Isabella Kniest

The sound of your soul


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… und sobald sie hatten, was sie wollten, schlugen sie erbarmungslos zu. Dabei waren es die Männer, welche Frauen die große Liebe vorgaukelten, einzig um sie kurz darauf stehenzulassen – nein, fallenzulassen, in einen dunklen Abgrund …

      Männer betrogen ihre Ehefrauen, kümmerten sich nicht um ihre unehelichen Kinder oder schlugen gar ihre Familie. Aber es war ja bekanntlich leichter, eine hübsche Frau zum Sündenbock zu degradieren, anstatt seine eigene Schwäche einzugestehen und zu sagen: »Ja, ich fand sie schlicht und ergreifend attraktiv und deshalb habe ich meine Frau betrogen.«

      Wie hieß es noch gleich?

      Zu einem Betrug gehören immer noch zwei.

      Selbst wenn eine wunderschöne Frau einen verheirateten Mann bezirzte, bedeutete dies noch lange nicht, seinen Trieben nachzugeben und mit ihr ein Techtelmechtel anzufangen. Falls einem Mann etwas an seiner Ehefrau lag, hinterging er diese nicht. Punkt. Alles andere waren billige Ausreden. Ebenso verhielt es sich vice versa. Entweder man war treu und liebte einander, oder man musste sich trennen.

      Fatalerweise lief es heutzutage nicht mehr auf diese einfache, korrekte Weise. Vor allem, da Männer sich seit jeher in die Opferrolle hüllten – betrogen und ausgenutzt von Frauen, von der Arbeit, von Kollegen, von der Welt …

      Und schließlich folgte das i-Tüpfelchen: die Mütter.

      Hatte eine Frau mehrere Kinder und darunter befand sich ein Sohn, wurde dieser zumeist verhätschelt ohne Ende. Insbesondere, wenn dieser überdurchschnittlich schlecht in der Schule war und selbst rein gar nichts auf die Reihe brachte. Dann bekam dieser Geld zugesteckt, erbte später Haus und Hof … und allfällige Töchter? Die mussten schauen, wo sie blieben.

      Ach ja, die armen Männer! Mein Mitleid hielt sich in Grenzen.

      »Gefällt Ihnen das Lied?«

      Ich drehte mich zu Tom.

      Ich musste gestehen, kurzzeitig hatte ich ihn vergessen.

      Meine gedanklichen Ausschweifungen wurden von Jahr zu Jahr schlimmer …

      Toms durchdringender wie fragender Gesichtsausdruck brachte mich komplett in die Realität zurück.

      Ich wollte mich doch längst auf dem Nachhauseweg befinden!

      Verfluchte Musik!

      Immer dasselbe! Vernahm ich ein schönes Lied, konnte ich mich nicht davon abhalten, es bis zum Schluss anzuhören.

      Seufzend lehnte ich mich zurück.

      »Sara?« Tom sah mich nach wie vor neugierig an. »Gefällt Ihnen dieses Lied?«

      »Ja.«

      Er lächelte vergnügt. »Dann erzählen Sie mir, weshalb.«

      Langsam wurde mir dieser Typ zu aufdringlich – und in exakt diesem Augenblick endete der Song.

      Wahrhaftig, Halleluja!

      »Tut mir leid, ich muss jetzt gehen. Morgen habe ich noch einige wichtige Dinge zu erledigen.«

      Ein Schatten flog nahezu unmerklich über Toms Gesichtszüge, welcher durch ein einladendes, antrainiertes Lächeln restlos bekämpft wurde. »Kann ich Sie irgendwie überreden, noch etwas länger zu bleiben?«

      Ernsthaft?

      Allmählich musste er begreifen, dass ich kein Interesse an einem One-Night-Stand hegte und sein Hypnose-Seelenblick an mir längst abgeprallt war.

      Stumm schüttelte ich den Kopf – und Tom wirkte sichtlich verzweifelt.

      Ich verstand seine Reaktion nicht. Eigentlich verstand ich diesen Menschen per se nicht. Deshalb, und angesichts meiner Lebenserfahrung und das daraus erwachsene Misstrauen fremden Personen gegenüber, entschied ich mich, nach meiner Tasche zu fassen und aufzustehen.

      »Kommen Sie bald wieder vorbei?« Die Traurigkeit in seiner Äußerung war trotz der Musik unüberhörbar.

