Ewa A.

Lord of the Lies - Ein schaurig schöner Liebesroman


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ist unverkennbar einer der Lyndon-Zwillinge. Sehr wahrscheinlich dieser Bradford. Aber die Frau? Dieses blonde Haar…?« Die Augen der Matrone weiteten sich noch mehr.»Shutterfield, ist das womöglich die vermisste Baroness Clifford?«

      Die beiden tauschten einen Blick miteinander, um im nächsten Moment wieder zur Gondel zurückzuschauen, in der sich die junge Frau endlich zu ihnen herumdrehte und ihr Antlitz offenbarte, welches dasselbe verwunderte Entsetzen zeigte wie ihres.

      Wie aus einem Mund entfuhr es dem Marquess und der Matrone: »Sie ist es!«

      *

       Noch bevor Pearlene richtig wach wurde, bemerkte sie, dass ihr alles wehtat. Jeder einzelne Knochen schmerzte. Angefangen bei der Schädeldecke bis zu ihren Zehenspitzen. Ihr war speiübel. Sie hatte einen ekelhaften Geschmack im Mund. Vorsichtig wollte sie sich bewegen, aber es ging nicht. So wie es sich anfühlte, hielt ein schwerer Fels sie an Ort und Stelle fest, erdrückte sie beinahe. Das erklärte auch ihre Schmerzen. Konnte sie ihre Arme heben, um den Stein von sich herunterzurollen? Ja, das ging. Aber … der Fels fühlte sich unter ihren Fingern nicht wie ein Fels an … Er war warm und weich … Warum lag überhaupt ein Fels auf ihr, in ihrem Bett?!

      Jäh öffnete Pearlene ihre Lider. Grelles Tageslicht blendete sie, weshalb sie gleich wieder ihre Augen schloss. Aber mit der Erkenntnis, dass sie nicht in ihrem Bett lag, sondern unter freiem Himmel, nahm sie auch das Vogelgezwitscher wahr und das Schwanken der Gondel. Erneut öffnete sie ihre Lider, diesmal jedoch langsamer.

      Wo war sie? In einem Boot? Wie war sie hier gelandet?

      Sie drehte langsam ihren Kopf und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Denn der Fels, der sie auf den Boden presste, war ein Mann. Ein Mann aus Fleisch und Blut. Und Pearlene tat das, was jede unerfahrene Jungfrau getan hätte, in so einer Lage: Sie kreischte wie eine Irre und schlug auf den Mann ein, der seelenruhig auf ihrem Busen schlief und dabei leise schnarchte. Panisch schob sie den Fremden an den Schultern von sich und stellte dabei fest, dass er unbekleidet war. Diese Feststellung löste einen erneuten Schreikrampf bei der Baroness aus, der zur Folge hatte, dass der nackte Mann stöhnend zu sich kam.

      »Großer Gott! Schrei doch nicht so!« Bradford kniff die Augen zusammen, denn er hatte unsägliche Kopfschmerzen. Benommen richtete er sich auf und hielt sich mit beiden Händen den Kopf, der von einem wummernden Stechen gemartert und demnächst vermutlich zerspringen würde. Er ächzte gepeinigt auf.

      Zum Teufel, was war denn los? Der Boden schwankte und wer zur Hölle war die Frau, die wie eine Furie kreischte? Zu allem Übel schrie auch sein Körper vor Schmerzen auf. Er hatte offenbar in einer ziemlich unbequemen Stellung auf der Holden geschlafen, die sich anscheinend nicht mehr an ihn erinnerte. Wobei er sich an sie ebenso wenig erinnern konnte wie an die vergangene Nacht. Da waren nur noch bruchstückhafte Bilder von dem Ball, die durch seinen schweren Kopf schlingerten.

      Pearlene war schlagartig die Luft ausgegangen, als sie erkannte, wer der Mann war, der sich allmählich von ihr und auf seine Knie erhob. Fassungslos hechelte sie nach Luft. Es war ein Lyndon-Zwilling und nach allem, was sie von Reeva über die beiden wusste, konnte es nur Bradford sein, der nackt auf ihr gelegen hatte.

      Ihr Magen drehte sich und die Übelkeit wurde unerträglich. Sie schaffte es noch gerade rechtzeitig, sich aufzurappeln und den Kopf über Bord zu halten, um sich in den See zu übergeben.

      »Oh – nein! Nicht auch das noch!«, jammerte Bradford, als er das Würgen hörte und langsam seine Augen aufschlug. Er sah nur den weißblonden Haarschopf der Frau, die lediglich mit Unterhosen und Mieder bekleidet vor ihm in einer der Gondeln vom Beaumont Park lag und sich in den See erbrach. Doch er wusste sofort, wer die Frau war, denn dieses Blond hatte er bisher nur einmal in seinem Leben gesehen und das war vor ein paar Stunden gewesen. Er hatte die Nacht mit der hübschen Baroness Clifford verbracht und hatte nicht die geringste Ahnung, wie es dazu gekommen war.

