John Marten Tailor

SINODIS


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im Stillschweigen und zum Wohle der Menschheit nach Frankreich zu schaffen, genauer gesagt nach Paris, in die Kirche Sacré Coeur de Montmartre. Dort gäbe es nur eine Person, die die Rolle überhaupt entgegennehmen dürfe, nämlich Monsieur Lavida Nivelle, der Verwalter. Weiter wurde in diesem Brief gemahnt, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Ich fand das etwas dick aufgetragen. »Aha! Sacré Coeur. Das war damit gemeint.« Mehr und mehr wurde mir die mir auferlegte Verantwortung bewusst. Schließlich wurde mir bereits mehr als einmal gesagt, dass ich die Überbringerin sein sollte. Das erste handgeschriebene Dokument stammte aus der Nazizeit und beinhaltete Angaben über Führungspositionen, Personen und deren Aufenthaltsorte sowie Angaben über deren unbeschadetes Überleben des Zweiten Weltkriegs. Mir wurde ganz mulmig.

      »Was für ein Fund«, flüsterte ich fasziniert. Das zweite Dokument war auf Latein und handelte vom Vatikan, aber ehrlich gestanden war mein Latein seit der Schulzeit extrem eingerostet. Ich schaute Jack mit tränenverhangenem Blick an.

      »Wenn du das hier sehen könntest, Schatz, es ist unglaublich.« Das dritte Dokument stammte von den Templern. Ich erkannte es sofort an dem alten Siegel. Von den Templern, unfassbar!

      SIGILLUM MILITUM CHRISTI (Siegel der Soldaten Christi).

      Die Templer waren ein Ritterorden, dessen Gründung infolge des ersten Kreuzzuges stattgefunden hatte, bis Papst Clemens V ihn am 22.03.1312 aufgelöst hatte. Ich konnte jedenfalls mit diesem unleserlichen Text nichts anfangen, dazu benötigte man einen Code. Mich traf der Schlag, als ich das letzte Schriftstück genauer betrachtete. Ich konnte gar nicht fassen, was ich in meinen Händen hielt. Das Dokument war eindeutig Alexander dem Großen zuzuordnen. Ich erkannte das, weil ich während des Abiturs eine Studie darüber schreiben musste. Als Teenager hatte ich es gehasst, weil ich sie erstellen musste, jetzt war ich dankbar dafür. Da hatte meine alte Lehrerin, Frau Funke, doch recht behalten als sie sagte, wer weiß, wofür es später noch gut ist.

      Du lieber Gott, was für ein Fund! Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich, Amily Simon, etwas derart Wertvolles jemals zu sehen bekommen würde. Einzig die Tatsache, dass wir, um das Dokument zu entschlüsseln, einen Spezialisten bräuchten, trübte meine Euphorie. Wie konnte ich an den- oder diejenige herankommen? Allerdings …

      »Jack, ich glaube, wir befinden uns in großer Gefahr. Ich verstehe nur nicht, warum ausgerechnet uns die Verantwortung auferlegt wurde, die Dokumente zu beschützen. - Ach, du kannst mir ja nicht antworten.« Ich packte alles behutsam wieder ein. Dabei flatterte ein Schnipsel aus den Dokumenten und vor meine Füße.

      »Nanu, was ist das denn?« Das könnte womöglich der Code sein. Nein, dieser Zettel war unbeschriftet, aber ich legte ihn zurück in die Rolle und verschloss sie sorgfältig. Wir mussten unbedingt fort von hier. Ich streichelte Jack zu meiner und seiner Beruhigung, versteckte die Rolle wieder ordnungsgemäß.

      »Jetzt zu dir, Jack.« Ich schaute ihn an und war immer wieder fasziniert von seinen schönen braunen Augen. Mein Kuss sollte ihn glücklich stimmen. Ich konnte es nicht lassen, seine Brustmuskeln zu streicheln. Jack bewegte mit großer Mühe seinen Arm und legte eine Hand auf meinen Rücken. Von dieser schlichten Berührung war ich so ergriffen, wie selten in meinem Leben. Den Fehltritt von vorhin hatte ich ihm bereits verziehen, es war ja nicht wirklich Jack gewesen, der versucht hatte, mich mit Gewalt zu nehmen, sondern sein vom Gift getrübter Geist.

