John Marten Tailor

Der Fall - Amos Cappelmeyer


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ihr nach Hause.

      Auf dem Schrottplatz traf Audrette ihre Agenten. Sämtliche Vorbereitungen waren abgeschlossen, nun warteten sie auf weitere Instruktionen. Ein zufriedenes Nicken der Chefin war der Dank.

      »Raucherpause, Jungs. Verzieht euch.« Dabei schweifte ihr kalter Blick bereits über den makellosen Körper. Stählern war er, jeder Muskel darin dezent ausgeprägt, unterstrichen die athletische Figur. Der Anblick fesselte die Texanerin auf ungewöhnliche Weise, doch als sie sprach, war davon nichts zu spüren: »Na Honey? Wie sieht es aus? Leider muss ich dir jetzt ein kleines bisschen wehtun, aber ich werde vorsichtig mit dir umgehen. Versprochen.«

      »Das brauchst du nicht. Mach nur deinen Job, Flittchen. Ich bin harte Sachen gewohnt, also tu dir keinen Abbruch!« Audrette trat noch einen Schritt näher an die Gefesselte heran, so dass sie ihren Atem spüren konnte. Sie hing fest in den Seilen, in Unterwäsche wie gewünscht, die Arme nach hinten gebunden, dadurch stachen ihre ansehnlichen Brüste hervor. Unter ihr stand ein altes Maschinenbecken, randvoll mit einer Brühe, welche unappetitlich grünbräunlich schimmerte.

      »Also, was geht hier vor?«, hauchte die Gefangene. »Worauf sind Sie aus? Wollen Sie Geld?«

      »Pah!« Die Texanerin streichelte Annemaries Gesicht, befreite sie von der überproportionalen Fensterglas-Nurd-Brille. »Die brauchst du nicht.« Die Haare wallten lose herunter. Audrette küsste zärtlich die spröden Lippen. »Nein, dein Geld will ich nicht. Antworten möchte ich haben.« Audrettes Hände glitten über Brust und Bauch von Annemarie, die sich bei der Berührung verkrampfte. Sie umschritt die hängende Schönheit. »Zier dich nicht. Alles was ich will, bekomme ich sowieso, Teuerste.«

      Sie löste das Seil ohne Vorwarnung. Annemarie, die gerade protestieren wollte, kreischte kurz auf und tauchte in das Becken ein. Audrette zog in Zeitlupentempo den zappelnden Corpus in die Höhe. Die Gefangene hob ihren Oberkörper mit schierer Muskelkraft aus dem stinkenden Wasser, spuckte aus und keifte die Ermittlerin an:

      »Du Schlampe, ich wäre beinahe ertrunken! Sei froh, dass ich gefesselt bin, sonst ...«

      »Sonst was? Wendest du dann erneut deine Verführungskünste an?«

      »Nein, du bist wertlos für mich, ich hatte dich schon. Ein zweites Mal kommst du nicht in Frage, so einfach ist das. Ich spucke dich aus, wie ein ausgelutschtes Kaugummi!« Doch ihre Körpersprache signalisierte Angst, die Muskeln zitterten. Große Klappe, nichts dahinter. Wie schade. Audrette erwischte sich dabei, verbotene Regungen für die Gefangene zu entwickeln.

      »Wirklich schön, einfach perfekt.« Verdammt! Audrette verfluchte sich, ihre Gedanken laut ausgesprochen zu haben. Zehn Vaterunser! Nachdem sie bis zwanzig gezählt hatte, hievte sie Annemarie am Seilzug hoch, damit sie einander in die Augen sehen konnten. Die gequälten Lungen rangen noch verzweifelt nach Sauerstoff, doch Audrette stellte ihr ein unmissverständliches Ultimatum.

      »Ab sofort hast du zu tun, was ich fordere, ansonsten bedeutet es dein Ende!« Um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen, ließ sie Annemarie erneut kopfüber in die stinkende Brühe hinab und zählte bis dreißig. Jetzt sollte sie bereit sein, das zu tun, was man von ihr verlangte. Mit Bibbern und Stottern sprengte sie die harte Schale entzwei.

      »Antworten! Ich will Antworten.« Die Agentin brachte ihre wenigen Forderungen klar zum Ausdruck. Wildes Kopfnicken ihres Gegenübers bewertete sie als ja. »Also, du wirst das Manuskript von Amos Cappelmeyer abgestempelt an seine Adresse und eine Kopie an seinen Anwalt senden. Dein Chef hat es mitgenommen. Sieh zu, dass du es zurückbekommst. Wie, ist mir egal. Wenn du damit fertig bist, kommst du heute Abend in mein Hotel, hübsch angezogen, dann gehen wir essen. Du weißt ja, wo ich wohne. Danach bekomme ich eine Massage. Dein Körper gehört mir, Frau Seeling, kapiert! Gehst du fremd, schneide ich dir eigenhändig die Finger ab.« Die arme Frau wurde immer blasser, nickte. »Wäre wirklich äußerst bedauerlich.« Audrette hielt Annemarie ihre Kleidung entgegen. »Da, zieh dich an! Und dann kannst du mir noch eine Frage beantworten: Spät abends, du weißt, von welchem Abend ich rede, war ein angeblicher Ingenieur im Verlag. Du hast ihn hinaus begleitet. Was wollte der bei euch?«

      »Was? Wer? Ich weiß nicht, wen du meinst«, heuchelte Annemarie, während sie sich die Sachen überzog.

