Ewa A.

Lord of the Lies - Ein schaurig schöner Liebesroman


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hattet Ihr Gehilfen?«, unterbrach Bradford sie ungestüm.

      Pearlene warf fassungslos die Hände in die Luft. »Wer würde mir denn bei so etwas helfen? Das ist ja lächerlich.«

      »Aha! Und genauso lächerlich ist auch Eure Behauptung, dass dieses ganze Fiasko in meiner Absicht liegen würde. Glaubt Ihr, ich lege es darauf an, zu einer Ehe mit Euch genötigt zu werden? Bei Gott, wenn ich mich mit einer Jungfrau vergnügen wollte, würde ich das bestimmt nicht im Beaumont Park machen, wo mich halb London dabei ertappen würde. Anscheinend sind wir beide, ohne unser Wissen, betäubt worden und mir fällt dazu nur eine Möglichkeit ein, wie das passieren konnte: Euer Glas mit dem Punsch, aus welchem wir beide getrunken haben!«. Erwartungsvoll schaute Bradford sie an.

      Und die Baroness erstarrte. Entgeistert flüsterte sie: »Ihr habt Recht! Das ist die einzige Erklärung dafür, dass wir beide ohnmächtig waren. Aber wer brachte uns gemeinsam in die Gondel?«

      Plötzlich wurde Bradford bleich und seine Augen kugelrund. »Verdammte Scheiße!« Zögernd wisperte er: »Dreht Euch jetzt besser nicht um, Baroness, und fangt bitte nicht wieder an, zu kreischen oder in den See zu reihern.«

      Doch mit diesem Satz erreichte der Duke so ziemlich genau das Gegenteil und Pearlene wandte sofort ihren Kopf.

      Während ihres Gesprächs war die Gondel, von ihnen unbemerkt, weiter über den See vor den Pavillon getrieben, in dem unzählige Leute saßen und interessiert ihren Streit beobachteten. In deren Gesichtern spiegelte sich von Schadenfreude über Missbilligung bis hin zu Überraschung und Schock alles wider.

      »Um Gottes willen!«, hauchte die Baroness.

      Obwohl sie die Menschen nur verschwommen wahrnahm, hörte sie nun getuschelte Gesprächsfetzen und Wörter, die über das Wasser zu ihnen schallten. Überrumpelt von der Lage, in der sie sich auf einmal wiederfand, stolperte sie neben Bradford, ihren Leidensgenossen, der bitter den Mund verzog.

      »Hervorragend gemacht, Baroness, jetzt hat auch wirklich jeder Euer Gesicht gesehen!«

      In ihrer Panik versuchte Pearlene, ihm erneut die Decke wegzunehmen. Abermals gab es ein Gerangel um das Stück Stoff zwischen ihnen. Beide zogen und zerrten verbissen an der Decke herum, während sie mit ungläubigen Mienen den Frühstückspavillon nicht aus den Augen verloren.

      »Lasst los, ich bin nur in Unterwäsche!«, zischte Pearlene verärgert, woraufhin der Duke leise knurrte.

      »Vergesst es! Schließlich bin ich derjenige, der nackt ist.«

      »Das war leider nicht zu übersehen, aber ich bin schließlich eine Dame.«

      Mit einem beherzten Ruck gelang es Pearlene, Bradford die Decke abzunehmen und sich in diese einzuhüllen. Der verbarg daraufhin sein Geschlecht notdürftig unter der rechten Hand und fügte sich mit einem lauten Seufzer seinem Schicksal.

      »Und ich bin anscheinend ein Gentleman!«

      Mit dem linken Arm vollführte der Duke eine elegante Bewegung, als grüße er jemanden auf der Straße unter ganz gewöhnlichen Umständen. In einer vornehmen Verbeugung rief er laut und deutlich, in Richtung der gaffenden Menge: »Marquess Shutterfield, seid gegrüßt, was für eine Freude Euch zu sehen! Ein wunderbarer Morgen, nicht wahr? Mein Lieber, wärt Ihr wohl so gut, mir Euer Tischtuch zu reichen?«

      Kapitel 7

       Londoner Stadthaus der Familie Stuart Clifford

      »Ich wünschte, ich hätte deinen Punsch getrunken.« Reeva ließ sich mit unverhohlener Enttäuschung über diesen Umstand auf Pearlenes Bett fallen, sodass ihre Locken wippten. Traurig beobachtete sie ihre Cousine dabei, wie diese ihre Kleider und übrigen Utensilien wieder in Koffer und Truhen verstaute, die sie erst gestern ausgepackt hatte.

