Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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Du hast also eine Internetverbindung; demnach können wir Mails verschicken?«

      Lucas stimmte ihm nickend zu.

      »... dann schreiben wir Sarahs Familie und meiner Freundin.«

      Der IT-Spezialist ging zur Wand, setzte sich auf den Boden und loggte sich im Netzwerk des Flughafens ein. In diesem Moment wurde Mutes wieder aus dem Ärztezentrum geschoben; von dem Arzt, der sie hergebracht hatte.

      »Wo bringen Sie sie hin?«, überfiel ihn Peter.

      »Ins SMZ-Ost«, antwortete der Mediziner, ohne anzuhalten.

      »Ah, in die Klinik Donaustadt. Wie geht es ihr?«, erkundigte sich Holzinger und bemühte sich, Schritt zu halten.

      »Gut, sie war kurz bei Bewusstsein. Wir haben sie sediert. – Der Krankenwagen wartet.«

      »Danke für die Info«, rief ihm Peter nach. Mit emporgestrecktem Daumen humpelte er zu Lucas zurück.

      Perez nickte erleichtert. »Wa … Was soll ich schreiben?«

      Holzinger diktierte ihm den Text.

      Nachdem die gewünschten Mails versandt waren, rappelte er sich auf und schaute seinem Chef fragend in die Augen: »Wa … Was hältst du von der Geschichte? Unfall oder Anschlag?«

      »Tendiere zu Unfall«, erwiderte der Oberstleutnant.

      »Kö … Könnte es mit dem Kongress in Laxenburg zusammenhängen?«

      »Kann ich mir nicht vorstellen ...« Er ließ eine Pause entstehen. »... oder weißt du mehr?«

      »Wa … Was wäre, wenn Tagungsteilnehmer an Bord waren?«, wich Lucas geschickt der Frage aus. »Du hast doch von rätselhaften Todesfällen rund um den Economy-Club erzählt.«

      »Ja. Lass uns das morgen als erstes checken. Ich hole die Freigabe ein und dann sehen wir uns die Passagierliste des heutigen Fluges an. Falls sich Übereinstimmungen ergeben, spuken mir ad hoc eine Menge Fragen durch den Kopf.«

      »Wi ... Wir sollten zurück in die Ankunftshalle. Vielleicht erfahren wir etwas Neues.«

      »Gute Idee, wenn wir schon hier sind. – Darf ich mich aufstützen, mein Stock ...«

      »Se … Selbstverständlich.«

      *

      Wie zwei verwundete Krieger, die sich vom Schlachtfeld schleppen, humpelten sie den Gang entlang. Von Weitem sahen sie die LED-Scheinwerfer der Fernsehstationen. Ein wenig abseits unterhielten sich vier Männer. Einer in feinsten Zwirn gehüllt, Anzug mit Krawatte, der andere trug eine schlammgraue Uniform, auf dessen Rücken mit großen Buchstaben ›WILDLIFE-CONTROL‹ aufgedruckt war. Ihre Funkgeräte blinkten und rauschten unentwegt.

      Sie sprachen mit zwei Polizisten.

      »Schau, da sind alte Bekannte von mir«, flüsterte Peter und nahm seine Hand von Lucas' Schulter. »Das ist aber ein Zufall ...«. Er stupste die beiden Uniformierten von hinten an.

      Rudolf Ophaus und Thomas Hene fuhren gleichzeitig herum.

      »Oh, der Herr Oberstleutnant Dr. Holzinger. Was treibt euch auf den Flughafen?«, begrüßte ihn der eine.

      »Ich ... Wir waren in der Unglücksmaschine. Darf ich euch vorstellen, das ist unser IT-Spezialist, Sprachentalent und Profiler Hauptmann Perez.«

      Sie schüttelten sich die Hände.

      »Das sind Flughafensprecher Karl Stein und der Leiter der Wildlife-Control, Dr. Elias Grünwald. Er ist für die ›tierische‹ Sicherheit am Flugfeld verantwortlich«, sagte Hene.

      Peter nickte grüßend und wandte er sich den Polizisten zu. »Und was treibt euch beide hierher? Scheint dienstlich zu sein ...«

      »Ja, unsere Expertise ist gefragt. Die Experten glauben nicht an ein technisches Versagen«, antwortete Thomas.