      Ich schmiegte mich an seine Brust. »Ach Jack, ich wünschte, wir hätten noch heiraten können, dann wärst du mein Ehemann.« Allmählich konnte er seine Arme wieder voll gebrauchen und hielt mich ganz fest. Es tat so gut. Niemals zuvor hatte ich so viel Geborgenheit bei meinem Liebsten gespürt wie in diesem Moment. Ich zog die Decke über uns, bedachte ihn mit einem liebevollen Blick und schlief an ihn geschmiegt ein. Ein Klopfen, begleitet von einer Stimme, weckte uns. Ich wollte gerade antworten, da kam mir Jack zuvor:

      »Ja, bitte.«

      »Ich bin es, Alfons, ich bringe das Frühstück.«

      »Ist gut, stellen Sie es bitte auf den Tisch.« Alfons trat ein, stellte das Tablett ab und verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

      »Du kannst ja wieder sprechen«, flüsterte ich erfreut. Mir fiel ein Stein vom Herzen, so groß wie der Etna. Jack antwortete gleich großspurig:

      »Nicht nur das. Ich kann auch noch viel mehr. Gestern war ich ja wehrlos.«

      »Ja, erzähl du nur«, meinte ich. »Aber ich bin sehr froh, dass du wieder der Alte bist.«

      »Das bin ich auch. Aber da ist noch etwas.« Er umarmte mich, raunte dicht an meinem Ohr: »Ja, ich will.«

      »Was?« Es dauerte ein wenig, dann schlug die Erkenntnis ein wie eine Bombe. Au Backe! Ich schluckte, er hatte meinem Wunsch entsprochen. Unweigerlich schossen mir die Tränen in die Augen.

      »Im Ernst? Wir kennen uns ja kaum ...«

      »Ja, Amily. Es wird für mich keine andere Frau mehr geben.«

      »Oh Jack, das ist so süß von dir. Aber ich muss dir so viel über diese Dokumente erzählen ...«

      »Ich weiß schon alles. Du hast gestern beim Lesen leise gesprochen.«

      »Habe ich?«

      »Ja, und du liegst mit deiner Annahme richtig, wir müssen wirklich sehr vorsichtig sein.«

      »Sollten wir Alfons nicht von dem Attentat auf dich erzählen? Vielleicht kann er uns helfen?«

      »Vielleicht. Ich weiß nicht. Wollen wir frühstücken, Amily?«

      »Ja, komm. Wie immer?« Ich setzte mich ihm gegenüber, schenkte uns Kaffee ein und stellte meine Füße auf den Stuhl nebenan. Ich schlürfte ab und zu genüsslich und spielte mit meinen weiblichen Reizen, indem ich rein zufällig meine Schenkel öffnete. Jack betrachtete mich mit verstohlenen Blicken. Mir gefiel das. Eigentlich machte es mich auch heiß, ich ließ mir aber nichts anmerken. Jack sollte mich nicht für einen Nimmersatt halten. Dabei wollte ich mich schon lange von meinen selbst auferlegten Fesseln befreien und die Liebe in vollen Zügen genießen. Nur vielleicht nicht gerade jetzt.

      Ich stand auf, wollte mich an Jack vorbeiquetschen, da klopft es erneut. Durch die geschlossene Tür drang Alfons Stimme:

      »Ich bin es noch einmal. Ich möchte nicht lange stören, sondern wollte nur sagen, dass Sie morgen Früh gegen zehn Uhr abgeholt werden. Einen schönen Tag noch.«

      »Ja, gut, danke!«, rief ich und fügte leise hinzu: »Dann kommen wir von hier weg, Jack.«

      »Ich hab`s gehört. Aber morgen ist nicht heute.« Ich sah ihm seine Erregung an, beugte mich zu ihm, küsste ihn.

      »Ach, Jack!« Seine Hand streichelte die weichen Innenseiten meiner Oberschenkel. Das war so gut. Auf diese Art wollte er Leidenschaft entfachen. Ich stöhnte und merkte, dass ich schon wieder feucht wurde. »Was machst du mit mir, Jack?«

      »Was immer du möchtest, Schatz«, zwinkerte er.

      Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, denn ich besaß keine Armbanduhr mehr. Wir lagen auf den zerwühlten Laken und starrten an die Decke. Mein Pulsschlag beruhigte sich langsam und leise begann ich zu summen. Es bestätigte nur, dass ich mich richtig entschieden hatte. Mein Körper verlangte nach einer warmen Dusche.

      »Wir sollten schon unsere Sachen packen, dann brauchen wir das morgen nicht mehr.«

      »Bin dabei, Amily.«

      Fertig geduscht kam ich zurück ins Schlafzimmer.

      »Hast du Lust, mich einzuölen?« Jack ließ sich nicht zweimal bitten und ich genoss die großen kräftigen Hände, die mich in den Schlaf beförderten.

      Unbarmherziges Trommeln an der Tür weckte Jack. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, was ihn irritierte. War es schon so weit?

      »Was ist denn, um Himmels willen. Es ist vier Uhr dreißig!«, beschwerte er sich und rieb sich die Augen. Durch die geschlossene Tür drang Alfons immer