Nadja Christin

Natascha


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bin ich versucht, es einfach auszuspucken. Doch dann ist der Moment schon wieder vorbei.

      Meine Chance auf Rettung, falls ich je eine hatte, verflüchtigt sich so rasch, wie sie gekommen ist.

      Gierig trinke ich ihr Blut, wie ein Verdurstender. Als hätte ich eine Wüstendurchquerung hinter mir und tagelang nichts als feinen Sand gesehen und geschmeckt.

      Ich wusste vorher nicht, wie sich ihr Blut auf meiner Zunge anfühlt, bin jedoch nicht überrascht, dass es bitter und herb schmeckt. Ein beißender Geschmack. Aber gleichzeitig ist es das Köstlichste, das ich jemals schmecken durfte, wundervoll süß und herrlicher als alles Vergangene zusammen.

      Ich öffne meine Augen, betrachte, ohne meine Zähne von ihr zu lösen, Joshs Leiche.

      Eine Wand scheint sich plötzlich vor meinen Blick zu schieben, wie ein Vorhang hüllt die Dunkelheit mich ein.

      Drängt sich zwischen die Wirklichkeit und meine Wünsche.

      Ich lasse es zu, nur zu gerne.

      Hämisch grinsend, treibe ich meine Zähne immer tiefer in ihr Fleisch, trinke noch mehr von ihrem bösen Blut.

      Sieh her Josh, denke ich bei mir, sieh genau zu. Mich wird sie nicht töten, abschlachten wie ein Stück Vieh. Sie liebt mich, sie vertraut mir ihr Leben an. Josh … alter Junge … sieh genau zu …

      Natascha legt ihre Hand in meinen Nacken, streichelt über das feine Haar dort.

      »Komm näher«, flüstert sie und zieht mein T-Shirt beiseite. Ich weiß genau, was sie vorhat, als könnte ich ihre Gedanken lesen.

      Ich schiebe meine Schulter in ihre Richtung. Es dauert nicht lange und sie schlägt mir ihre Zähne in die Haut. Ich brülle auf, es schmerzt.

      Ein köstlicher, ein guter Schmerz.

      Ein kurzer Ruck, die schwarze Wand legt sich zur Gänze über meinen Verstand.

      Der Vorhang ist gefallen, die Vorstellung beendet.

      Um mich herum gibt es nur noch Dunkelheit, Schwärze und Tod.

      Es fühlt sich gut an, so wirklich, … so real.

      *

       Stevy, Ben und Mikka:

      Die zwei Vampire, vereint in einer innigen Umarmung, scheinen alles um sich herum vergessen zu haben.

      Das Feuer vor der alten Kirche ist längst gelöscht, das Wahrzeichen der Stadt gerettet. Die Jungs der Feuerwehr beginnen mit den Aufräumarbeiten.

      Heute sind in der Mannschaft nur drei Vampire, der Rest ist menschlich.

      Während sie Schläuche zusammenrollen, Äste und Müll auf einen Anhänger laden, schnüffeln die Blutsauger immer wieder unauffällig in die Luft. Sie blicken sich verstohlen an, zucken mit den Schultern, fragend sind ihre Blicke.

      Irgendwann hält es einer von ihnen nicht mehr aus. Er schnappt sich einen Autoreifen, der fast bis zur Unkenntlichkeit verkohlt und geschmolzen ist, schleppt ihn zu dem Anhänger. Dort steht sein Freund, stochert in dem aufgetürmten Abfall herum, versucht ihn zusammenzudrücken, um eine größere Menge abtransportieren zu können.

      »He, Stevy«, raunt er dem Vampir zu und wirft die Überreste des Reifen auf die Ladefläche.

      Sein Freund, ein bulliger Kerl, mit dunklen, kurzen Haaren und einem grimmigen Zug um den Mund, hebt einen Fuß und blickt sich rasch um. Niemand beachtet die beiden.

      Stevy lässt seinen Fuß auf den Müll niederdonnern, quetscht ihn soweit zusammen, wie es nur eine Müllpresse geschafft hätte. Mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck springt er von der Ladefläche.

      »Was ist Mikka?«, knurrt er und wischt sich die Hände an der Hose ab.

      Mikka, wirft einen Blick in die Runde. Seine scharfen Augen unter den blonden Haaren registrieren jede Regung, seine empfindliche Nase könnte es riechen, wenn einer der Blutsäcke sie zu neugierig betrachtet.

