J.D. David

Sonnenfeuer


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glaube nicht, dass wir eine Wahl haben. Wenn wir dem General helfen, haben wir zumindest die Chance, an ein bisschen Gold zu kommen. Es gibt immer noch Teile Kargats, die nicht besetzt sind. Von hier fliehen wollen wir auch, vielleicht können die Herrschaften uns Türen öffnen, die sonst verschlossen wären.“

      „In Ordnung.“, sagte Eggbert und schaute dann in die kleine Runde. „Seid ihr alle dabei?“

      Florenzo hielt kurz inne, schien zu überlegen, aber nickte dann. „Ich bin dabei.“

      „Es wird wohl sein mein Ende - wenn ich schon wieder mit euch gehe - doch wie ichs dreh und wende - keinen andern Weg ich sehe.“

      „Ich bin dabei, Vater.“, bestätigte auch Sinja.

      „General Graufels.“, rief der Veteran laut und ging auf die anderen Flüchtenden zu. „Wir haben uns entschieden. Wenn Euer Angebot steht, uns zu entlohnen, werden wir Euch weiter begleiten und schützen. Aber wohin führt uns unser Weg?“

      Taskor wandte sich zu dem Mann um und war erleichtert. Außer Benno hatte er keinen anderen Kämpfer und der Junge war, wie gesehen, keine große Hilfe. Die Reise vor ihnen, egal wie sie es angingen, würde gefährlich sein. Er wusste nicht wieso, aber er hatte das Gefühl, dass man den vier Gestalten trauen konnte. Sie waren auf den ersten Blick alles andere als vertrauenserweckend, aber aus ihnen sprach eine gewisse, bodenständige Ehrlichkeit. Eben nur ein Gefühl. Aber sie hatten ja nicht viel zu verlieren.

      „Sehr gut. Die südlichen und westlichen Teile des Königreiches sind eingenommen. Die Städte im Norden der Küste wie Tengemünde, die Zwillinge und Wulfricshafen werden sich bald ergeben. Wir sollten nach Osten fliehen, ins Landesinnere, und dort nach Unterschlupf und Verbündeten suchen.“ Dann drehte er sich von dem Mann weg und ging auf die Königin zu, die im Gras saß. Neben ihr hockte Sonya.

      „Majestät, ich verstehe, wenn Ihr eine Pause braucht, aber wir sollten aufbrechen. Wir müssen heute so weit es geht vor den kaiserlichen Soldaten fliehen. Ich versprach, Eure Sicherheit und die Sicherheit Eurer Tochter zu gewährleisten.“

      Hega nickte kraftlos. Es war nicht einmal die körperliche Anstrengung, die ihr alle Energie nahm. Es war die gesamte Situation. Zu viele Menschen waren gestorben. Alle ihre Stiefenkel hatten nur zwei Tage nach ihrem Stiefsohn den Tod gefunden. Ebenso ihr Mann. Nun blieb nur noch ihre Tochter als Hoffnung für Kargat. Denn sie selbst spürte, wie ihre Kräfte wichen. Außerdem war sie im Vergleich zu Sonya nicht vom Blute Wulfrics. Doch daneben waren auch so viele weitere Kargatianer gestorben. Soldaten. Bürger. Frauen. Kinder. Es würden noch viele folgen, bis der Tag sein Ende fand.

      „Majestät?“, hakte Taskor nach, als Hega nicht direkt antwortete. Nur langsam drehte die Königin den Kopf zu dem älteren General und schaute dem langjährigen Vertrauten in die Augen.

      „Sag, Taskor, gibt es noch Hoffnung?“ Der General streckte den Rücken wieder durch und richtete sich auf. Kurz hielt er inne, bevor er antwortete.

      „Ja, es gibt Hoffnung.“, sagte er mit fester Stimme, „Sonya ist die nächste Königin Kargats. In ihr fließt das Blut Wulfrics. Egal ob es Monate, Jahre, oder Jahrzehnte dauern wird, wir werden unser Land wieder zurückerobern. Jeden noch so kleinen Fleck. So lange es noch Menschen wie unsere neuen Gefährten gibt, die trotz aller Widrigkeiten unsere Flucht unterstützen wollen, gibt es Hoffnung für Kargat. Denn Kargat, das sind keine Steine und Titel, es sind die Menschen, die dieses Königreich beleben.“

      Hega schaute kurz zu Boden, streckte dann aber ihre Hand zu Taskor, der ihr half, aufzustehen. „In Ordnung, General, ich glaube dir.“, antwortete sie und schaute dann zu ihrer Tochter. „Sonya, danke für deine Stärke. Ich werde von nun an versuchen, dir eine gute Mutter zu sein. Wir können nicht mehr ändern, was passiert ist. Aber wir können die Zukunft des Königreiches gestalten. Ich glaube an dich.“

      Sonya lächelte, fast schüchtern, ob der ehrlichen Worte der Mutter. Dann senkte sie den Kopf und verbeugte sich leicht vor ihr.

