Isabella Kniest

The sound of your soul


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das man normalerweise nicht mehr in Erwachsenen vorfand. Es war ein Leuchten, das alleine Kinder zu zeigen vermochten – eine Unbeflecktheit, ein Glauben an Magie und Wunder.

      »Ist Ihre Schicht zu Ende?«

      Er bejahte – und mir fiel etwas ein. »Aber wenn Sie in dieser Bar kellnern, müssen Sie bereits einige hübsche Frauen angetroffen haben.«

      »Nun fangen Sie abermalig damit an?« Verständnislosigkeit drängte seine Freude zurück. »Sie können wahrlich kein Kompliment annehmen, oder?«

      Ich zuckte die Achseln. »Männer machen mir keine Komplimente.«

      Keine Ehrlichen.

      »Das sollten Sie aber«, erwiderte er prompt.

      Nun wurde es mir etwas zu warm. Darum versuchte ich, abzulenken. »Wie ist es, hier Getränke auszuteilen? Können Sie sich mit den Sängern unterhalten? Oder verschwinden diese nach dem Auftritt sofort?«

      »Was faselst du da?«, kam es jäh von der Kellnerin, die meiner hübschen Gesellschaft das Wasser hinstellte. Keinen Moment später schaute sie zu mir. »Er hilft nur ab und zu aus. Normalerweise –«

      »Du musst diesen Sachverhalt nicht andauernd an die große Glocke hängen!«, unterbrach er sie unsicher. »Das mag ich nicht – und das weißt du ganz genau!«

      Was ging denn nun ab?

      »Aus dem Grund tue ich es ja!« Mit einer sich zunehmend verhärtenden Augenpartie legte die Servierkraft das dunkelbraune Tablett auf den Tisch. »Du kannst viel mehr von dir halten! Du hast großes Talent, aber spielst es andauernd herunter, als wärst du irgendein drittklassiger Amateur!« Um ihren für mich nicht nachvollziehbaren Standpunkt klarer zu machen, stemmte sie die Hände in die Hüften.

      »Aber ich bin nicht besser als der Durchschnitt!«, erwiderte er.

      Sie schüttelte theatralisch das Haupt, wodurch ihr Haar sanft wie blühendes Schilf hin und her schaukelte. »Es ist hoffnungslos mit dir!«

      Ich blickte zwischen den beiden hin und her. »Worum geht es, wenn ich fragen darf?«

      Gütig-verschmitzt lächelte sie mich an. »Er spielt Sax. Wie ein Gott!«

      Mir wurde es kalt.

      Er war Musiker?

      Na ganz fein!

      Dann ging es ihm tatsächlich um ein sexuelles Abenteuer!

      Warum hatte ich mir für eine Millisekunde etwas Gegenteiliges erhofft? Nach derart vielen Jahren musste ich es längst besser wissen! Himmelherrgott! Gerne hätte ich mir selbst Gewalt angetan.

      »Übertreib nicht solcherweise!« Die hysterische Stimme des Mannes riss mich aus meinem Selbstmitleid und nötigte mich, mich ihm zuzuwenden.

      Seine Wangen erwärmten sich.

      »Ich habe noch niemanden derart erotisch spielen gehört«, säuselte die Kellnerin.

      »Du bist unmöglich!«, presste er hervor. Seine rechte Hand, welche krampfhaft seinen linken Unterarm festhielt, sprach von enormem Unbehagen. »Das gibt es gar nicht!«

      Die sanfte Wärme seiner Wangen hatte sich in der Zwischenzeit in ein kräftiges dunkles Rot verwandelt, wodurch seine klaren Augen erheblich strahlender anmuteten.

      Ich musste mir eingestehen: Seine Beschämung schenkte seinem niedlichen Äußeren noch dreimal mehr Liebreiz und Kuschelfaktor.

      »Dein Spiel klingt wie heißer Sex in einer ebenso heißen Sommernacht.«

      Dies brachte den Musiker gänzlich aus der Fassung – davon bezeugten seine traumatisierten Gesichtszüge wie seine versteifende Körperhaltung. »Hast du komplett den Verstand verloren?! Wie kommst du darauf, solche Sachen auszusprechen?«

      Sie kicherte. »Ich sage einfach, was stimmt. Und dass du dich zu ihr gesetzt hast, bedeutet, dass du heute einmal etwas extrovertierter bist.«

      Einmal etwas extrovertierter?

      War er normalerweise etwa scheu? Reagierte er deshalb dermaßen heftig? Rührte daher sein eigenartig selbstsicheres wie zurückhaltendes Auftreten?