      »Stevy«, beginnt er erneut, nachdem seine rasche Prüfung abgeschlossen ist.

      »Hier waren doch welche von uns beteiligt, riechst du das auch?«

      Der bullige Blutsauger stemmt die Hände in die Hüften, schnüffelt in die Luft. Er brummt:

      »Ja, du hast recht. Einen kenne ich sogar …« Lautstark zieht er die sie umgebende Luft in die Nase.

      »Joshua, der war auch hier.«

      »Der aus dem Hexenladen?«, fragt Mikka erstaunt und reckt seine Nase empor.

      »Ja, aber da ist noch etwas anderes, etwas … Hmm, ich kann es nicht genau erfassen. Es … es riecht fast wie …«

      Ein anderer Vampir gesellt sich zu ihnen, wirft einen Sack Müll auf den Anhänger und knurrt in Stevys Überlegungen hinein:

      »Natascha.«

      Die zwei Blutsauger sehen ihren Kumpel fragend an. Daraufhin lehnt er sich lässig gegen den Anhänger und zieht eine Packung Zigaretten aus der Jackentasche. Eine rasche Bewegung aus dem Handgelenk und eine Zigarette schießt förmlich aus dem Paket, zwischen seine Lippen. Schief grinsend kramt der Blutsauger ein Feuerzeug hervor, lässt es aufschnappen und dreht das Reibrad.

      Durch die zuckende Flamme hindurch sieht er seine Freunde an. Es wirkt fast so, als stehen die zwei Vampire vor ihm in Flammen. Die Spitze der Zigarette glüht rot auf, als er kräftig an ihr zieht. Er klappt den Deckel über das Feuerzeug und nimmt einen weiteren tiefen Zug.

      »Wer soll das sein, Ben?« Mikka, der jüngste von ihnen, sieht verwirrt aus.

      Bevor Ben überhaupt eine Antwort geben kann, kommt ihm Stevy zuvor.

      »Sie ist eine Vampirin, die wie ein Mensch riecht«, brummt er in seiner ernsten Art und nimmt Ben die Zigarettenpackung aus der Hand. Er steckt sich selbst eine zwischen die Lippen, Ben reicht ihm das Feuerzeug.

      »Danke«, knurrt der scheinbar ewig grimmige Vampir und nimmt einen tiefen Zug, ehe er weiter spricht.

      »Natascha ist eine Freundin von Joshua. Sie hat vor ein paar Tagen erst, zusammen mit dem Abgesandten, unsere Stadt gerettet und den Hohen Rat befreit. Oder die kümmerlichen Reste, die von ihm übrig waren.«

      »Und wieso war sie hier? Wo ist sie jetzt und Joshua, wo ist er?«, der junge Vampir versucht seine Stimme zu dämpfen.

      Die beiden älteren zucken mit den Schultern.

      »Keine Ahnung.«

      Mikka schnaubt kurz.

      »Ich werde sie suchen gehen«, entschlossen presst er die Lippen zusammen.

      Stevy und Ben zeigen keinerlei Regung, antworten nicht.

      Ein weiteres Mal schnaubt der Junge verächtlich, dann geht er einfach in die Nacht hinein.

      Er muss sie finden, irgendetwas scheint ihn magisch anzuziehen. Ist es nur ihr Geruch?

      Oder etwas anderes? Irgendein Gefühl, das tief in ihn eindringt, seine Nervenenden vibrieren lässt und eine Unruhe in ihm auslöst, die er bis dahin noch niemals verspürt hat.

      Mikka weiß es nicht, es ist ihm auch gleichgültig. Er weiß nur eines genau:

      Er muss sie finden, um jeden Preis. Fast so, als hänge sein Leben davon ab.

      Die zurückgebliebenen Vampire blicken sich an, sekundenlang. Ben verdreht die Augen gen Himmel.

      »Ach, verdammt«, flucht er und wirft seine Zigarette im hohen Bogen davon.

      »Komm, wir gehen ihm nach.«

      Stevy, durch und durch Feuerwehrmann, tritt seine Kippe sorgfältig aus, bevor er seinem alten Freund hinterher geht.

      Mikka folgt dem Geruch, als locke der ihn mit Worten. Zielsicher bleibt er auf dessen Spur. Ertastet ihn, spürt ihn, als gehe er einer deutlich sichtbaren