Hedwig Courths-Mahler

Das Halsband


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würde.

      Gräfin Thea hatte danach ihre Abreise für den nächsten Morgen festgelegt und war auch dann programmmäßig mit ihrer treuen Grill in Berlin eingetroffen.

      Am nächsten Vormittag, Punkt elf Uhr überreichte ihr Grill eine schlichte Visitenkarte.

      »Anton Völker.«

      »Führe den Herrn herein, Grill, und bleibe im Nebenzimmer, daß wir von niemand gestört werden,« sagte Gräfin Thea.

      Grill verschwand und gleich darauf trat ein mittelgroßer, gutgekleideter Mann von ungefähr vierzig Jahren in das elegante Hotelzimmer. Gräfin Thea sah forschend in sein bartloses, nicht uninteressantes Gesicht, in dem das Kinn und die Nase besonders charakteristisch waren. Die tiefliegenden grauen Augen hatten mehr den Ausdruck eines Künstlers oder Gelehrten, doch leuchteten sie zuweilen seltsam auf.

      Artig und höflich, als ein Mann von guter Erziehung, verneigte er sich vor ihr.

      »Frau Gräfin Theodora Wildenfels?« fragte er mit einer ruhigen, sympathischen Stimme.

      »Ich bin es, Herr Völker — bitte, nehmen Sie Platz. Ich muß Ihre Aufmerksamkeit eine Weile in Anspruch nehmen.«

      Sie deutete auf einen Sessel. Völker ließ sich darauf nieder und betrachtete mit diskretem Interesse das leidvolle, gütige Gesicht der vornehmen Aristokratin.

      »Meine Zeit gehört Ihnen, gnädigste Gräfin. Ich bitte, ganz darüber zu verfügen. Je ausführlicher Sie mich mit Ihren Wünschen bekannt machen, je besser kann ich Ihnen dienen.«

      Gräfin Thea holte tief Atem und begann dann zu erzählen von dem vor fünfzehn Jahren verschwundenen Halsband. Sie schilderte genau die Veranlassung zur Entlassung des Rendanten Horst und sagte ihm, daß ihr Mann damals nur von einer Anzeige Abstand genommen hatte, weil Horst schon seit vielen Jahren seine Stelle verwaltete und sonst ein sehr tüchtiger Beamter gewesen wäre. Außerdem wäre es ihm unangenehm gewesen, mit der Polizei in Berührung zu kommen.

      »Auch ich hatte meinen Mann aus Mitleid mit Horst's Familie selbst darum gebeten, ahnungslos, daß ich selbst am Verschwinden des Halsbandes schuld war,« fuhr sie fort.

      Völker, der bisher unbewegt ihrem Bericht gefolgt war, sah sie bei diesen Worten mit einem seiner seltsam forschenden Blicke an.

      »Sie selbst?« fragte er aufmerksam.

      »Ja, ich selbst. Denken Sie sich mein Erschrecken, als ich vor einigen Tagen das Halsband in einem Geheimfache meines Schreibtisches fand, wo ich es damals in der Zerstreuung selbst hingelegt hatte.«

      Wieder traf sie ein intensiv aufleuchtender Blick.

      »Bitte, weiter,« sagte er aber nur.

      Gräfin Thea schilderte ihm nun ihre Unruhe, ihre Gewissensbisse, daß durch ihre Unachtsamkeit so viel Leid und Schmach über einen ehrlichen Mann und seine Familie gebracht worden war. Sie hatte sich schon so in den Gedanken eingelebt, daß es wirklich so war, wie sie es erzählte, daß sie kaum noch das Gefühl hatte, die Unwahrheit zu sagen. Sie schloß ihren Bericht mit der Bitte, Völker möge seine ganze Kunst, all seinen Scharfsinn aufbieten, um den jetzigen Aufenthalt der Familie Horst zu ermitteln, damit sie ihre Schuld wieder gut machen könnte. Das sei ihr Auftrag, den sie ihm zu erteilen habe.

      Völker verneigte sich, als sie zu Ende war und zog ein ziemlich starkes Notizbuch hervor.

