstin in der Maschine?«

      »Sieht so aus, ansonsten hätte sie sich längst gemeldet.«

      Craig schnitt seine Corona an, reichte ihm die Guillotine und wärmte seine Zigarre mit dem Feuerzeug an.

      »Ich möchte nicht den Teufel an die Wand malen.« Craig schüttelt seinen Kopf. »Aber dieses Jahr hat es in sich: Erst kommt Gerhard bei einem Verkehrsunfall ums Leben, dann verschwindet unser schwuler René Delon. Jetzt setzt sich die Serie vielleicht mit Kirstin fort. – Hat es da jemand auf uns abgesehen?«

      »Zufall. Reiner Zufall. Klug hatte einen Autounfall. Laut Unfallbericht war es ein Reifenschaden. Renés Tod ist nicht restlos geklärt. Alles nur Vermutungen. Man sagt, er sei von Bord gefallen und konnte seine Jacht nicht mehr schwimmend einholen. Es sind weder Kampf- noch Blutspuren gefunden worden. Und wenn Kirstin tatsächlich in dem Flugzeug war, dann ...«, er zögerte. »Unfall. Kismet. Zufall.«

      »Meiner Meinung nach, ein wenig viel Zufall. Und deine fatalistische Sichtweise der Dinge widerstrebt mir ebenso.«

      Frederico sog an seiner Zigarre.

      »Hajo und ich haben in der Bar Frederica getroffen. Warum hat sie nicht mit uns zu Abend gegessen?«

      »Frederica wollte ins Theater – wenn ich sie richtig