Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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möglich? Wovon hängt das ab?«

      »Ob die ›Europol‹ uns anfordert oder nicht.« Der Drohnenpilot grinste wie ein kleiner Bub, dem ein schelmischer Streich gelungen war.

      »Botschaft angekommen. Ihr beide hört von mir. Versprochen.« Peter verzog seine Mundwinkel zu den Ohren.

      Ophaus Funkgerät brummte. Er stöpselte sich den winzigen Hörer ins Ohr und führte das Mikrophon zum Mund.

      »Ja bitte? … Verstanden ... Sind unterwegs.« Er schaute zu Hene und deutete mit der Hand nach oben. »Komm, die Austro-Control erwartet uns auf dem Tower.«

      Er wandte sich Holzinger zu.

      »Nichts für ungut! … Und vergiss uns nicht. Wir unterstützen dich gerne.«

      »Passt schon. Wir lassen uns etwas einfallen, damit ihr an die frische Luft kommt«, grinste Peter.

      Die beiden winkten ihnen zu und bahnten sich ihren Weg durch die Menge.

      5

      Die untergehende Sonne überzog die Landschaft mit einem warmen Rotton. Die fernen Bergketten schillerten in den unterschiedlichsten Blautönen, je weiter entfernt, desto dunkler. Schemenhaft erkannten sie den finsteren Wald, der die Kuppe des Hügels krönte. Das kniehohe Gras, von der Hitze ausgedörrt, bedeckte – wie ein Weizenfeld kurz vor der Ernte – den harten Boden. Der Wind pfiff um die zahlreichen, mannshohen Findlinge, spielte eine synthetische Melodie und warf die Halme von einer Seite zur anderen. Kleine Windteufel wirbelten den Sand auf und zogen Staubfahnen hinter sich her. Die beiden ignorierten das Naturschauspiel, stiegen von einem Felsen zum nächsten bergan. Wiederholt legten sie eine Pause ein, musterten die Umgebung und ließen ihre Blicke in die Ferne schweifen, als befürchteten sie, verfolgt zu werden.

      Die Baumgruppe auf der Anhöhe bot den beiden Schutz. Sie suchten hinter den Stämmen Deckung, spähten an den Akazien vorbei und nahmen den flachen Talkessel in Augenschein, der sich vor ihnen ausbreitete. Sie erblickten einen fensterlosen Steinbau mit Flachdach, mehr Turm als Haus, den ein Holzwall umgab. Gefechtsplattformen fehlten. Für eine Festung war er an der falschen Stelle errichtet worden, denn jeder der umliegenden Hügel hätte einen besseren Rundumblick geboten. Weit ins Land hinein. Feinde wären nicht in der Lage gewesen, sich unbemerkt zu nähern. Oder steckte Absicht dahinter?

      Diese Frage stellte sich den beiden hinter den Baumstämmen nicht. Im Gänsemarsch setzten sie sich in Bewegung, direkt auf das Haus zu. Ein Gebüsch, das sich an den Wall schmiegte, verbarg das Schlupfloch. Sie krochen hindurch und stiegen die vier Stufen zur Veranda hinauf. Die schmiedeeiserne Tür, die von einem Wellblechdach beschattet wurde, stand einen Spalt weit offen. An einigen Stellen hatte sich Rost durch die äußere Blechschicht gefressen, ohne das Tor zu schwächen.

      Mit einem prüfenden Blick zurück zum Hügel vergewisserten sie sich, dass ihnen niemand gefolgt war. Sie traten in einen engen Raum und ließen die schwere Tür ins Schloss fallen. Der pfeifende Wind verstummte. Totenstille.

      Gegenüber der Eingangspforte erhob sich eine blankpolierte Stahlwand, die ihr Spiegelbild zurückwarf. Den schmalen Durchschlupf in der Ecke sicherte ein schweres Eisengitter, verhangen mit dicken, filzigen Laken. Es war ein Leichtes, den Verschlag zur Seite zu schieben. Sie zwängten sich hindurch und zerrten das Gitter zurück an seinen Platz. Die Kammer war kaum größer als ein Badezimmer in einem spottbilligen Motel. Unmöbliert wie die Erste. Doch diesmal hörten sie aus dem nächsten Raum leises Tapsen. Sie folgten dem Geräusch und traten durch die hölzerne, halb geöffnete Pforte.

      Die Schritte verstummten.