      Peters Neugier war geweckt. Er legte seine Stirn in Falten. »Sondern?«

      »Entweder war es ein Unfall, der von einem Vogelschlag ausgelöst wurde, oder aber ...«

      Hene ließ eine theatralische Pause entstehen.

      Mit einer rollenden Handbewegung forderte ihn Peter auf, weiterzusprechen.

      »Oder es war ein Anschlag.«

      »Wi … Wie? Ein Anschlag?«, mischte sich Lucas ins Gespräch.

      »Ein Attentat mithilfe einer Drohne. Herr Stein hat uns erzählt, dass die Austro-Control eine Anomalie bei der Landung des Jets auf dem Radarschirm hatte. Deshalb sind wir hier. Wie du weißt, leiten wir – Rudolf und ich – die Drohnenabteilung der Exekutive.«

      »Jetzt verstehe ich. Und diese Anomalie sagt nichts über Vögel oder Drohne aus?«

      »Ist schwer zu unterscheiden«, antwortete der Flughafensprecher. »Die Experten untersuchen bereits die Aufzeichnungen. Dr. Grünwald hat uns versichert, dass das Flugfeld um 18:00 Uhr frei von Vogelschwärmen war. Der letzte Schwarm wurde um fünf gesichtet. – Sie sagten, sie waren in der Unglücksmaschine?«

      »Ja. Wir saßen in der Reihe, wo sich der Notausstieg befindet. Hinter dem Flügel, – wegen meines Beines.«

      »Haben Sie etwas Ungewöhnliches beobachtet? Ist Ihnen etwas aufgefallen?«

      »Natürlich«, antwortete Holzinger, der sich plötzlich in die Rolle eines Verdächtigen gedrängt sah, den man verhörte. »Es gab, kurz vor dem Aufsetzen, einen Knall und dann schlugen Flammen aus dem Triebwerk, links unter uns.«

      In diesem Moment wurde nach Stein gerufen. Peter schaute in die Richtung, aus dem der Ruf kam. Zwei grüne Augen, umrahmt von einem blonden Ponyhaarschnitt, fixierten ihn. Er wandte seinen Blick nicht ab. Sah sie länger an, als er es sonst getan hätte. »Claudia?«

      Die Reporterin sprach ein tonloses ›Peter‹ zurück und nickte ihm zu.

      Lucas verfolgte das Schauspiel und boxte seinem Chef in die Rippen, der noch immer auf die Frau mit dem Mikrofon starrte. »Ha ... Habe ich soeben etwas versäumt?«

      Rudolf huschte ein Lächeln über die Lippen.

      »Frau Bigler, wir kommen sofort«, rief Stein zur Reporterin und wandte sich an die Gruppe: »Sie sehen, unser Typ wird verlangt. KURIER-TV lechzt nach einer Erklärung, die wir nicht geben können. Solche Interviews liebe ich. Und es wird heute nicht das Einzige sein«, seufzte er und hob grüßend die Hand.

      Grünwald nickte und wackelte dem Sprecher, wie ein treuer Dackel seinem Herrn, hinterher.

      »I ... Ich hab dich etwas gefragt, Herr Oberstleutnant: Was habe ich versäumt?«, spöttelte Lucas erneut, während Peter noch immer zur Reporterin schaute.

      »Ich glaube, er wird soeben von seiner Vergangenheit eingeholt«, flüsterte Rudolf ihm zu, ohne dass das Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. »Die Frau dort, die hätte ihm beinahe seinen Job gekostet.«

      »So ... So schlimm?«, raunte Perez zurück.

      Rudolf setzte eine ernste Miene auf, nickte und wandte sich an Holzinger, der seinen Blick noch immer nicht von der Interviewerin abwenden konnte. »Anscheinend gefällt sie dir nach wie vor ...«

      Peter schüttelte den Kopf und warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Jein!«, stieß er zornig hervor.

      »Wa ... Was nun? Ja oder Nein?«, ließ Perez nicht locker.

      »Sie ist meine Ex. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Und jetzt Ruhe im Karton ...«

      »Warum seid ihr in Amsterdam gewesen?«, wechselte Rudolf das Thema.

      »Wir waren in Den Haag. Antrittsbesuch bei der Europol. Unser erster Einsatz gilt einem Kongress in Laxenburg, Ende der Woche.«

      »Economy-Club?