Harley Barker

Love and Crime


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kann ruhig wissen, dass es mir mittlerweile gehörig auf die Nerven geht. Doch das ist nur die eine Seite. Die andere sieht so aus, dass ich es auch gar nicht für mich behalten kann.

       Ausdruckslos sieht er mich an. Ein wenig kommt er mir so vor, als würde er darüber nachdenken, welchen Schritt er unternehmen soll. Als ich schon die Hoffnung habe, dass er sie mir einfach gibt und verschwindet, und mir vielleicht noch eine Erklärung abliefert, dreht er sie herum und verteilt den Inhalt auf dem Tisch.

       In mir brennen sämtliche Sicherungen durch. Noch bevor Sally mich zurückhalten kann, eile ich auf ihn zu, um sie ihm aus der Hand zu reißen. Es ist vielleicht nicht meine beste Idee, aber ich habe auch keine Lust, mich von ihm auf der Nase herumtanzen zu lassen.

       Bevor ich ihn erreichen kann, springt er zur Seite und rennt an uns vorbei hinaus in den Laden. Noch bevor ich überhaupt ansetzen kann, um ihn zu verfolgen, hat er ihn verlassen.

       Davon lasse ich mich nicht aufhalten. Mit großen Schritten eile ich ihm hinterher, während er in einen Wagen steigt. Um genau zu sein steigt er in den Wagen, den ich nun schon ein paar Mal bemerkt habe. Ich habe noch nicht einmal einen Fuß auf die Straße gesetzt, als er bereits weg ist. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich ihn wirklich zu schnappen bekommen hätte.

       Am liebsten würde ich einen lauten Fluch von mir geben, der eindeutig nicht jugendfrei ist, als ich nach hinten gezogen werde.

      „Hey“, rufe ich und versuche die beiden Arme abzuschütteln, die mich festhalten. Es dauert, bis sie so weit nachgegeben haben, dass ich mich umdrehen kann. Dennoch sind sie so fest um mich geschlungen, dass ich mich nicht entfernen kann.

       Als ich die Person erkennen kann, die sich vor mir befindet, kommt es mir so vor, als würde ich mich in einem Traum befinden. Beziehungsweise, ich bin mir ziemlich sicher, dass es so ist. Es gibt nicht einen einzigen Grund, wieso es nicht so sein sollte.

      9

       Zane, ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, als ich den Mann anblicke, der so dicht vor mir steht, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren kann. Auch nachdem ich mich zu ihm umgedreht habe und mich nicht mehr bewege, hält er meine Hüften fest umklammert, als würde er Angst haben, dass ich gleich verschwinde. Das habe ich nicht vor. Eigentlich habe ich gerade überhaupt nicht vor, mich zu bewegen. Ich könnte es auch nicht. Zu wissen, dass er mir so nah ist, hat dafür gesorgt, dass meine Füße anscheinend mit dem Boden verwachsen sind.

       „An deiner Stelle würde ich das nicht machen“, weist er mich schließlich mit leiser Stimme an. Gleichzeitig zieht er die Augenbrauen ein Stück nach oben.

       „Was?“, frage ich, obwohl ich es mir bereits denken kann. Dennoch will ich es aus seinem Mund hören, da ich so vielleicht endlich ein wenig Licht ins Dunkel bringen kann.

       „Das, was du gerade vorhattest.“

       „Und wieso?“

       „Weil das eine bescheuerte Idee ist. Eigentlich müsstest du das aber auch wissen.“ Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Kurz kommt es mir sogar so vor, als würde er durch mich hindurch sehen können, auch wenn mir bewusst ist, dass das überhaupt nicht geht.

       Die nächsten Sekunden sagt keiner von uns ein Wort. Er macht aber auch keine Anstalten sich von mir zu entfernen. So wird mir noch bewusster, wie dicht wir beieinander stehen. Er schafft es, mein Herz zum Stolpern zu bringen. Ich habe keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet jetzt so auf ihn reagiere, doch es stört mich gewaltig. Alleine deswegen schon mache ich einen Schritt nach hinten und bringe so ein wenig Abstand zwischen uns. Und ich bin froh darüber, dass er es zulässt.

       Wütend und auch ein klein wenig genervt, schaue ich ihn an. Mir ist klar, dass es wahrscheinlich nicht gerade fair ist, dass er es nun abbekommt, doch jemand anderes habe ich gerade nicht. Es gibt da einiges, was unter der Oberfläche vor sich hin brodelt.

