Nadja Christin

Natascha


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Ehre und alles Blut dieser Stadt. Und was tut ihr …?«

      Trotz meiner Angst öffne ich vorsichtig ein Auge. Natascha steht einige Meter von mir entfernt, die Arme gen Himmel gerichtet. Die MP-5 schlägt leise gegen ihre Gürtelschnalle, verursacht ein klickendes Geräusch, das einzige hier draußen.

      »Ihr tretet mein Geschenk mit Füssen«, nimmt sie ihren eigenen Dialog wieder auf, »ihr verachtet mich und gehorcht meinen Befehlen nicht mehr. Was soll das alles?«

      Ihr Blick bohrt sich in Meinen. Erschrocken schnappe ich nach Luft, aber es ist bereits zu spät. Ich kann meine Augen nicht mehr schließen, schaffe es nicht sie aus meinen Gedanken zu verbannen.

      Nataschas gesamte Macht fließt, einem blutigen Strom gleich, durch meinen alten, toten Körper und versucht meinen Willen zu brechen.

      Ich spüre, wie meine Beine nachgeben, wie ich langsam auf die Knie sinke. Dennoch kann ich nichts dagegen unternehmen. Die Arme hängen schlaff an meinem Körper herab, unsere Blicke fest ineinander verschlungen. Ich habe nichts, das ich ihrer Macht entgegensetzen kann. Ihre Augen scheinen Funken zu sprühen, gemein und siegessicher leuchten sie.

      »Du hast keine Chance gegen mich, Nicki«, krächzt sie und schnaubt verächtlich.

      »Du bist kein bisschen besser, als dein Bruder. Ihr seid beide verfluchte Mistkerle gewesen.«

      Erstaunt hebe ich meine Brauen.

      »G-Gewesen?«, hauche ich verwundert.

      »Ja!«, kreischt die Vampirin und reißt ihre MP hoch.

      »Ihr zwei seid Vergangenheit …«

      Natascha stützt die Maschinenpistole in ihre Hüfte, gleich wird sie den Abzug durchdrücken und mich in die ewige Verdammnis schicken. Fassungslos starre ich in die schwarze Mündung. Sie will mich wirklich umbringen, schießt es mir durch den Kopf. Sie will mein langes Dasein beenden. Plötzlich fühle ich, dass es der richtige Weg ist, ich schätze, ich habe es verdient.

      Ich lege den Kopf zurück, schließe die Augen und breite meine Arme aus.

      Völlig entspannt denke ich: Meine kleine Schönheit, ich bin bereit.

      »Du kannst jetzt abdrücken«, wispere ich.

      Aber da geschieht etwas Merkwürdiges.

      *

      Kaum schließt sich die Türe hinter Nicki, fällt Max schnaufend auf den freien Stuhl.

      »Oh, verdammt«, brummt er und zuckt erschrocken zusammen, da Collin die Hände von seinem Gesicht herunter nimmt und sie krachend auf die Tischplatte schlägt.

      »Du hättest mich wirklich kaltgestellt?«, fragt er grollend und zieht düster die Brauen zusammen.

      »Nein. Verflucht … Collin … ich … ich.«

      Max’ Augen zucken ängstlich hin und her.

      »Versteh mich doch, ich …«

      Der bullige Vampir schüttelt den Kopf.

      »Ich kapiere überhaupt nichts mehr. Scheinbar habe ich irgendwo den Faden meines Daseins verloren«, er lacht trocken und völlig humorlos auf.

      »Es ist fast so, als erwache ich gerade aus einem tiefen Traum … aus einem verdammten Albtraum.«

      Max beugt sich über den Tisch, greift nach Collins Arm.

      »Wir müssen etwas tun. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Hexe uns so beherrscht.«

      Energisch befreit sich Collins aus der stählernen Umklammerung.

      »Denk nicht mal daran«, zischt er leise.

      »Nicht alle sind so wie Nicki, ihr Gefolge ist bereits groß und es wird noch größer werden.«

      Max’ Gesicht überzieht ein bitterböses Grinsen.

      »Nicht, wenn wir es verhindern.«

      »Was hast du vor?«, haucht Collin.

      Der Junge zuckt überheblich mit den schmalen Schultern.

