Nadja Christin

Natascha


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verletzen die Ordnung der Welt, Natascha. Sie schmecken sogar dem Teufel nicht.«

      »Auch der Teufel kann mich mal …«

      Jetzt bin ich es, der ein überhebliches Lächeln auf dem Gesicht trägt.

      »Der Teufel … meine Süße, kann dich höchstens in die ewige Verdammnis schicken. Aber selbst er hat eigene Pläne.«

      »Und die wären?«

      Nataschas gesamte Erscheinung drückt Furcht und Unsicherheit aus. Niemals hätte ich gedacht, dass ein paar simple Worte sie in Angst und Schrecken versetzen können.

      »Eh, … lass es mich so ausdrücken«, ich tippe mir mit dem Finger gegen die Nase, blicke an ihr vorbei. Ich bin nicht in der Verfassung, ihr noch mehr Geringschätzung vorzuspielen.

      »Du bist in den Tod gegangen, aber deine Zeit war noch nicht reif. Der Teufel hat die Chance ergriffen und dich … Hmm, nenne wir es mal: etwas anders … ja? Also, er schickte dich etwas anders auf die Erde zurück, nur so. Nur um zu sehen, was du daraus machst.«

      Bedeutungsvoll sehe ich ihr in die toten Augen. Sie weicht meinem Blick aus.

      »Ja und?«, fragt sie und zuckt mit den Schultern.

      »Du hast es versaut, meine kleine mellila. Du hast es nicht geschafft auch nur einen verdammten Tag zu überleben. Deine Jungs haben sich bereits nach ein paar Stunden gegen dich gerichtet. Sie haben dich sogar erschossen und dann vom Hof gejagt«, ich lache trocken, »wie einen räudigen Hund.«

      »Sie haben keine Ahnung«, kreischt sie und sieht jetzt wirklich wie eine Höllenhexe aus.

      »All das Blut dieser Stadt, der Hohe Rat, alle Menschen. Ich wollte ihnen dies zum Geschenk machen und sie…? Sie treten meine Gaben mit Füßen und verachten mich. Sogar Nicki …«

      Sie presst die Lippen zusammen, starrt mich hasserfüllt an, ganz so, als wäre alles meine Schuld.

      »Sogar er war gegen mich, Ansgar.«

      Natascha kommt einen Schritt auf mich zu, eine Hand auf ihr Herz gepresst.

      »Kannst du dir das vorstellen? Er liebte mich«, ihr Blick ist voller Traurigkeit, verletzt.

      »Dein Bruder liebt mich. Aber zum Schluss empfand er nur noch Hass. Wie alle anderen auch.«

      Ihre Stimme geht in ein leises Gemurmel über.

      »Wie all die anderen …«

      Uns trennen höchstens noch drei Schritte voneinander. Ein Leichtes für mich, auf sie zuzustürmen, um ihr entweder mit einer raschen Bewegung das Genick zu brechen, oder sie in den Arm zu nehmen und so lange zu küssen, bis ihr Schmerz vergeht.

      Ich kann mich nicht entscheiden, meine Seele und mein Herz kommen zu keiner Einigung. In meinem ganzen Dasein waren meine Empfindungen noch niemals so zwiespältig, so verworren.

      »Ich liebe dich«, hauche ich, ohne darüber nachzudenken.

      Ihr Kopf ruckt hoch, die Augen zusammengekniffen sieht sie mich prüfend an.

      »Ist das ein … Scherz?«

      »Nein, mit so etwas treibt man keine Scherze. Es ist die Wahrheit.«

      Sie bewegt zögernd den Kopf hin und her.

      »Du kannst mich nicht lieben, Ansgar«, knurrt sie gefährlich leise.

      »An mir … in mir ist nichts mehr, das liebenswert ist. Alles um mich herum hat sich geändert. Nichts ist mehr so, wie es einst war. Selbst die Leute, die du kanntest sind, nicht mehr dieselben.«

      »Sicher, sie sind tot.«

      Erneut sehe ich die Vampirin zurückzucken.

      »W-Woher …«, stammelt sie.

      »Was denkst du eigentlich, was ich hier mache?«

      Natascha zuckt mit den Schultern.