      »Tu nicht so. Ich habe dir doch was gesagt.«

      »Ich weiß nichts darüber. Es war ein wichtiger Besuch, das ist alles. Der Chef hat alleine mit ihm gesprochen hinter verschlossenen Türen. Ehrlich.«

      »Gut, ich glaube dir.« Arm in Arm gingen sie zum Auto, ganz wie alte Freundinnen, die sich nach langer Zeit wiedergefunden hatten. Im Verlauf der Fahrt folgte eine weitere Anweisung:

      »Zu niemanden ein Sterbenswort! Ich werde dich finden, egal wo, zu jeder Zeit.« Dabei hielt sie ihrer Mitfahrerin die Dienstmarke unter die Nase. Die erbleichte eine weitere Nuance. »Und ich meine, was ich sage. Ab heute gehört dein Arsch mir, Annemarie, für immer. Pack nachher noch Schlafzeug zusammen. Du übernachtest bei mir im Hotel, ich will dich verwöhnen!« Die Angesprochene wurde rot, dann wieder blass und starrte auf ihre Hände.

      »In Ordnung.«

      »Wirklich?«

      »Ja, alles klar. Wir machen es, wie du gesagt hast.« Audrette verlangte noch einen weiteren Kuss, dabei knetete sie ihren Schoß.

      »Ach, Fräulein: Überall im Büro sind Wanzen platziert.«

      So kehrte die Seeling an ihrem Arbeitsplatz zurück. Bis Feierabend blieben noch zwei Stunden Arbeitszeit. Über das Handydisplay beobachtete die Agentin die Komplizin aus dem Verlagshaus kommend, mit dem Manuskript unter dem rechten Arm.

      »Braves Mädchen.« Die Frau steuerte direkt auf das nahegelegene Hotel zu.

      Bei einsetzender Abenddämmerung fiel eine verängstigte Annemarie weinend ihrer Peinigerin in den Arm.

      »Was ist denn passiert? Du hast doch das Manuskript, oder?«

      »Ja, hab ich. Es ist hier in der Tasche. Nein, es geht um etwas ganz anderes.«

      »Da bin ich gespannt. Dann setzten wir uns mal.« Audrette hatte unwissentlich eine Lawine losgetreten. Annemarie berichtete unter Tränen, ihr Freund Lukas habe sie vor eineinhalb Jahren verlassen.

      »Für einen Kerl! Ist das zu fassen? - Wir waren verlobt! Er war meine große Liebe. Und seither, na ja, ...«, ... sei sie auf Frauenfang, legte jede ein einziges Mal flach und behandelt sie anschließend wie Dreck. »Das ist so falsch, ich weiß. Ich bin ein fürchterlicher Mensch.«

      »Sag das nicht.« Ein Kuss sollte trösten, Audrette streifte ihr die Sachen ab und legten den vorzüglich gestählten Körper frei. »Vergiss den Kerl. Er ist es nicht wert.« Bedächtig streichelte sie die erregten Brustwarzen, touchierte ihren Beckenkamm, der danach erbarmungslos bebte. »Bist du immer so leicht erregbar?« Annemarie nickte heftig. »Fein. Dann zieh dich komplett aus.«

      Heute war es anders, angenehm, aber längst nicht so befreiend wie beim ersten Mal. Annemarie hatte sich hingelegt, ihre Liebste folgte ihrer wohlgeformten Silhouette. Sie schmiegte sich an sie, beide ließen sich treiben mit der Massage. Funkelnde Blicke trafen sich, alles in dem Bewusstsein, dass es nicht für ewig sein sollte. Audrette fragte nur:

      »Willst du Leben und glücklich sein oder unglücklich sein und kein Leben haben?« Annemarie hauchte mit sehr femininer Stimme:

      »Leben und glücklich sein, natürlich. Was für eine Frage.«

      »Na siehst du. Mit Sicherheit gibt es den perfekten Partner für dich und wahrscheinlich kenne ich den sogar. Ein Mann, total zärtlich, dabei sehr bodenständig. Keine klassische Augenweide, aber interessant. Ich beschütze ihn, weißt du.« Audrette streichelte ihr Gesicht, bewunderte ihr Haar, das einen herrlichen Glanz besaß, den sie selber nie hinbekam, allenfalls nach teuren, aufwendigen Friseurbesuchen. »Dieser Mann hat eine absolut gutherzige Frau verdient, die nicht auf Äußerlichkeiten achtet, sondern weiß, was Ehe bedeutet.« Ein tiefer Seufzer, dann brachte sie es auf den Punkt: »Sein kleiner Amos bewirkt Wunder.« Ein Lachanfall Annemaries sprengte die Ketten endgültig. Der Knoten war geplatzt.

      »Das