Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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an seiner Fliege und rückte sie zurecht.

      »Ja, eine schlimme Sache.«

      »Drink gefällig?«, Gerard drehte sich zur Seite und hob die Jack-Daniel's Flasche ein Stück in die Höhe.

      »Warum nicht. – Kann ich gebrauchen. Es wird noch ein paar Minuten dauern, bis mein Freund hier ist.«

      »Das am Airport ist eine schreckliche Geschichte. Einige Gäste, die wir für heute Abend erwartet haben, sind an Bord gewesen. – Sogar unser Shuttleservice musste den Flughafen verlassen. – Die Chauffeure warten derzeit in Schwechat auf neue Anweisungen.« Der Barkeeper ließ – wie er es immer tat – mit einem lauten Klimpern die Eiswürfel ins Glas fallen.

      Craig zog seine Hornbrille von der Nase, legte sie auf die Theke und rieb sich die Nasenwurzel. Gerard goss den Whiskey ein, während er seinem Gast fragend in die Augen schaute. Erst als dieser seine Hand hob, setzte er die Flasche ab. Er hatte großzügig eingeschenkt.

      Craig beugte sich über den Tresen und senkte seine Stimme: »Soll das heißen, das Hotel kennt die Passagierlisten und weiß bereits, wer verletzt ist?«

      »Nein, wir sind nicht in den USA. – Offiziell wissen wir nicht mehr, wie jeder andere auch. Aber nachdem die Bundespolizeidirektion gleich nebenan residiert, hören wir ab und zu so manches, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Man braucht nur die Ohren zu spitzen, wenn sich zwei Polizisten an dieser Bar unterhalten. Und weil es nicht verboten ist, bzw. man nicht ›nicht zuhören‹ kann, gebe ich Gehörtes gerne an meine Kollegen an der Rezeption weiter. Sie verstehen ...?«

      Morrison massierte sich die Schläfe, griff nach dem Glas und nahm einen tiefen Schluck. »… und ist Ihnen etwas zu Ohren gekommen?«

      Gerard sah sich um, beugte sich zu seinem Gast und flüsterte: »Es gibt Tote. – War ein Funkspruch.«

      »Kennt man ihre Namen?«

      Der Barkeeper richtete sich auf, schüttelte verneinend den Kopf und wischte demonstrativ ein Trinkglas trocken.

      »Gerard, könnten Sie mich auf ihren ›Verteiler‹ setzen?« Craig zog seine Geldscheinklammer aus der Tasche und zupfte eine Banknote hervor, die er neben das Whiskeyglas legte.

      »Selbstverständlich.« Der Kellner lächelte und der Geldschein verschwand in der Westentasche.

      Craig drehte sich zu dem Zeitungsleser um und prostete ihm zu. Der Kahlköpfige nickte, griff nach seinem Glas und erwiderte die Einladung. Die beiden genehmigten sich einen Schluck.

      Ein Kerl in dunklem Zwirn, gut zwei Meter groß, hielt beim Betreten der Bar kurz inne und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Seine stattliche Statur erinnerte an einen Bodybuilder.

      Er trat zur Seite, um Voss den Weg freizugeben. Das Muskelpaket mit der Sonnenbrille setzte sich zu dem Mann mit der Zeitung, seinen Boss im Blickfeld.

      »Hi, Craig. Schön dich zu sehen«, begrüßte Hajo mit müder Stimme seinen Freund und umarmte ihn kraftlos.

      »Hallo altes Haus. Ist das dein Babysitter?«, Morrison deutete mit dem Kopf auf den Mann, während er seine Brille aufsetzte.

      »Ja, das ist er …«

      »Nicht zu übersehen.«

      »Ja, das ist beabsichtigt. Die Zeiten werden immer unsicherer ...«

      Craig nickte zustimmend.

      »Dieser dort ist meiner. – Darf ich dich auf einen Drink einladen?«

      »Ich hätte gerne ein Gläschen Wein.«

      Der aufmerksame Gerard hatte ihre Unterhaltung verfolgt und mischte sich ins Gespräch.

