Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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ein Schreiben haben wir ebenfalls erhalten!, rief plötzlich einer aus. »Aber nur einmal. Ich glaube, das war vor ungefähr drei Wochen«.

      Craig schaute in die Runde. Sein Blick blieb an Voss hängen. »Hajo du?«

      Der Niederländer zog die Kopie zu sich.

      »Nein. – Soviel ich weiß. Aber vielleicht hat meine Werkspolizei mehr.«

      Voss griff nach dem Smartphone. Drei der Gäste taten es ihm gleich, erhoben sich vom langen Tisch und schlichen um ihn herum, während sie ihre Mobiles ans Ohr pressten. Aus der Körpersprache seiner Freunde konnte er bereits ablesen, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.

      »Solltet ihr solche Drohungen erhalten haben, dann lasst euch Kopien mailen«, erhob Craig seine Stimme.

      Langsam nahmen sie wieder Platz.

      »Wie ich sehe, bin ich nicht der Einzige. Wer wird noch erpresst?«, fragte Morrison.

      Voss und drei Weitere zeigten auf.

      »Okay. Das ist für mich Beweis genug. Wir haben ein gewaltiges Problem. Was meint ihr, sollen wir den Kongress absagen?«

      »Nein. Warum nützen wir nicht das Treffen, um herauszufinden, wie viele von uns betroffen sind«, schlug Craigs Gegenüber vor.

      »Gute Idee. Ich bin im Anschluss beim Sicherheitsmeeting mit der Polizei. Soll ich erwähnen, was wir soeben herausgefunden haben?«

      »Das würde bedeuten, dass sie in unseren firmeninternen Angelegenheiten herumschnüffeln würden. Das gefällt mir nicht. Das möchte ich im Vorhinein mit meinem Board abstimmen«, warf eine Stimme ein.

      Die Teilnehmer zögerten. Schließlich schlossen sie sich dieser Meinung an.

      *

      In der Nacht hatte der Wind einen Zahn zugelegt. Das Tiefdruckgebiet über dem Balkan erwies sich als hartnäckig und schaufelte eine Schlechtwetterfront nach der anderen in die Stadt. Die Schneeräumdienste arbeiteten auf Hochtouren. Das Verkehrschaos war perfekt. Parkplätze Mangelware.

      Als Voss, Morrison und Costa vor dem Vienna-Plaza ins Freie traten, zischte ein schmaler Schneepflug lärmend vorüber, während er den Schnee mit seinem Pflug in hohem Bogen vom Gehsteig schleuderte.

      »Kann ich mitkommen?«, hörten sie Fredericas raue Stimme hinter sich.

      »Warum nicht«, erwiderte Craig, ohne lange nachzudenken.

      Sie stellten ihre Mantelkrägen auf und eilten durch das Schneegestöber zum Nachbarhaus. Rasch waren am Eingang die Formalitäten erledigt. Im letzten Stockwerk stiegen sie aus dem Aufzug.

      Costa rümpfte die Nase.

      »Modernes Gebäude, aber dieser Gestank muss sich bereits seit der Kaiserzeit hier angesammelt haben«, spöttelte er.

      Oberstleutnant Holzinger begrüßte seine Gäste am Gang und bat sie ins Konferenzzimmer, wo vier Tische zu einem großen zusammengeschoben waren. Sie warfen ihre Mäntel am Ende der Tafel übereinander. Kleiderständer: Fehlanzeige. Sie setzten sich auf die brüchigen Lederbespannungen der freischwingenden Stahlrohrsessel im Bauhausstil, die bei der geringsten Bewegung knarzten und breiteten ihre Unterlagen vor sich aus.

      »Danke, dass Sie gekommen sind«, eröffnete Peter das Meeting. »Bevor wir ins Detail gehen, möchte ich eine Sache abklären. Ich habe vorhin mit dem Ermittlungsleiter am Wiener Flughafen gesprochen. Er teilte mir mit, dass es sich gestern bei dem Flugzeugcrash um einen Anschlag gehandelt hat. Eine schwere Drohne wurde absichtlich in das Triebwerk gesteuert.«

      Die Gäste schauten einander mit regungsloser Miene an, als wollten sie ihre Gedanken dahinter verbergen.

      »Wir haben uns mittlerweile die Passagierliste angesehen und sie mit den Kongressteilnehmern abgeglichen«, setzte Holzinger fort. »Herr Voss Ihr Name steht auf der Liste. Waren Sie in dem Flugzeug?«

      »Nein. Ich bin gestern Vormittag aus Frankfurt angereist und habe mein Ticket an meine Tochter weitergegeben. Sie ist eine der Toten«, antwortete Hajo, der den Tränen nahe war.