      »Weißt du nicht mehr, dass ich gestorben bin?«

      »Doch, ich weiß es noch.«

      »Du bist mir hinterher …«, fragend sehe ich sie an, sie nickt mit dem Kopf.

      »Aber vorher gabst du mir dein Wort.«

      Sie runzelt die Brauen.

      »Ich formuliere es anders. Du hobst einst die Finger und sprachst einen Schwur.«

      Ich hebe die Hand in die Luft und lege die andere auf mein totes Herz. In meiner Stimme schwingt ein feierlicher Klang, als ich leise sage:

      »In perpetuum, für immer, für ewig, bis über den Tod hinaus.«

      Langsam lasse ich meine Hände sinken, starre sie erwartungsvoll an.

      »Kannst du dich jetzt erinnern?«

      Sie weiß genau, wovon ich spreche, ich kann es in ihrem Gesicht lesen, als stünde es dort mit Blut geschrieben.

      Natascha aber presst die Lippen zusammen und schüttelt ihren hübschen Kopf.

      »Nein, das war ich nicht. Du … du musst mich mit einer deiner früheren Liebschaften verwechseln.«

      Ich konzentriere mich, damit ich einen Gedanken aus ihrem Kopf aufschnappe. Aber ich höre nur einen langen Seufzer und etwas, das wie ein Wimmern klingt.

      »Ich wünschte, es wäre so«, knurre ich und stürme auf sie zu.

      Die Vampirin hat mit meiner Reaktion nicht gerechnet, vielleicht ist sie auch so in Gedanken versunken, dass sie nicht mehr reagieren kann.

      Die kurze Distanz zu überbrücken, ihren Kopf packen und ihn rasch herumreißen, ist nur eine einzige, fließende Bewegung. Ich war schon immer sehr schnell, aber diesmal habe ich mich selbst übertroffen.

      Das leise Echo meines ersten Schrittes ist noch nicht verklungen, da mischt sich das hohle Knacken ihres Genicks bereits darunter.

      Augenblicklich fällt sie in sich zusammen, schlaff liegt sie in meinen Armen. Die Augen geöffnet, ihr Blick auf mich gerichtet, anklagend und feindselig.

      Ich weiß, dass sie mich hören und sehen kann, sie ist nur zu keiner Bewegung mehr fähig.

      Nun liegt es an mir, wie immer ich mich auch entscheide, es wird hier und jetzt zu einem Ende kommen, so oder so.

      Ich drücke Natascha an mich, umarme sie. Meine Nase vergraben in ihren Haaren, dicht an ihrem Ohr.

      Trotz allem, was aus ihr geworden ist, habe ich erwartet, dass sie immer noch so gut wie früher riecht. Ich schrecke zurück, als dieser moderige, dunkle und überaus böse Geruch zu mir aufsteigt. Dieser Duft hat keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem damaligen.

      Aber das ist vielleicht auch gut so, denn so fällt es mir leichter, das zu vollenden, wozu ich hergeschickt wurde.

      Vorsichtig lasse ich meine ehemalige Gefährtin auf den Boden gleiten, knie mich neben sie.

      Eine Haarsträhne ist in ihr Gesicht gerutscht, sachte streiche ich sie zur Seite. Ihre Augen zucken flüchtig, sie regeneriert sich schneller, als ich dachte, ich muss mich beeilen, sonst war alles umsonst.

      »Ich weiß, dass du mich hören kannst«, flüstere ich und fixiere ihr Gesicht. Ich will jede noch so kleine Bewegung von ihr sehen, um darauf zu reagieren.

      »Ich wurde zurückgeschickt, damit ich dich töte. Deine Taten waren nicht … nun … gut.«

      Nicht gut? Überlege ich bei mir, das ist ein viel zu schwaches Wort. Sie waren der reinste Horror, dunkel und böse, wogegen eigentlich niemand etwas hat. Aber Nataschas Plan ist nicht aufgegangen, was sie auch vorhatte, es war selbst für den Teufel zu viel.

      Ich streichele ihre Stirn, die Wange hinunter, erneut zuckt ihr Auge unter meiner Berührung, diesmal schon stärker. Ich muss mich beeilen.

      »Ich habe einen Pakt mit dem Herrscher über das Fegefeuer geschlossen, meine Süße.