      Mürrisch hoben sich Bradfords Augenbrauen. »Das ist mir noch nie passiert, dass eine Frau sich übergeben muss, wenn sie mich in ihren Armen vorfindet!«

      Schwer atmend wischte sich Pearlene den Mund ab und fragte: »Wer seid Ihr? Der Grand Duke Arden oder sein Bruder Bradford?«

      Böse stierte sie zu dem jungen Mann hinüber, um sich eine Sekunde später die Hände vors Gesicht zu schlagen und die Augen zuzukneifen. »Himmel, Ihr tragt ja nicht mal eine Hose! So bedeckt doch endlich Eure Blöße mit irgendetwas!«

      Hitze stieg in Pearlenes Wangen, denn noch immer konnte sie den herrlich kräftigen Körper des Duke im Geiste vor sich sehen. Dieser eine Augenblick hatte gereicht, um sich jede Einzelheit seiner bemerkenswerten Erscheinung in ihr Gedächtnis einzubrennen. Seine braune Mähne war noch in einem lockeren Zopf gefangen. Während das Blau seiner Augen mit dem des Himmels um die Wette strahlte, schimmerte seine Haut am gesamten Körper in einem goldenen Braun. Arme, Brust, Bauch und selbst seine Oberschenkel schienen nur aus Muskeln zu bestehen. Sogar sein Geschlecht, das vor einem Nest aus schwarzen Schamhaaren baumelte, kam ihr riesig vor. Sie hatte zwar noch nie einen erwachsenen Mann nackt gesehen, aber sein Glied, das er so offenherzig zur Schau stellte, war erschreckend größer, als sie es jemals bei einem der Jünglinge gesehen hatte, mit denen sie als Kind gebadet hatte.

      Bradford schwankte. Obwohl sein Schädel gleich in Einzelteile zerfallen wollte, schmunzelte er über das Gebaren der Baroness. »Wenn Ihr darauf besteht, lege ich mir die Decke über. Und wenn es schon nach Euren Wünschen geht, wer sollte ich denn Eurer Meinung nach sein?«

      Pearlene schnaubte zornig in ihre Hände. »Eigentlich wünsche ich mir, dass Ihr Euch in Luft auflöst, aber da das wahrscheinlich nicht passieren wird, bestehe ich unbedingt darauf, dass Ihr Euch bedeckt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Ihr Bradford seid, denn Euer Bruder Arden würde einer Frau so etwas gewiss nie antun!«

      »Ihr könnt jetzt ohne Gefahr wieder zu mir sehen, Baroness. Aber ich muss Euch widersprechen: Was meinen Bruder angeht, habt Ihr keine Ahnung, zu was er fähig ist, und ich habe Euch gar nichts angetan.« Grübelnd zog sich Bradfords Stirn in Falten. »Denke ich zumindest … Andernfalls kann ich mich nicht mehr daran erinnern?«

      Pearlene nahm die Hände herunter. Sie wollte ihre Augen in einer missbilligenden Geste über die Gestalt des Dukes wandern lassen, um ihm deutlich vorzuführen, für was für einen verkommenen Schuft sie ihn hielt. Allerdings hatte er die Decke nur um seine Hüften geschlungen und bot ihr noch immer seinen muskulösen Oberkörper dar, der ihr den Atem nahm und sie vergessen ließ, was sie beabsichtigt hatte. Die Baroness schüttelte den Kopf, um ihre Sinne zur Ordnung zu rufen.

      »Ich liege also richtig mit meiner Vermutung, dass Ihr Bradford seid. Aber wenn Ihr mir nichts angetan habt, warum liege ich dann mit Euch in dieser Gondel?«, keifte sie ihn an.

      Bradfords Züge wurden ernst. »Das Gleiche könnte ich Euch fragen? Ich habe mich nämlich nicht ausgezogen und zu Euch ins Boot gelegt. Vielleicht wart Ihr das?«

      Empört riss Pearlene die Augen auf, doch Bradford war nicht zu stoppen.

      » Vielleicht wolltet Ihr mich auf diese Weise zu einer Heirat zwingen?«

      Die Baroness hievte sich hoch auf die Füße und rang nach Luft. »Das ist ungeheuerlich, was Ihr da behauptet!«

      Bradford erhob sich ebenfalls. »Vielleicht ist das alles eine ausgeklügelte Intrige gegen mich? Gebt zu, dass Ihr Euch selbst bis auf die Unterwäsche ausgezogen und Euch zu mir gelegt habt?«

      Pearlene blickte überrascht an sich herunter und schnappte wie eine Forelle auf dem Trockenen nach Wasser, als sie sah, dass sie nur noch das Mieder und ihre Unterhose trug. »Wie ist denn das ...? O Gott! Gebt mir die Decke!«

      Verzweifelt versuchte sie, Bradford die Decke zu entwenden, doch dieser hielt sie fest.

      »Nein, das ist Eure Strafe dafür, dass Ihr mich entführt habt, und außerdem finde ich Euren Anblick so ganz entzückend.«

      »Ihr seid vollkommen verrückt. Das ist doch alles völlig absurd.« Außer Puste von dem sinnlosen Unterfangen, die Decke zu ergattern, gab Pearlene schließlich auf und heulte resigniert: »Denkt doch mal nach! Wie sollte ich Euch