      Ein großer Saal lag vor ihnen. Durch die Oberlichten flutete rötliches Licht, das die Wände und den Boden wie mit flüssigem Kupfer überzog. Den Mosaikboden zierte ein monströser silberner Kreis, in dem ein goldenes Dreieck eingelassen war. Entlang des Ringes standen fünf grobgezimmerte Sessel mit hohen Lehnen, die von Baststreifen zusammengehalten wurden.

      Der Krieger lehnte an der Wand und trommelte mit seinen Fingern auf die Militärhose, die ein Camouflagemuster zierte. Die dazugehörige Jacke hing über dem Stuhl, der ihm am nächsten stand. Als die beiden eintraten, schob er seinen beigen Wüstenhelm in den Nacken.

      »Volto – Jester! Endlich. Warum seid ihr so spät?«

      »Seit wann sprechen wir? Keine Bilder an der Wand?«, erwiderte Jester.

      »Eine Vorsichtsmaßnahme. Letztens haben wir vergessen, eine Tafel ab- und mitzunehmen«, wandte Bauta ein.

      »Was stand darauf?«

      »Das heutige Datum.«

      »Aus solcher Info kann niemand etwas ableiten.«

      »Doch, wenn er kombinieren kann.«

      »Bauta, die Bilder sind mir lieber als das gesprochene Wort.«

      »Ich habe die Umgebung abgesucht. Wir sind die Einzigen in der Gegend. Mach, wie du glaubst. Wir schreiben und sprechen.«

      Volto trat an die Wand und befestigte eine Tafel: ›Heute gab es Tote, aber der Häuptling entkam.‹

      »Sei's drum. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wenn ihr wollt, korrigiere ich den Fehler. Ich erledige den Anführer. Zeitnah!«

      ›Achtung: Man könnte unsere Fährte finden‹, schrieb Jester mahnend auf sein Bild.

      »Aber wenn sich so viele Feinde an einem Platz versammeln, dann dürfen wir uns die Chance nicht entgehen lassen«, flüsterte Bauta.

      Während er sprach, platzierte Volto ein weiteres Bild auf der Mauer: ›Wir sollten unsere Strategie überdenken.‹

      »Was meinst du damit?«, fragte Bauta.

      ›Hast du die nachträgliche Drohung abgesetzt? Das war nicht vereinbart‹.

      Die Bilder von vorhin verschwanden.

      »Ja. Improvisation. Ein Booster. Wir haben trotz des Fehlschlags unser Ziel erreicht. Sie wissen nun, dass wir es ernst meinen.«

      ›Ich glaube, sie haben noch gar nicht die Zusammenhänge erkannt‹, stand auf Jesters Tafel.

      »... ihr habt behauptet, dass sie vernetzt sind. Sie hätten längst begreifen müssen, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist«, zischte Bauta und ging zu dem Sessel, an dem seine Hellebarde lehnte. »Nach dem heutigen Chaos werden sie es verstehen. Ich bin mir sicher.«

      ›Das grenzt an Kaffeesudleserei. Ich bezweifle das‹, stand auf Voltos Grafik.

      »Glaubst du? Wenn nicht, könnten wir ihnen auf die Sprünge helfen.«

      ›Bist du übergeschnappt? Willst du sie auf unsere Spur führen?‹

      Alle Tafeln verschwanden von der Mauer.

      Bevor Volto das nächste Bild aufhängen konnte, zischte Jester: »Seid still, ich habe ein Geräusch gehört.«

      ›Das gefällt mir nicht‹, poppte eine neue Tafel von Volto an der Wand auf.

      ›Ich traue der Sache auch nicht‹, hängte Jester daneben.

      Die Bilder verschwanden. Nur leises Rauschen war zu hören. Keine Schritte. Kein Quietschen eines Tores. Keine Stimmen.

      Angespannt warteten sie und lauschten in die Stille.

      Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sie nicht abgehört wurden, verzichtete Volto auf das Schreiben: »Einerseits läuft zu viel schief. Andererseits stellt sich auch kein Erfolg ein.« Sie seufzte.

      »Richtig.«

      »Außerdem: Ich traue diesem Loch hier nicht mehr«, meldete sich Jester zu Wort.

      »Wie kannst du mein Haus als Loch bezeichnen. Ich habe es eigenhändig erbaut«, empörte sich Bauta. »Lassen wir das. – Hast du einen besseren Vorschlag?«

      ›Nein. Später vielleicht‹, stand auf dem Bild.

      ›Wir