Andreas Egger

Die Zweite Welt


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Entkräftet rappelte er sich auf, um die nächste Attacke abzuwehren. Surrend sauste die Keule eine Handbreit vor seiner flachen Stirn vorbei. Als Rechtshänder konnte Zrak nicht viel mit der schweren Waffe in der Linken anfangen, doch er hatte keine Wahl. Mit der ihm verbliebenen Kraft, führte er eine schwere Gegenattacke. Er drehte sich im Kreis, nach links verlaufend, die schwere Waffe in der horizontalen, am hintersten Ende des Schaftes gepackt. Mit dem Gewicht seines Körpers und der Wucht der Fliehkraft, krachte die Axt mit dem vollem Blatt gegen Hand und Keule des Ogers, welche jener gerade zurückzog, um eine neue Attacke zu starten. Laut heulte der Getroffene auf. Die Keule flog mehrere Schritt nach hinten. Der Oger blickte auf seine verletzte Hand, dann auf Zrak. Mit aller Gewalt brüllte er und breitete die Arme aus, wobei er seine getroffene Linke zur Faust ballte und wieder öffnete, wohl um sich zu versichern, dass sie noch einsatzbereit war. Kurz schien es, als wolle er sich auf den Minotaur werfen. Dann jedoch blickte er an ihm vorbei auf Brube, der wie ein wilder Büffel angerannt kam, dicht gefolgt von Klai und Mauran.

       Schnell wand sich der Oger um. Mit einem weiten Satz war er wieder bei seiner Keule und ergriff sie ungeschickt mit seiner tauben Hand. Dann richtete er sich auf, brüllte seinen Hass gegen seine Gegner laut heraus, griff jedoch nicht wieder an. Erschöpft stand er da, brüllte und keuchte abwechselnd, massierte mit der Rechten seine Schlaghand und schöpfte Atem.

       „Haltet ... ein!! ... Brube!!“, rief Mauran stockend. „Die Zeit ... arbeitet nun für uns ... Haltet ein ...“ Wenn man sich den ansonsten gutaussehenden Mann näher anschaute, konnte man nachvollziehen, was er eigentlich sagen wollte. Komplett außer Atem stolperte Brube heran, die Miene verzogen, schweißüberströmt und vom Schlamm besudelt. Gefolgt von Klai, der keineswegs einen besseren Eindruck erwecken mochte. Zudem hielt er sein Schild bedenklich niedrig in der kraftlosen Linken, so, als könne er es nicht mehr länger tragen.

       Dermaßen geschwächt in den Kampf zu gehen, war keineswegs ratsam. Dieser Oger würde hier seinem Leben entsagen. So oder anders. Doch lag es nicht im Interesse Maurans, Verletzte, oder gar Gefallene zu beklagen.

       Brube war nie ein Mann von Vernunft. Zu diesem Zeitpunkt jedoch geschwächt genug, um Mauran Gehör zu schenken. Er wurde langsamer und kam keuchend neben Zrak zu stehen, legte die Hände auf die Knie und rang nach Atem, ohne jedoch den Oger aus den Augen zu lassen.

       Würde ein unbeteiligter das Szenario erblicken, mochte er wohl lachen oder weinen. Beides schien in gleichem Maße angebracht. Der Oger und seine Verfolger standen sich gegenüber. Alle schwitzend, dreckig und keuchend. Keiner schien irgendetwas anderes zu tun, als nach Atem zu ringen. Abgesehen von Zrak und dem Oger selbst. Die massierten zusätzlich ihre verschiedenen Quetschungen und Prellungen. Ja selbst die Götter würden wohl voller Unverständnis auf dieses Szenario blicken.

       „Gror soll dich holen, Kaal ... Wrahhh ...“, raunte der Oger nun, mehr zu sich selbst, als zu sonst jemandem. Sein träges Gehirn schien mit sich selbst zu ringen. Die Gefährten hatten dafür wenig Interesse. Zu sehr waren sie mit sich selbst beschäftigt.

       Es war Mauran, der die Initiative ergriff. Er bewegte sich nach rechts, langsam, kräfteschonend, doch bestimmt und wachsam. Klai folgte seinem Beispiel und wich nach links aus. Zrak schüttelte den Schädel, knurrte wütend und versuchte, seinen rechten Arm zu bewegen. Einen Schmerzensschrei unterdrückend, unterließ er seine Anstrengungen und blickte zu Brube. Nur kurz trafen sich die Augenpaare der beiden Waffenbrüder. Brube verstand, brachte sich in die Senkrechte und fasste seine Hellebarde fest mit beiden Händen. Nun rappelte sich auch Zrak träge auf. Unsicher stampfte er seine Hufe in den spritzenden Untergrund. Fast kampfunfähig aber zu allem bereit, fasste er die Axt fester mit der Linken und ließ sie in weiten Kreisen um seinen Kopf wirbeln.

       „Wrahhhhhhh!!!“, brüllte der Oger. Offensichtlich war er mit der Beweglichkeit seines Schlagarmes nicht zufrieden. Dennoch erkannte er die Zeichen, und wollte zum Angriff übergehen. Kurz blickte er in die Runde und bewegte sich langsam rückwärts, um nicht zwischen drei Fronten zu geraten. Seine Augen fixierten die Gegner. Offensichtlich verfügte er über die Fähigkeit, den Kampf nach gewissen Kriterien einzuschätzen.