       „Ich habe keine Ahnung, wer du bist. Aber du hast gerade verhindert, dass ich den Mann zur Rede stellen kann, der mich schon seit Tagen verfolgt. Und ich weiß ja nicht, wie es dir gehen würde, aber ich möchte schon ganz gerne wissen, was hier los ist“, erkläre ich ihm. Ich versuche so ruhig wie möglich zu klingen. Allerdings muss ich zugeben, dass mir das nicht leicht fällt. Um meine Worte und meine Gereiztheit noch ein wenig zu unterstreichen verschränke ich die Arme vor der Brust und kneife meine Augen ein Stück zusammen.

       „Du willst also wissen, wer ich bin.“ Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Frage oder eine Feststellung ist. Gerade interessiert es mich aber auch nicht.

       „Das wäre schon einmal ein Anfang.“

       „Ich bin Kopfgeldjäger, was dein Dad dir sicherlich gesagt hat.“

       „Ja, das habe ich auch schon gemerkt“, gebe ich spitz zurück. „Ich meinte damit eher, dass ich gerne wissen würde, wer du bist, dass du dich in meine Angelegenheiten einmischen kannst.“ Kaum habe ich den Satz ausgesprochen würde ich mir am liebsten in den Hintern treten.

       Eigentlich wollte ich solche Worte nie zu jemanden sagen. Doch jetzt sind die Worte aus meinem Mund heraus gekommen, noch bevor ich es verhindern konnte. Schuldbewusst schaue ich ihn an.

       „Sorry“, murmle ich verlegen.

       „Ich werde es dir nicht krumm nehmen. Doch ich habe dir das Leben gerettet.“

       Es dauert, bis seine Worte bei mir angekommen sind. Und genauso lange stehen wir stumm voreinander und wenden uns nicht von dem anderen ab.

       „Du hast mir das Leben gerettet?“ Skeptisch schaue ich ihn an. Mir ist klar, dass wir uns mitten auf dem Gehweg befinden und die anderen einen Bogen um uns machen müssen. Aber das hier ist gerade wichtiger, als ihnen aus dem Weg zu gehen.

       „Ich habe in den letzten Tagen ja schon gemerkt, dass du tollpatschig bist, …“, beginnt er, doch ich lasse ihn nicht aussprechen.

       „Tollpatschig?“ Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn herausfordernd an. Ich lasse nicht den kleinsten Zweifel daran, dass ich sauer bin. Und genauso wenig werde ich ihn davon kommen lassen.

       „Ein klein wenig“, murmelt er und hält den Daumen und den Zeigefinger ein Stück auseinander. Zane verzieht ein wenig das Gesicht, als würde er nicht wissen, was er machen soll. Er gehört zu den Männern, bei denen ich mir das definitiv nicht vorstellen kann. Er strahlt eine Selbstsicherheit aus, von der ich mir sicher bin, dass sie nur die wenigsten haben.

       Ich muss mehrmals tief durchatmen, damit mir nichts über die Lippen kommt, von dem ich mir sicher bin, dass ich es bereuen werde. Und das brauche ich kein zweites Mal.

       „Verstehe ich das richtig? Willst du damit zugeben, dass du mich verfolgt hast?“ Ich muss wieder an die Begegnung vor dem Polizeirevier denken und an den Wagen seiner Kumpel.

       „Ich habe dich nicht verfolgt“, widerspricht er mir sofort. „Auf jeden Fall nicht absichtlich oder so, wie du es dir gerade vorstellst.“ Ich sehe ihm an, dass er mit sich ringt. Doch das ist sein Problem und nicht meines. Ich will endlich wissen, was hier los ist.

       „Wenn das so ist, erkläre es mir doch einfach“, fordere ich ihn heraus.

       „Ich kann es nicht“, erwidert er nur.

       „Du kannst es nicht oder du willst es nicht?“ Um ihm zu zeigen, dass ich mich nicht so schnell geschlagen gebe, lehne ich mich nach vorne.

       Doch auch das bringt ihn nicht dazu, sein Schweigen zu brechen. Er gibt nur ein leises Seufzen von sich, was mir überhaupt nicht gefällt. Deswegen gehe ich wortlos an ihm vorbei und verschwinde im Inneren des Ladens.

       Während ich die wenigen Schritte hinter mich bringe, versuche ich mein wild schlagendes Herz unter Kontrolle zu bringen. Ich würde gerne erfahren, wieso es mir gerade so geht. In den letzten Minuten ist soviel passiert, dass ich es nicht einschätzen kann, ob es deswegen war, weil ich die Männer verfolgt habe, oder weil ich Zane näher gekommen bin, als ich es eigentlich wollte.