      »Gestatten Sie mir nur einige Fragen, gnädigste Frau Gräfin. Wissen Sie, wohin sich damals der Rendant Horst mit seiner Familie gewendet hat?«

      »Ja, sie sind nach Venezuela ausgewandert, wahrscheinlich, um sich dort eine Farm zu kaufen.«

      »Können die Mittel hierzu sehr groß gewesen sein?«

      »Kaum, da sie nur aus Ersparnissen während der Zeit seiner Tätigkeit bestanden haben können.«

      »In welchem Monat sind sie ausgewandert?«

      »In der Mitte des Juli.«

      »Bitte wollen Sie mir nun eine möglichst genaue Personalbeschreibung der drei Menschen liefern?«

      Gräfin Thea tat das und Völker notierte sich einiges. Dann fragte er weiter:

      »Hatte die Familie Horst Verwandte in Deutschland?«

      »Soviel ich weiß, nicht.«

      »Auch nicht in Amerika?«

      »Das scheint mir ausgeschlossen.«

      »Schön — das würde vorläufig genügen. Nun eine andere Frage, Frau Gräfin: Würden Sie für die Kosten einer Reise nach Venezuela aufkommen, wenn meine Nachforschungen von hier aus erfolglos wären?«

      Gräfin Thea nickte lebhaft.

      »Selbstverständlich. Ich bitte Sie, sich durch den Kostenpunkt gar nicht beeinflussen zu lassen. Mir liegt unendlich viel — alles — daran, meine Seelenruhe wiederzufinden und mein Unrecht gut zu machen.«

      »Sie geben mir also in allem freie Hand?«

      »Vollständig. Bitte, nennen Sie mir die Summe, die ich Ihnen anweisen lassen soll.«

      »Vorläufig genügen mir einige hundert Mark. Müßte ich nach Venezuela reisen, würde ich mir eine neue Anweisung ausbitten.«

      »Wie Sie wünschen. Jedenfalls bitte ich Sie, sich ausschließlich meiner Angelegenheit zu widmen.«

      »Das soll geschehen. Auf welche Weise darf ich Ihnen Nachricht zukommen lassen über meine Ermittelungen?«

      »Am besten, Sie suchen mich in Wildenfels auf, wenn Sie irgend welche Erfolge zu verzeichnen haben. Sonst bitte ich um briefliche Nachricht unter meiner Adresse.«

      Völker notierte sich auch das und steckte sein Notizbuch wieder zu sich. Dann erhob er sich.

      »Haben Sie sonst noch irgend welche Befehle, gnädigste Frau Gräfin?«

      »Nein, Herr Völler, mir liegt nur diese Angelegenheit am Herzen. Glauben Sie, daß ich mir Hoffnung machen darf?«

      Völker lächelte ein wenig. »Die Unruhen, die gerade kürzlich wieder in Venezuela stattgefunden haben — eigentlich hören sie nie ganz auf — machen die Nachforschungen schwierig. Von hier aus ist wohl kaum etwas zu erreichen. Aber ich habe schon schwierigere Aufgaben gelöst. Und schlimmstens Falles unternehme ich die Reise. Persönliche Nachforschungen führen dann meist zu einem Resultat.«

      Gräfin Thea reichte ihm die Hand. »Ich würde Ihnen zu großem Dank verpflichtet sein und werde mich sehr erkenntlich zeigen für Ihre Bemühungen. Meine ganze Hoffnung habe ich auf Sie gesetzt.«

      »Ich hoffe, Sie nicht zu enttäuschen. Gestatten Sie, daß ich mich zurückziehe, ich will sofort Vorbereitungen treffen.«

      »So gehen Sie und Gott helfe Ihnen und mir.«

      Völker verneigte sich tief und ging.

      Gräfin Thea sah ihm in Sinnen verloren nach. Als gleich darauf Grill eintrat, rief sie ihr lebhaft entgegen:

      »Grill — ich glaube, dieser Herr Völker findet sie. Sein kluges Gesicht hat mich mit Vertrauen erfüllt.«

      »Das will ich hoffen. Aber Frau Gräfin dürfen sich nun nicht mehr über die ganze Angelegenheit aufregen.«

      »Das will ich auch nicht, gute Grill. Nun laß einen Wagen holen. Wir wollen für meinen Enkel doch eine kleine Ueberraschung einkaufen. Etwas muß ich ihm doch von Berlin mitbringen. Mit dem Dreiuhrzuge fahren wir wieder heim. Mein Geschäft ist hier erledigt.«

      8.