      Ein guter Schauspieler.

      Wollte er mich warmhalten?

      »Das weiß ich noch nicht. Wie gesagt: Ich gehe nicht gerne aus, da ich alleine nicht weiß, was ich machen soll.«

      Ein kindliches Strahlen schenkte dem Musiker diese zuckersüße Niedlichkeit, gegen welche ein jedes Katzenbaby und erst recht jede Anime-Zeichnung alt aussah. »Nun … ab jetzt können Sie sich mit mir unterhalten! Wir können über die verschiedensten Themen plaudern. Sie werden nicht mehr allein dasitzen müssen. Ich leiste Ihnen gerne Gesellschaft.«

      Für eine Sekunde schloss ich die Lider.

      Gleichermaßen wie er mir auf die Nerven ging, berührte mich seine liebevolle Hartnäckigkeit.

      »Wir werden sehen.«

      »Nein, Sie müssen es mir versprechen.« Er erhob sich – langsam, elegant, selbstsicher. Da war keine Schüchternheit mehr. Von einer Sekunde auf die andere verhielt er sich wie jemand, dem die gesamte Welt gehörte.

      Dies gab Raum für drei Vermutungen: Entweder litt Tom an Schizophrenie oder einer ähnlichen Geisteskrankheit, versuchte er durch seine Körpersprache seine große Unsicherheit zu überspielen oder aber, er mimte den schüchternen Jüngling.

      Die dritte Theorie erschien am wahrscheinlichsten. Alsbald Tom bemerkt hatte, dass er mit seinem Shy-Guy-Verhalten bei mir nicht landen konnte, versuchte er eben eine andere Methode.

      Es war logisch. Es war typisch. Es war die einzige vernünftige Erklärung.

      Bestimmt dachte Tom, durch seine Attraktivität sowie dem Dackelblick mich im Handumdrehen einwickeln und eine kurze Nummer mit mir schieben zu können.

      Mein Hass wuchs im Takt meines ankurbelnden Herzschlags, brannte in meinem Magen, krampfte in meinen Muskelsträngen.

      Verdammte Menschen!

      Verdammte Männer!

      Verdammtes Leben!

      »Auf Wiedersehen.«

      Ohne mich noch einmal umzudrehen, ging ich zur Garderobe, langte nach meinem Mantel und trat hinaus in die eisige Nacht.

      Alleinsein stellt das höchste Gut dar,

      Einsamkeit den tiefsten Schmerz

      Ich erwachte am frühen Morgen nach einer von Albträumen durchsetzten Nacht, in welcher ich eine ausgedehnte Tiefschlafphase herzlich vermisst hatte und ich mich nun ähnlich erschöpft fühlte wie vor dem Zubettgehen. Den Barbesuch hätte ich besser sein lassen sollen. Zu viele fremde Menschen auf einem Haufen und Lärm gepaart mit mir unmöglich einzuschätzenden Situationen brachten mir stets unruhige Nächte.

      Ich streckte mich.

      Tom.

      Ein sachter Adrenalinausstoß jagte mir quer durch die Blutbahn.

      Alsbald mein Gehirn diesen Namen hervorgebracht hatte, sah ich seine durchdringenden, mich liebevoll betrachtenden Augen vor mir.

      Gerne hätte ich gewusst, welche Farbe sie trugen …

      Wie sahen sie aus, wenn die Strahlen der Sonne sie beschienen?

      Himmelherrgott!

      Welche Dinge kamen mir da in den Sinn?! Es wurde stündlich schlimmer mit mir!

      Behäbig stemmte ich mich hoch, schlurfte ins Bad und duschte mich. Nach einem ausgiebigen Frühstück, das aus einem Dinkeltoast mit Tomaten, Mozzarella, ein wenig Ketchup und einer heißen Tasse Kakao bestand, setzte ich zu meinem wöchentlichen Wohnungsputz an. Da ich wochentags arbeitete und Samstag meinen Erholungstag bildeten, hatte ich mich vor einigen Jahren dazu entschlossen, Putzarbeiten stets auf Sonntag zu verlegen. Erstens waren sämtliche Geschäfte geschlossen, womit ich nirgendwo großartig hingehen konnte, zweitens bereitete ich mich dadurch auf den Start in eine neue Woche vor.

      Indessen