      Halt! Er war doch Musiker! Da konnte er gar nicht scheu sein. Vielleicht nervös vor dem Auftritt … heftiges Lampenfieber – davon berichteten Stars und Sternchen ja immer wieder. Scheue hingegen passte da rein gar nicht ins Profil.

      »Flirtet er sonst nicht?«, fragte ich vorsichtig.

      Die junge Frau bejahte, der Saxofonspieler versteifte erheblich mehr und ich wusste allmählich nicht mehr, was ich von all diesen neuen Erkenntnissen halten sollte … zumal ich keine Zeit bekam, um diese vernünftig auszuwerten.

      »Ich habe dich lange nicht mehr an einem besetzten Tisch gesehen.« Ihr Blick durchbohrte ihn förmlich. »Gefällt sie dir?«

      Diese plumpe, rotzfreche und erst recht nicht taktvolle Äußerung der Kellnerin verwandelte des Mannes Antlitz in eine Leuchtrakete.

      Es war ein köstlicher Anblick. Dessen ungeachtet erhob sich in mir das zwingende Bedürfnis, den Musiker in Schutz nehmen zu wollen.

      Ich wusste zu gut um dieses beschämende Gefühl des Bloßgestellt-Werdens Bescheid. Es war grauenhaft, seelenvernichtend, entwürdigend und schier körperlich schmerzhaft.

      »Sie haben ihn genug in Verlegenheit gebracht, oder?«

      Vollumfänglich verunsichert doch ebenfalls große Dankbarkeit zum Ausdruck bringend, blickte der Mann kurzzeitig zu mir, ehe dieser sich zur Kellnerin zurückdrehte. »Vermutlich wäre es besser, noch etwas auszuhelfen. Nun hast du mir nämlich die gesamte Tour vermasselt.«

      Das brachte neben der jungen Frau selbst mich zum Lachen – allerdings einzig aufgrund der Tatsache, auch ihn ungezwungen lachen zu sehen.

      Seine Reaktion ließ auf zwei wichtige Dinge schließen. Erstens: Der Musiker fühlte sich nicht tief verletzt. Zweitens: Es ging nicht um ein beginnendes Mobbing oder absichtliche Sticheleien vonseiten der Kellnerin. Ergo: Das freche Verhalten war ihr Naturell – und der Musiker hatte damit keine groben Schwierigkeiten.

      Das vehemente Kopfschütteln der Servierkraft lenkte meine Aufmerksamkeit auf diese zurück. »Du bleibst schön brav hier und unterhältst dich mit ihr. Ich habe dich seit Ewigkeiten nicht mehr mit anderen reden gesehen. Außerdem hast du die letzten Wochen permanent durchgearbeitet. Erhole dich ein wenig.«

      Eine überfallsartige, mir einen brennenden Stich versetzende Ernsthaftigkeit verscheuchte alle fröhlichen Gefühlsregungen des jungen Mannes. »Aber, du weißt –«

      Ein Nicken ihrerseits ließ ihn verstummen. »Ja, doch leider geht das nicht mehr. Du hast die Chefin gehört. Und ich würde ja, wenn mein Freund nicht so durchgeknallt wäre. Du weißt, wie er ist.«

      Nun war er es, der nickte.

      Worum ging es jetzt wohl?

      Sie griff nach dem Tablett. »Bis Ladenschluss ist es kein Problem, nur dann …«

      Der Musiker nickte ein zweites Mal.

      »Genieße es.« Dies gesprochen verließ sie uns.

      Und meine Neugier war endgültig entfacht. Ich trank den letzten Schluck Kakao, dann konnte ich mich nicht mehr davon abhalten, ihn auf den geheimnisvollen Dialog anzusprechen.

      »Die letzten Sätze klangen überaus dramatisch. Gibt es Schwierigkeiten?«

      »Nein, nein, es handelt sich bloß um etwas Dienstliches«, wehrte er ab und klärte die Stimmbänder. »Erzählen Sie mir noch etwas über sich? Über mich wissen Sie nun ohnehin bestens Bescheid.«

      Offenbar sprach er nicht gerne über sich – was ihm neue Sympathiepunkte einbrachte.

      Ich mochte Männer nicht, die überheblich über ihre tausend Hobbys und Erfolgsgeschichten berichteten. Auszeichnungen hier, Ehrungen da, Siege dort – es widerte mich an. Was aber nicht bedeutete, ausschließlich