      »Herzliches Beileid«, kondolierte Holzinger und kritzelte Notizen in sein kleines Büchlein.

      »Wi ... Wir haben recherchiert.« Lucas schob seinen Gästen die Ausdrucke der Presseartikel zu. »Viele ihrer namhaften Teilnehmer sind Bosse großer Konzerne. Einige dieser Firmen hatten vor nicht allzu langer Zeit eine äußerst schlechte Presse. Zudem sind zwei ihrer Vorstandsmitglieder des Economy-Clubs im letzten Halbjahr ums Leben gekommen«, fasste Lucas zusammen. »Wir gehen davon aus, dass das alles in einem Zusammenhang steht. Herr Voss, Ihr Unternehmen ist in einen Abgasfilter-Skandal verwickelt. Mister Morrison, Sie haben Probleme mit der Gewerkschaft, die behauptet, dass Sie Ihre Angestellten ausbeuten würden. Und bei Ihnen ...«, Perez wandte sich an Costa, »Sie haben sich an einem Abfallbeseitigungsunternehmen beteiligt, das in Italien nicht den besten Ruf hat. Die Liste könnte ich mit einigen ihrer Mitglieder fortsetzen. Alles Presseberichte.«

      »Ich möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass wir nicht im Namen der österreichischen Polizei sprechen«, fügte Holzinger mit Nachdruck hinzu. »Wir sind von der Europol. Sollte sich unser Verdacht erhärten, dann sind wir zuständig. Länderübergreifend.«

      Craig schlug seine Mappe auf und zog die Kopien der Erpresserbriefe hervor. Er legte den Finger darauf und warf seinen Freunden einen kurzen Blick zu, als würde er sie um ihr Einverständnis bitten.

      Costa nickte, worauf Morrison die Blätter dem Kriminalbeamten zuschob.

      Holzinger und Perez steckten die Köpfe zusammen und lasen die Drohungen.

      Lucas versetzte seinem Chef einen leichten Stoß in die Seite.

      »Ist dieses hier das einzige Erpresserschreiben?«

      Morrison zierte sich. »Nein. Leider darf ich solche Infos über unsere Mitglieder nicht weitergeben. Da müssen Sie sie schon persönlich fragen.«

      »Wir haben ebenfalls eines erhalten«, meldete sich Voss kleinlaut zu Wort.

      »We … Wer noch?«, forderte Lucas seine Gäste auf.

      Nach einer kurzen Diskussion ließ sich der Amerikaner breitschlagen. Er schrieb die Namen und Firmen auf ein Blatt Papier, bei denen sich die Kriminalbeamten erkundigen sollten.

      Richard Tomacic streckte seinen Kopf ins Zimmer.

      Holzinger winkte ihn zu sich und zeigte auf den Platz neben ihm. »Tomacic. Ein Mitarbeiter von uns«, stellte er ihn vor.

      Sie nickten einander grüßend zu.

      »Wi ... Wir würden gerne auf Ihre digitalen Netzwerke Zugriff haben, um zu überprüfen, ob zwischen Ihren Angestellten Querverbindungen existieren«, versuchte sie Perez zu überrumpeln.

      »Sie wollen auf unsere Datenbanken zugreifen? – Nur mit Gerichtsbeschluss.«, lehnte Costa ab. »Wir kooperieren gerne mit Ihnen, aber das würde einen Schritt zu weit gehen. Was versprechen Sie sich davon?«,

      Perez fragte sich, mit wie vielen Staatsanwaltschaften er wohl verhandeln müsste, um eine gerichtliche Erlaubnis zu erhalten. Er hatte weder einen konkreten Tatverdacht, noch konnte er den Unternehmen kriminelles Handeln nachweisen.

      Ein aussichtsloses Unterfangen.

      Könnten ihm seine Kollegen in Den Haag weiterhelfen?

      »Mi … Mister Morrison, ich brauche das Original«, forderte ihn Perez auf und schob ihm seine Visitenkarte zu.

      »Das ist kein Problem. Ich lasse es Ihnen mit DHL-Express sofort zuschicken.«

      Craig griff nach der Karte, stellte sich ans Fenster und telefonierte mit seiner Sekretärin.

      »Unser Original ist bei der niederländischen Polizei«, mischte sich Voss ein.

      »Danke.