John Marten Tailor

SINODIS


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Ich kann sofort eingreifen, sollte etwas passieren. - Schau mich an!« Er umfasste mein Kinn. Sein Kuss sollte mich wohl beruhigen.

      »Bis später. Es dauert nicht lange.«

      »Jack, ich liebe dich mehr, als tausend Worte ausdrücken könnten.« Er warf mir einen Handkuss zu, dann stieg er in den Geländewagen. Ich kletterte in das vordere Fahrzeug zu Alfons. Jack und der andere Fahrer folgten uns im zweiten Wagen, wie es abgesprochen war. Immer wieder schaute ich mich um, auch Alfons kontrollierte automatisch alle paar Sekunden den Rückspiegel. Er fuhr zügig und extrem sicher. Wir hatten bereits einige Kilometer zurückgelegt auf einer Straße, die diese Bezeichnung nicht verdiente, und die sich oberhalb der Küste entlang schlängelte. Aus dem Seitenfenster hätte ich einen phantastischen Blick auf das Meer gehabt. Hätte. Plötzlich gab es ein ohrenbetäubendes Krachen, gefolgt von einem undefinierbaren Knirschen. Die Erde bebte. Alfons trat abrupt auf die Bremse. Hier strafte mich meine Zerstreutheit. Ich hatte vergessen, mich anzuschnallen, mit der Folge, dass ich gegen den vorderen Sitz geschleudert wurde. Der Wagen rutschte über den Schotter und kam zum Stehen. Benommen drehte ich mich um. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Jacks Geländewagen die Klippen hinunterstürzte. Die Ereignisse liefen wie in Zeitlupe ab. Ich schrie, was meine Lungen hergaben. Alfons schob den Vorwärtsgang rein und trat aufs Gas.

      »Stopp! Sofort anhalten!« Aber stattdessen fuhr der Wagen einfach weiter, beschleunigte sogar. »Sie sollen anhalten!«, kreischte ich.

      »Halten Sie den Mund!« Alfons hatte auf dem Wasser ein Fischerboot entdeckt, dieses versuchte er anzufunken, aber er konnte wegen meines Kreischens nichts verstehen.

      »Verzeihung, aber wir wollen Jack retten, oder? Ich habe einen Fischer am Funkgerät. Bitte Ruhe.« Er nannte auf Französisch die ungefähren Koordinaten. »Retten Sie beide Insassen. Es soll nicht Ihr Schaden sein. Sie werden großzügig entlohnt.« Der Fischer funkte zurück:

      »Oui, oui«, dann kehrte Stille ein.

      »Sehen Sie Amily, wir tun unser Möglichstes. Haben Sie ein wenig Zuversicht. Es wird alles wieder gut.« Außer dem monotonen Motorengeräusch nahm ich nichts mehr wahr. Wir hingen unseren Gedanken nach. Ich malte mir die fürchterlichsten Szenarien aus. In mir tobte die nackte Angst um meinen Zukünftigen. Alfons schaute fortwährend zu mir rüber, aber seine Sorge galt nicht mir. Gebete gen Himmel hatte ich schon vor langer Zeit aufgegeben, aber hier ging es nicht um mich, sondern um den Mann meiner Träume.

      Ich liebe doch meinen Jack so sehr! Gott, warum tust du mir das an? Wie konnte das nur geschehen? Ich fühlte mich bestraft, nur für was?

      »Ja, ja, die Liebe«, meinte Alfons. »L`amour.« Während der restlichen Autofahrt rüttelte es uns immer wieder ordentlich durch.

      »Wir sind gleich da.« Gegen Mittag erreichten wir den Stadtrand des zweiten Etappenziels, Chambery. Ich wollte ohne Jack nicht mehr weitermachen, es war mir und ihm gegenüber so ungerecht. Der Geländewagen verschwand direkt in einer von der Straße uneinsehbaren Tiefgarage, die von zwei Männern bewacht wurde. Ich schaute skeptisch. War das wirklich nötig? »Wo sind wir hier?« Das Haus, welches zu der Garage gehörte, war ein Privathaus. Der Franzose sagte:

      »Es ist alles in Ordnung, keine Sorge.« Er hatte gut reden. Dann fragte er die Wachen, ob die Fracht schon angekommen sei.

      »Ja, vor zwanzig Minuten.«

      »Gut, gut, danke. Kommen Sie, Amily, ich bringe Sie jetzt zu Ihrem Zimmer. In zwei Stunden hole ich Sie ab, somit haben Sie genügend Zeit, sich von der anstrengenden Autofahrt zu erholen oder frischzumachen. Hier ist der Schlüssel.« Mittlerweile standen wir vor einer Tür, ich bedankte mich und schloss sie auf. Mein Aufschrei war nicht zu überhören, meine Beine wollten mir den Dienst versagen, ich weinte, als wäre die Welt untergegangen.