      »Die Frage ist doch nur, ob du dabei bist oder nicht.«

      Sein ehemaliger Boss schluckt trocken, beginnt zu sprechen. Als nur ein heiseres Krächzen seinen Mund verlässt, räuspert er sich einige Male umständlich, bevor er erneut beginnt.

      »Ich bin dabei, Junge. Was immer du auch vorhast.«

      Max trägt weiter sein überhebliches Grinsen auf dem Gesicht. Er steht auf, ruft einige seiner Freunde zu sich. Leise teilt er ihnen etwas mit. Collin beobachtet nur ihren Gesichtsausdruck, der von erstaunt über fassungslos zu wütend reicht.

      Nataschas Jungs, Mikka, Ben und Stevy werden auf das geheime Getuschel aufmerksam. Düster blicken sie zu der kleinen Gruppe herüber.

      Collin springt von seinem Stuhl hoch. Max hat ihn um seine Hilfe gebeten, das ist nun seine Chance, er sollte sie ergreifen.

      Lauthals brüllt er quer durch den großen Raum.

      »He Stevy.«

      Der Angesprochene wollte gerade auf die Vampire zugehen, er will wissen, was sie so Geheimnisvolles zu besprechen haben. Stevys Kopf ruckt herum, auch Mikka und Ben fixieren den ehemaligen Boss der Vampirhorde.

      »Leihst du mir dein Bübchen mal aus?«, damit zeigt Collin mit dem Finger auf Mikka.

      »Ich wollte es schon immer mal mit einem Vampirkerl machen.«

      Deutlich steht es Stevy ins Gesicht geschrieben, er versteht nicht, was Collin von ihm will.

      Als dieser jedoch noch einen Satz hinterher schiebt, verdunkelt sich Stevys Gesicht.

      »Oder erzählst du mir, wie das so ist, mit einem Jungen?«

      »Du Schweinehund!«, brüllt Stevy und setzt zum Angriff an.

      Collin versucht gar nicht erst auszuweichen, er erwartet den massigen Vampir mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht.

      Stevy rammt ihm seinen Kopf in den Bauch, Collin hält sich an dessen Hose fest. Gemeinsam werden die zwei Blutsauger durch das Fenster hinter ihnen geschleudert. Es kracht und zersplittert unter ihrem Gewicht. Wie eine Kanonenkugel schießen sie hindurch und landen vor der Baracke auf dem Boden. Stevy sitzt auf dem ehemaligen Boss der Gang, drückt dessen Kehle zu.

      »Ich bin nicht …«, beginnt er gerade. Stoppt abrupt, als er bemerkt, das Collin nach rechts blickt und seine Augen immer größer werden.

      Stevy sieht in die gleiche Richtung, sein Blick streift die blutüberströmte Leiche der Blondine, schwenkt weiter zu der kleinen Schwarzhaarigen. Sie hält ihre MP-5 in der Hand, der pure Wahnsinn wütet in ihrem Blick. Die Mündung fest auf Nicki gerichtet, der vor ihr auf dem Boden kniet und wirkt, als habe er den Verstand verloren.

      »Was zum Teu…«, beginnt Natascha gerade, als mit einem ohrenbetäubenden Lärm die Türe auffliegt. Es liegt solch eine Wucht dahinter, dass die provisorische Platte, die als Türe dient, gegen die Hauswand kracht und fast in ihre Bestandteile zerlegt wird. Holzsplitter und Lackreste fliegen umher, Staub liegt in der Luft. Die Vampire, die so plötzlich in dem schwarzen Rechteck erscheinen, werden beinahe verdeckt von den umherschwirrenden Überresten.

      Als sich die Aufregung und der Dreck ein wenig gelegt haben, taucht auf Max’ Gesicht erneut dieses bitterböse Grinsen auf.

      Er hält ein Schrotgewehr in den Händen, die abgesägte Mündung auf Natascha gerichtet.

      »Verschwinde hier, Hexe. Wir wollen weder dich noch deine Finsternis.«

      »Darüber habt ihr nicht zu bestimmen«, kreischt die Vampirin zurück, zieht ihre Waffe an die Schulter und drückt den Abzug durch.

      Das Laute tack, tack, tack, lässt die Vampire zusammenzucken. Nicki wirft sich auf den Boden, die Arme schützend über dem Kopf. Max betätigt noch den Abzug seiner Schrotflinte, bevor etliche