Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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übernehme ich. Ich weiß auch schon wie. Ich schleiche mich unbemerkt in ihr Lager.‹

      »Selbstmord oder Gift? Vergiften würde mir gefallen«, kicherte Volto.

      ›Lasst euch überraschen. Der Kurier wird euch die Botschaft überbringen‹, hängte Bauta daneben.

      6

      Holzinger massierte sich sein Knie und schaute auf die Uhr. »Es ist spät geworden. Ich glaube, für heute haben wir genug erlebt. Ich habe Hunger. Darf ich dich zum Grenadier einladen?«

      »Grenadier?«

      »Ist eine nette Spaghetteria in der Innenstadt.«

      »Nehme ich gerne an.«

      »Her mit deiner Schulter, wir haben einen weiten Weg zu meinem Auto. Kannst du mit der Hand fahren?« Peter zeigte mit dem Kinn auf Lucas' Verband.

      »We … Wenn ich tippen kann, sollte ich auch lenken können. Jedenfalls besser, als du mit deinem Bein bremsen kannst«, lachte er.

      »Gut. Du fährst.« Peter hielt ihm seine Wagenschlüssel vor die Nase.

      Es hatte aufgehört zu grieseln. Als sie mit dem Wagen vom Freigelände-Parkplatz fuhren, ertönten aus der Ferne Sirenen.

      Mit 120 km/h rollten sie auf der A4 hinter einem Rettungsfahrzeug her, Wien entgegen.

      »Hier gilt eine 80 km/h Beschränkung.«

      »Pro … Pro Person? – Hast hast du kein Blaulicht im Auto?«, scherzte Lucas, ohne den Gasfuß zu heben.

      »Nein, das ist mein Privatauto.« Peter verdrehte die Augen und überlegte, ob es eine gute Idee gewesen war, seinem Kollegen das Steuer zu überlassen. »Denk daran: Die Schüttelstraße ist mit Radarkästen gespickt. Bei der Urania links, über den Ring vor zur Oper.« Nach einer kurzen Pause sprach er weiter: »Eine Frage: Wo hast du deine Zelte aufgeschlagen? Hast du schon eine Bleibe gefunden?«

      »Gu … Gute Frage. Ich wollte mir ein Zimmer im Neustifter Landhaus buchen. Nur für ein paar Tage. In der Hektik heute Morgen, habe ich es total verdrängt. Vorhin am Flughafen hatte ich keinen Empfang. Gut dass du mich daran erinnerst.« Lucas griff nach dem Mobile in der Mittelablage, doch Peter legte seine Hand auf seinen Arm.

      »... Sabine hat heute Bereitschaftsdienst. Du kannst bei mir auf der Couch übernachten.«

      »Sa … Sabine?«

      »Ja, Sabine, meine Freundin.«

      Perez nickte. »Ne … Nehme dankend an. Ich störe sicher nicht?«

      »Nein. Ich gebe ihr gleich Bescheid«, versicherte ihm sein Chef und tippte auf ihren Namen. »Der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später wieder.«

      Seufzend nahm er sein Smartphone vom Ohr. Beim ersten Radarkasten bremste Lucas scharf ab. Peter schüttelte den Kopf. »Sie dürfte einen Einsatz haben und hat ihr Handy ausgeschalten. Ich probiere es später nochmals.«

      »Ein ... Einsatz?«

      »Ja, sie ist medizintechnische Assistentin und Diplomkrankenschwester. Einmal im Monat leistet sie Bereitschaftsdienst beim Roten Kreuz. Freiwillig.«

      »Ke … Kenne mich aus. – Und was hat es mit der Reporterin auf sich?«, überrumpelte er seinen Kollegen.

      »Nichts weiter. Ich habe sie vor zwei Jahren bei Ermittlungen am Bergsee kennengelernt. Claudia hat für den KURIER geschrieben. Wir haben uns verliebt. Aber – ihre beste Freundin war die Tochter der Toten, was ich ursprünglich nicht wusste. Und dann stellte sich heraus, dass die beiden auf eigene Faust recherchiert hatten. Die Beziehung zu ihr ließ sich in der Dienststelle nicht verheimlichen und wenn ich nicht Tomacic, meinen damaligen Boss gehabt hätte, würde ich heute nicht neben dir sitzen.« Peter fuhr sich mit den Fingern durch sein langes Haar, als wollte er die Erinnerungen beiseite wischen.