      »Alfons, da ist Jack!« Ich hatte mich noch nie im Leben so gefreut. Stürmisch umarmte ich meinen Beschützer, drückte ihm einen Schmatzer auf den Mund und fiel Jack in die Arme. »Jack, mein Jack!«, überschüttete ich ihn mit meinem Gefühlsausbruch. »Alfons! Wie haben Sie das gemacht?« Aber der hatte die Tür schon lautlos hinter sich zugezogen. Am liebsten wollte ich Jack gar nicht mehr loslassen. »Du lebst!«

      »Amily, setz dich bitte aufs Bett.« Ich tat wie mir geheißen. Sein Gesichtsausdruck war extrem ernst.

      »Okay, ich höre?«

      »Ich habe den Leuten hier dieses grüne Ding gezeigt, du weißt schon, die Stecknadel. Und tatsächlich ... Die meinten, dass es mit einem Nervengift getränkt war, gewonnen aus dem gefleckten Schierling. Ich habe riesiges Glück gehabt. Koniin lähmt nämlich auch die Atmung. Wenn das Zeug nicht chemisch modifiziert worden wäre ... wäre ich mit Sicherheit gestorben.«

      »Ach du liebe Güte.« Ein dicker Kloß blockierte meinen Hals. Er setzte sich dicht neben mich.

      »Ja, dank dir sitze ich heute überhaupt hier. Durch das Wasser konnte das Gift zügiger ausgeschwemmt werden.«

      Das hatte ich gehofft. Dann ließ ich noch einmal den letzten Strandbesuch gedanklich an mir vorbeiziehen.

      Das Meeresufer war menschenleer gewesen, wie stets. Es war aber nicht auszuschließen, dass jemand in den Büschen gelauert haben könnte. Jemand mit einem Blasrohr?

      »Hattest du in den Dünen nicht das Gefühl, dass dich etwas gestochen hat?«

      »Allerdings. Aber dort war niemand.«

      »Offensichtlich doch.« Ich presste Jacks Oberkörper auf das Bett, legte mich auf ihn und küsste ihn leidenschaftlich, dabei liefen mir unentwegt die Tränen.

      »Ich bin nur froh, dass du heil davongekommen bist, Amily.«

      »Jetzt erzähl, was war los?«

      »Ich hatte ständig euren Jeep im Blick. Alfons ist ja gefahren wie ein Berserker. Mein Fahrer hat etwas mehr Abstand gelassen, weil die aufgewirbelten Steine herumflogen wie Granatsplitter. Aus heiterem Himmel brach eine Autolänge des Küstenweges vor uns weg. Keine Chance noch etwas zu unternehmen, der Wagen wurde steil nach unten katapultiert. Instinktiv habe ich mich mit Händen und Füßen am Vordersitz abgestützt. Beim Aufprall auf dem Wasser zerbrach die Windschutzscheibe. Gleichzeitig bekam ich die hintere Tür auf, dann ging alles blitzschnell. Der Wagen lief in Sekunden voll. Die Tasche hatte ich Gott sei Dank noch um. Wir tauchten aus dem Autowrack an die Oberfläche und wollten an Land schwimmen, wahrscheinlich hätten wir das auch geschafft, doch ein Fischerboot kam auf uns zu, dessen Besatzung uns an Bord nahm. Sie setzten Kurs auf den nächstgelegenen Hafen und dort hat uns ein Geländewagen abgeholt. Nun bin ich hier, bei dir.«

      »Oh Jack, ich bin so froh, dich zu sehen! Die Sorge hat mich fast wahnsinnig gemacht. Alfons hat einen Fischer angefunkt, nachdem ihr abgestürzt wart, das habe ich mitbekommen, aber danach war ich nicht mehr aufnahmefähig.« Er hörte zu, saugte jedes Wort auf, das meinen Mund verließ, dabei war er derjenige, der beinahe sein Leben eingebüßt hatte. Mein Gesicht in seinen Händen haltend, gab er mir einen Kuss auf die Wange. Ich rümpfte unwillkürlich die Nase.

      »Was ist das? Du stinkst wie eine Kläranlage, das rieche ich jetzt erst. Geh duschen!«

      »Entschuldige.« Er sprang förmlich aus seinen Sachen.

      »Kommst du mit?« Natürlich würde ich mitgehen, so etwas ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell hatte ich mich meiner Klamotten entledigt. Das Wasser rieselte lauwarm aus dem Duschkopf. Mr. Absturz sollte sein blaues Wunder erleben. Ich wollte alles von ihm, bevorzugte eine Stellung, die mir den höchsten Grad der Befriedigung bot. Ich schaute ihm in die Augen, legte meine Arme auf seine Schultern, Jack half kurz nach, dann umschlossen meine Beine seine Hüften. Die Magie der Leidenschaft entfesselte unsere Sucht nach einander. Diesen Augenblick sollte er so schnell nicht vergessen.

      »Wie konntest du einfach ins Meer stürzen, du hattest dazu keine Erlaubnis.« Er hielt mich fest an meinem Po und steuerte das Geschehen. Die Energie entlud sich mit einem Knall.

      Doch er hatte vor, die Seine in ihre Schranken zu weisen, mir kam es vor, als hätte