      Pearlene schüttelte aufgebracht den Kopf. »O nein, glaub mir, wenn du so wie ich heute Morgen nur in Unterwäsche, vor den Augen des gesamten Hochadels, im Park aufgewacht wärst, würdest du dir das nicht wünschen.«

      »Aber Bradford war bei dir, die ganze Nacht. Und …« Reeva zögerte einen Moment, bevor sie im Flüsterton weiterredete. »… ich habe genau gehört, wie Mama deine Sätze vor lauter Schreck wiederholte und sagte, dass er unbekleidet war.«

      Mit einem Seufzer warf Reeva ihren Kopf in den Nacken, schloss kurz die Augen und stand stürmisch auf, um sich Pearlene in den Weg zu stellen. Sie packte die Hände ihrer blonden Cousine und drückte diese sacht. »Mein Gott, Pearlene, vielleicht wird er dich heiraten müssen, nach diesem Skandal. Einer der begehrtesten Junggesellen Londons wird dich möglicherweise zu seiner Ehefrau machen.«

      Pearlene schoss das Blut in die Wangen, weil Reeva das aussprach, was sowohl ihre Tante als auch ihr Onkel schon angedeutet hatten. Und dieser Gedanke, Bradford Lyndon heiraten zu müssen, stürzte sie in nervenaufreibende Verwirrung. Einerseits fand sie den Duke anziehend, er war zugegebenermaßen ein blendend aussehender Mann, aber andererseits … war er der schlimmste Weiberheld, den sie kannte, und ein unmöglicher Flegel. Würde sie ihn wirklich heiraten müssen? Ihr Herz raste bei der Vorstellung, dass sie mit dem groß gewachsenen Duke womöglich bald das Ehebett teilen würde und indirekt vermutlich mit hundert anderen Frauen, mit denen er sie betrogen hatte und noch betrügen würde. Wollte sie das?

      Pearlene war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Morgens in der Gegenwart des nackten Bradford in Unterwäsche vor lauter Fremden aufzuwachen und dann auch noch von ihm und Marquess Shutterfield in dessen Kutsche nach Hause gefahren zu werden, war einfach zu viel für sie. Eine unfassbare Peinlichkeit hatte die nächste gejagt. Es war schrecklich gewesen, dem Duke, der lediglich in seinem Tischtuch dagesessen hatte, in solch engem Raum ausgeliefert zu sein. Seine Augen hatten sie bedrängt. So sehr sie auch versucht hatte, sich in der Decke zu verstecken und seine Anwesenheit zu ignorieren, hatte sie stets dieses Prickeln auf ihrer Haut verspürt. Ein Prickeln, das einem sagte, dass man mit Blicken förmlich verschlungen wurde.

      Unwillkürlich schüttelte die Baroness den Kopf und entzog Reeva ihre Finger, um weiter ihre Truhe zu packen. »Ich will darüber gar nicht nachdenken, Reeva. Ich fahre mit Kolton jetzt erst einmal wieder zurück zu unseren Eltern aufs Land. Ich danke Gott, dass Dr Vance kam und es meinem Bruder wieder besser geht, sodass wir uns noch heute Mittag auf den Nachhauseweg machen können. Vater wird wissen, was in dieser prekären Situation zu tun ist.«

      Reeva folgte ihrer Cousine auf den Fersen und fragte leise: »Wie sah Bradford aus, Pearlene?«

      Fassungslos drehte sich Pearlene zu ihr um, sagte jedoch kein Wort.

      Ein verschmitztes Grinsen erschien auf Reevas Zügen. »Du weißt schon, so ohne Kleider, ist er wirklich so gut gebaut, wie es den Anschein hat?«

      Verlegen strich sich Pearlene die Haare aus dem Gesicht und wandte sich wieder ihren Koffern zu.

      »Ich … denke schon«, nuschelte die Baroness kurz angebunden und hoffte, damit Reevas Neugier endgültig gestillt zu haben. Munter plapperte sie daraufhin weiter, um schnell das Thema zu wechseln. »Vielleicht gehe ich zu meinen Verwandten ins Ausland für eine Weile. Ja, das sollte ich wirklich tun. Vielleicht finde ich dort einen Ehemann und komme gar nicht mehr zurück.«

      Reeva verzog abweisend den Mund. »Wie kannst du jetzt nur daran denken, England zu verlassen? Ich hoffe, dass Onkel Wilburn seine Vaterpflichten wahrnimmt und darauf besteht, dass Bradford deine Ehre rettet und dich heiratet. Sicherlich wird er sich mit dem Grand Duke in Verbindung setzen.«

      Pearlene verharrte in ihrer Bewegung und erbleichte. Allmächtiger, was würde Arden bloß von ihr denken? Sie schloss voller Ingrimm die Lider, da sie sich nicht erklären konnte, weshalb sie nun an Bradfords Zwillingsbruder dachte und warum es ihr so wichtig war, was dieser über sie denken würde. Dabei sollte sie sich lieber Sorgen machen, was ihre Eltern zu dem irreparablen Fauxpas sagen würden, der ihr unterlaufen war. Sie war wahrscheinlich kurz davor, verrückt zu werden, was kein Wunder war.

      Mutlos öffnete Pearlene wieder die Augen und schritt niedergeschlagen zum Fenster. Sie schob gerade