      »Naja, je ... jetzt wird mir so manches klar«, antwortete Lucas.

      In der Kurve vor dem Hotel Imperial wimmerten die Reifen.

      »Hey, langsamer, hier rechts. Fahr in die Operngarage«, befahl Peter.

      »Ja ... Jawohl Chef«, erwiderte Lucas, trat hart auf die Bremse und bog in die Kärntner Straße ein. Ein Fußgänger sprang erschrocken zurück auf den Gehsteig.

      Vorsichtig zirkelte Perez den Wagen über die Rampe in die dritte Etage hinunter. Ein grünes Lämpchen an der Decke zeigte ihm den nächsten freien Parkplatz an.

      »I ... Ist der Grenadier weit von hier?«, wollte er wissen, während sie aus dem Wagen kletterten.

      »Nein«, beruhigte ihn sein Freund. »Hast wohl Angst, dass du mich den ganzen Weg schleppen musst? – Ich sehe es dir an. – Es sind nur drei Häuserblocks. Ich werde dir auch nicht um den Hals hängen.«

      Peter öffnete die Heckklappe und griff nach einem kleinen Täschchen.

      »Schau her, was ich hier habe.«

      Er zog ein Plastikteil aus der Hülle, drückte auf einen Knopf, und es entfaltete sich ein dreiteiliger Gehstock. Er schob die Aluteile ineinander und stützte sich ab.

      »Be … Benutzt du das als Waffe?«, hänselte Lucas.

      »Hat dir schon jemand gesagt, dass du zeitweise sehr naiv daherredest? Das Ding hat mir bereits bei so mancher Observation hervorragende Dienste geleistet.«

      »Ve ... Verstehe ich nicht.«

      Peter klappte den Griff auseinander, der eine Sitzfläche zum Vorschein brachte. Breit grinsend nahm er in der Mitte der Fahrbahn Platz und streckte die Arme zur Seite. »Verstehst du jetzt, was ich damit meine?«

      »Je ... Jetzt verstehe ich«, gab Lucas kleinlaut zurück. »Aber schau, da kommt ein Auto.«

      Die Fernlichter des Wagens blitzten zweimal auf.

      »Soll ich ihn observieren?«, spaßte Peter und rappelte sich auf. Seinem Bein gefiel der Scherz weniger.

      Der Fahrer fuhr kopfschüttelnd an ihnen vorüber.

      *

      Während sie durch die Fußgängerzone schlenderten, setzte Schneefall ein. Vor dem Eingang zum Restaurant klopften sie ihre Kleidung ab, was mehr einer Alibihandlung gleichkam, als dass es den Schmutz aus dem Stoff entfernte.

      Trotz der fortgeschrittenen Stunde war das Lokal gut besucht.

      Die Tische standen dicht an dicht. Wie bei Italienern üblich, hing ein Fernsehapparat an der Wand. Milan, der Kellner – bis auf sein weißes Hemd – in schwarz gekleidet, hatte seinen rechten Daumen lässig in der Gilettasche eingehakt. Das dunkle, gegelte Haar streng nach hinten gekämmt. Es glänzte mit seinen polierten Schuhen um die Wette. Vom Unterarm baumelte ein weißes Geschirrtuch.

      Als ihm die beiden Polizisten im schmalen Gang entgegenkamen, wich er zwischen zwei Sitzreihen aus. Im Vorbeigehen verbeugte er sich wie ein Torero vor seinen Fans.

      Lucas entdeckte den letzten freien Tisch für sechs Personen. Er schaute zu Milan und streckte zwei Finger in die Höhe. »Wi ... Wir sind zu zweit.«

      »Nessun problema«, erwiderte der Kellner und richtete sich seine schwarze Fliege.

      »Da ... Danke.«

      Sie hängten ihre Jacken über die Nachbarstühle und setzten sich gegenüber. Sie hatten freien Blick auf das TV-Gerät an der Wand. Das wackelige Bild zeigte eine Teleaufnahme eines Flugzeuges. Am unteren Rand einen roten Balken. In dem Laufband stand: ›TOTE BEI FLUGZEUGCRASH IN WIEN-SCHWECHAT – TERRORWARNUNG – FLUGHAFEN EVAKUIERT.‹

      »Ü ... Übertreibung oder gab es tatsächlich eine Terrorwarnung? Würde erklären, warum wir eine Sirene gehört haben.«