      „Danke Mutter. Ich werde diese Hoffnungen nicht enttäuschen.“

      „Wir sollten nun aufbrechen.“, mahnte Eggbert die Adeligen zur Eile. „Florenzo wird uns führen, ich werde mit Sinja die Nachhut bilden.“

      Kapitel 3

      „Du musst mir alles über Taarl erzählen, Sylvius.“, forderte Lerke ihren jungen Mitreisenden auf und unterbrach so die Stille in der Kutsche. Es war der zweite Tag, seit ihrem Aufbruch aus Grünburg. Gestern war sie in Gedanken noch in ihrer Heimat gewesen. Der Hauptstadt von Rethas, die sie in ihren neunzehn Lebensjahren eigentlich nie verlassen hatte. Außer kleinen Spaziergängen und Ausritten in die umliegenden Wälder. Doch es war nun genug der Melancholie. Nun galt es für sie, nach vorne zu schauen. Denn dass ihre Zukunft in Tandor, in Taarl, lag, war nicht mehr umzukehren. Also sollte sie die Reise dahin nutzen, so viel wie möglich zu erlernen.

      Sylvius schaute sie etwas überrascht mit großen Augen an, als er so direkt angesprochen wurde. Er war seinem Vater, dem Herzog von Tandor, wie aus dem Gesicht geschnitten, hatte die gleichen schwarzen Haare, ordentlich kurz gestutzt, und durchdringenden grünen Augen. An seiner Oberlippe zeichneten sich schon erste leichte Haare ab, die den Übergang des Vierzehnjährigen hin zum Mann andeuteten.

      „Ja, in Ordnung.“, sagte er etwas verwirrt, räusperte sich dann aber. „Was willst du denn wissen?“ Lerke von Rethas galt nicht ohne Grund als eine der schönsten Jungfrauen des Reiches. Über die Jahre war die goldene Farbe ihrer Locken noch durch einen leichten Rotstich ergänzt worden, der für das Haus Rethas üblich war. Ihre strahlendblauen Augen vermochten es, jeden Mann um den Finger zu wickeln. Auch ihre Figur war attraktiv anzusehen. Kein Wunder, dass es der Sohn des wohl mächtigsten Mannes Valoriens war, der sie bald heiraten würde: Lumos von Tandor.

      „Naja, einfach so alles. Ich will wissen, wie die Stadt ist. Wie deren Bewohner sind. Wie die Burg von Taarl aussieht. Und was mich erwartet, wenn ich deinen Bruder heiraten werde. Stimmt es, dass in den Straßen viele Urben umherstreifen? Die machen mir ja immer ganz viel Angst.“

      „Mmh, wo fange ich da am besten an.“, überlegte Sylvius kurz laut. „Wir fangen bei der Stadt an. Lass es mich mit Grünburg vergleichen. Grünburg erscheint in diesem Vergleich wie ein Baum. Die Festung ist der mächtige Stamm und all die Häuser und Straßen wachsen in alle Richtungen. Man kann den Wuchs des Baums nicht kontrollieren, und so ist auch Grünburg. Herzliche Menschen, die gemeinsam in den Tag hinein leben und sich wie ein Blatt im Wind wiegen. Taarl hingegen ist wie ein Fels. Es ist schroff und kalt, und dennoch von beeindruckender Schönheit. Die Mauern und Straßen sind klar angelegt, nichts ist dem Zufall hinterlassen. Und die Bewohner sind hart und entschlossen, ihre Stadt auf alle Ewigkeit zu verteidigen.“

      Lerke merkte, dass Sylvius einiges von seinem Vater hatte, das über das Aussehen hinausging. Für einen so jungen Mann hatte er einen äußerst scharfen Verstand, der aber neben der strategischen Kälte des legendären Herzogs auch eine gewisse Kreativität barg. So war die Beschreibung zugleich lyrisch, aber auch anschaulich für sie.

      „Das hört sich ja eher unangenehm an. Und da kann man gut leben?“

      Sylvius musste leicht auflachen ob der Zweifel von Lerke. „Nein, so schlimm ist es nicht. So hart die Stadt nach außen wirkt, so warm kann sie innen sein. Die Feste meines Vaters hat viele Kamine und Feuerstellen, für kalte Winter, wenn der Wind von den Dunkelzinnen hinab bläst. Im Sommer kann man durch das ganze Umland reiten, auf den besten Pferden Valoriens. Meine Mutter wird sich sehr auf dich freuen. Und meine Schwester Cecilia bestimmt auch.“, antwortete er mit einem warmen Lächeln. Auch er selbst freute sich, wieder in seine Heimat zurück zu kommen. Seit nunmehr vier Jahren war er in der Knappschaft bei Graf Valentin von Ostwacht, und hielt sich so meist in Ostwacht, am Stammsitz des Grafen oder in Grünburg auf, wo Valentin die meisten der Regierungsgeschäfte von Rethas übernommen hatte.

      „In Ordnung. Und das mit den Urben?“, hakte Lerke nach.

      „Ja, es gibt einige Urben in Taarl. Aber sie sind treue Diener meines Vaters. Und wenn sie dir Angst machen, wird Dolf sie mit Sicherheit verscheuchen, nicht wahr?“,