      »Rot oder weiß? Ich kann Ihnen Grünen Veltliner oder den Zweigelt empfehlen.«

      Der Niederländer drehte sich zum Barkeeper.

      »Haben sie einen Riesling?«

      »Selbstverständlich. Welschriesling vom Hillinger oder Lenz Moser.«

      »Egal. Hauptsache trocken.«

      Gerard nickte.

      Hajo kletterte auf den Barhocker.

      »Hast du noch immer nichts von deiner Tochter gehört?«, fragte Morrison.

      »Kein Lebenszeichen …«

      Hajo griff nach dem Weinglas.

      »... und du bist dir sicher, dass sie an Bord war?«

      »Meine Frau behauptet es felsenfest.«

      »Könnte sie eine andere Maschine genommen haben?«

      Hajo genehmigte sich einen großen Schluck. Sein Adamsapfel sprang mehrmals auf und nieder.

      »Um diese Zeit fliegt ausschließlich die Austrian Airlines. Irrtum ausgeschlossen.«

      »Kennst du zufällig ihre Zimmernummer?«

      »Natürlich, ich habe ihr das Zimmer neben meiner Suite gebucht«, erwiderte er und zeigte auf die Schlüsselkarte.

      Craig bedeutete dem Barkeeper, näher zu kommen.

      »Gerard, wissen Sie, ob eure Fahrer schon Infos zu den Fahrgästen erhalten haben, die sie am Flughafen abholen sollen?«

      »Was würde Sie im Speziellen interessieren?«

      »Zum Beispiel zu diesem Namen hier« flüsterte Craig und zeigte auf die Magnetkarte, während er mit dem Fuß Hajos Bein anrempelte.

      Als ob sein Freund Gedanken lesen könnte, zog dieser einen Zehn-Euro-Schein aus der Tasche und schob ihn unter das Weinglas.

      »Voss«, las Gerard laut von dem kleinen Umschlag ab und strich den Geldschein ein. »Werde mich sofort erkundigen. Vielleicht kann ich etwas in Erfahrung bringen. Bin gleich zurück.«

      Die Hoffnung zauberte ein angedeutetes Lächeln auf Hajos Gesicht.

      Craig klopfte ihm auf den Oberschenkel und griff nach seinem Whiskeyglas.

      »Cheers.«

      »Cheers.«

      Gerade als Hajo sein leeres Glas zurück auf die Theke stellte, eilte Gerard um die Ecke.

      »Gute Nachrichten?«

      »Weder – noch. Der Fahrer, – übrigens, ein lieber Freund von mir – unseres Shuttlebusses hat eine Frau Voss auf der Liste. Er wartet in Schwechat. Er hat mir versprochen, mich sofort anzurufen, wenn er seine Gäste aufgenommen hat ...«

      Der Barkeeper deutete auf die leeren Gläser.

      Sie nickten stumm.

      »Lass den Kopf nicht hängen. Wird schon schief gehen«, sprach Craig seinem Freund Mut zu.

      »Na hoffentlich nicht«, seufzte Voss und griff nach dem neuen Glas.

      *

      Eine bildhübsche Frau, Ende zwanzig, betrat die Bar. Sie hielt kurz inne; ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die Bodyguards hefteten ihre Augenpaare auf sie. Ging von ihr eine Gefahr für ihre Bosse aus? Das professionelle Taxieren wurde rasch von dem hormonellen Aspekt überlagert.

      Ihr waren die anerkennenden Blicke der Männer nicht entgangen. Sie lächelte und strahlte die Aura einer Kriegerin aus, die noch keinen Kampf verloren hatte. Die Botschaft war eindeutig: Im Geschlechterkampf würde sie obsiegen.

      Zögerlich wandten die Bodyguards ihre begehrlichen Blicke ab.

      Sie schritt zielgerichtet auf die Theke zu. Ihr pechschwarzes Haar hatte sie nach hinten gekämmt. Die bordeauxrote Husarenjacke mit den goldfarbenen Verzierungen und den hohen Stehkragen trug sie geschlossen. Der Minirock betonte ihre muskulösen Beine. Die Stiefeletten zierten kurze Kettchen und polierte Nieten, welche die punkige