       Nun ging alles sehr schnell. Er griff nicht einfach blindlings an, sondern warf sich mit wütendem Gebrüll ruckartig nach links, gegen Mauran. Jener erschrak kurz und sprang katzengleich nach links, in Richtung seiner Kampfgefährten, während er einen gezielten Stich mit dem Degen gegen das Knie des Ogers führte. Mit lautem Aufbrüllen stand der nun da, wo sich einen Augenblick zuvor der sehnige Mensch befunden hatte. Er nahm sich nicht die Zeit, die Stichwunde an seinem Unterschenkel zu begutachten, holte weit aus und drehte sich, um Mauran mit einem wuchtigen Hieb zuzusetzen. Der hatte sich jedoch nicht ohne Grund vor Brubes Füße geworfen. Brube hatte schon in weitem Bogen ausgeholt und rammte das Blatt der Hellebarde tief in das Fleisch unterhalb der rechten Schulter des Riesen, noch ehe dieser seinen geplanten Hieb ausführen konnte.

       Blut spritzte nach allen Seiten. Schmerzerfüllt heulte der Oger auf. Im gleichen Moment stürmten Klai und Zrak mit Gebrüll los, um dem vermeintlich bezwungenen Gegner den Garaus zu machen. Brube wollte seine Waffe lösen und zog am Schaft, um das Blatt aus dem Fleisch zu befreien. Immer lauter heulte der Oger. Nun klang es jedoch mehr nach Mordlust, als nach Schmerz. Mit seiner monströsen Pranke fasste er den Stiel der Hellebarde, riss sie aus seinem Körper und dann zu sich heran. Brube, ein Koloss von gut hundertfünfundzwanzig Stein, flog förmlich gegen die Keule des Ogers. Mit dumpfem Krachen ging sie auf die ungeschützte Stirn des Hünen nieder. Ohne einen Ton sackte Brube in sich zusammen und löste seine Hände kraftlos vom Schaft der Hellebarde.

       In dem Moment als Mauran auf die Füße kam, zischte Zraks Axt an ihm vorbei und rammte schwer das linke Schulterblatt des Ogers. Die Keule fiel ihm aus der Hand, während er brüllte, als wolle er das Erdreich zum Bersten bringen. Nun kam Klai von der Rückseite. „Friss Stahl!“, fluchte er im Kampfrausch und bohrte sein Langschwert in den Rücken der Bestie.

       Mauran machte einen Satz zurück, ließ seine Waffen fallen und versuchte, Brube vom Kampfplatz wegzuziehen, jedoch ohne Erfolg. Der leblose Körper seines Freundes war einfach zu schwer. Mauran konnte keinen Halt zu finden, rutschte aus und setzte sich auf den Hosenboden.

       „Zrak!!“, rief er noch, dann griff Mauran wieder nach seinen Waffen. Zrak hörte ihn, war aber damit beschäftigt, einen erneuten ungeschickt geschwungenen Angriff gegen den schwer verwundeten Oger zu starten. Der jedoch drehte sich unter Schmerzen zur Seite, wobei er zum einen dem Angriff Zraks ausweichen konnte und zum anderen Klai samt seinem Schwert zu Boden warf. Die Axt des Minotaur, die nun ziellos durch die Luft sauste, nahm ihrem Träger beinahe das Gleichgewicht. Knurrend ließ er die schwere Waffe los. Sie flog ein gutes Stück und landete in einem toten Brombeerstrauch.

       Klai kämpfte sich unterdessen ungeschickt auf die Beine. Auch Mauran richtete sich auf, den Dolch in der Linken und den Degen in der Rechten. Zrak hastete zu Brube, um ihn fortzuzerren.

       Der Oger stand wackelig auf seinen Füßen und stöhnte vor Schmerz und Wut. Die erbeutete Hellebarde lag nun in seiner Rechten. Sie wirkte trotz ihrer Größe zu zierlich für die mächtige Faust, die sie umschloss. Der Oger holte weit aus, und fixierte Klai. Mit lautem Zischen zerschnitt die Hellebarde die Luft. Der Jüngling sah die Waffe kommen, konnte aber nicht mehr reagieren. Das leichte Kettenhemd, das er trug, war kein ausreichender Schutz. Von links nach rechts riss ihm der gewaltige Streich die Bauchdecke auf.

       In der Zwischenzeit hatte Zrak den immer noch reglosen Brube unter großen Mühen ein Stück weggezogen und wand sich suchend in die Richtung, in der seine Axt entschwunden war. Mauran hingegen sprang von hinten auf den Rücken des Ogers, vergrub blitzschnell seinen Dolch im Nacken der Bestie, suchte daran Halt und trieb den Degen auf Brusthöhe durch den Körper des Monsters. Dann sprang er ab, ließ seine Waffen wo sie waren und ging rückwärts in Richtung des schwer getroffenen Brube.

       Nichts war mehr geblieben vom Kampfgebrüll der Bestie, außer einem schwachen Gurgeln. Dafür wimmerte Klai umso erbärmlicher, lag hilflos und schwer verletzt auf dem Rücken. Mit abgehackten Atemstößen blickte er auf seinen zerrissenen Bauch und krümmte sich vor Schmerz. Mit der Linken hielt er die Därme in seinem blutüberströmten Körper, mit der Rechten schob er sich stoßweise nach hinten, weg vom sterbenden Oger.