J.D. David

Sonnenfeuer


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Ländern wandern, als Boten der Trias, und ihre Göttliche Macht und Gnade mit uns teilen. Auf dass Frieden einkehren mag in Valorien, und all jene, die ihre Waffen gegen das Volk richten, bestraft werden mögen. Und auf dass wieder Hoffnung in die Herzen der Menschen zurückkehrt, um auf dem Pfad der Gnade, der Stärke und der Weisheit zu wandeln, wie es uns die Trias gebietet. Darum bete ich. Und beten wir.“

      Die Priesterin schloss die Erzählung, indem sie die Augen schloss und den Kopf senkte. Daron erkannte, wie die Menschen um ihn herum es ihr gleich taten. Dann sprach Helena ein Gebet und jede Zeile wiederholten die Bewohner von Eschfurt in einem monotonen Chor.

       Elona, schenke uns deine Gnade

       Thorian, gib uns Kraft und Stärke

       Kylael, führe uns auf den Weg der Weisheit

       Auf dass die Macht der Trias ihr Licht über uns scheinen lässt

      Es erinnerte Daron fast an die Gebete seiner Brüder an Laëa. Doch waren ihre Gebete und Meditationen immer stärker gewesen, hatten die Kraft der Mutter dieser Welt hervorgebracht. Dagegen war die Trias eine reine Hoffnung, gar eine Illusion, der sich die Gläubigen hingaben. Doch war es die Kraft dieser Hoffnung, die den geplagten Bewohnern von Eschfurt anscheinend Stärke gab.

      „Und, Daron, was denkst du über die Geschichte?“, fragte Helena nach einer kurzen Pause und schaute ihn eindringlich an. Daron spürte, dass ob der Atmosphäre seine Kehle ganz trocken war und musste sich kurz räuspern.

      „Es ist faszinierend und ergreifend. Obwohl ich euren Glauben nicht teile, wünsche ich zutiefst, dass eure Gebete erhört werden.“, antwortete er. Helena lächelte ihn an, obwohl da etwas in ihrem Blick war, das er erst nicht genau deuten konnte.

      „Sie werden erhört werden, dessen bin ich mir sicher.“, sagte Helena zuversichtlich. „Aber nun haben wir schon eine fortgeschrittene Stunde. Und morgen will ich dir gerne noch die Geschichte von Lora der Ritterin erzählen, die ich selber einst traf.“

      Daron erkannte, wie die Gäste sich erhoben und die ersten bereits den Gastraum verließen. In der Tat merkte auch er, dass er langsam müde wurde und die Anstrengungen des Tages sich auf ihn legten.

      „Ich bin schon sehr gespannt.“, gab er mit einem Lächeln zurück und stand auf. Er lief auf die Treppe zu, die zu dem kleinen Zimmer führte, dass man ihm zugewiesen hatte. Dabei passierte er Helena, die die Hand ausstreckte und ihn leicht am Arm berührte. Während die anderen Bewohner aufstanden und so einen Geräuschpegel im Raum erzeugten, flüsterte sie einige Worte, die nur er verstehen konnte.

      „Und vielleicht können wir heute Nacht noch mehr als Geschichten teilen.“, sagte sie leise. Daron hielt inne und schaute der Priesterin in die Augen. Nun erkannte er den Blick genauer, den sie ihm zugeworfen hatte. Es war ein Verlangen. Er lächelte zurück.

      „Eine gute Idee.“, sagte er mit einem schelmischen Blick. Dies war wohl ein weiterer Vorzug, seitdem er auf Reisen war. Er war nicht länger hinter Klostermauern gefangen, die ihn in gewissen Belangen des Lebens deutlich einschränkten. Und anscheinend hatte auch Helena Interesse an dem Fremden, der er doch war.

      Die Nacht lag noch über Tandor, als die Reiter die Lichter des Dorfes sahen. Es war nur ein leichter Schein des Feuers, der aus dem Gasthof zu sehen war. Alle anderen Häuser lagen in der Dunkelheit, nur vereinzelt stieg noch Rauch in den Himmel. Nicht mehr lange und die Sonne des neuen Tages würde auf Eschfurt scheinen. Doch dieser Tag würde wohl nichts Gutes bringen.

      Lumos‘ Pferd schnaubte und scharrte nervös im Sandboden. So unruhig der Hengst war, so ruhig und gefasst war der Reiter. Mit kaltem Blick musterte er das Dorf.

      „Euer Gnaden, dies ist das Dorf, aus dem wir die Berichte der Triasverehrung haben.“

      Lumos blickte wortlos zu dem Freiherrn von Eisenstein hinüber. Golbert war ein treuer Berater und Diener, den sein Vater ihm wohl eigentlich zugeordnet hatte, um auf ihn aufzupassen. Sollte der Herzog das doch tun. Lumos würde schon dafür sorgen, dass die Berichte an Celan stets seinen eigenen Erwartungen entsprachen.

      Statt zu antworten zog er nur erwartungsvoll die Augenbraue hoch und musterte Golbert. Im Vergleich zu vielen Kriegern war der Freiherr schmächtig. Er war recht groß gewachsen, hatte aber ein schmales Gesicht und recht schlanke Gliedmaßen. Seine Augen wirkten stets erschöpft und müde, und auch sein Haar war schon licht. In Lumos Augen war Golbert keine starke Person. Er war ein Mann, der Befehle befolgte und nicht dazu gemacht war, wirklich zu führen, echte Macht auszuüben. Lumos verachtete ihn. Aber er konnte ihn als Werkzeug nutzen.

      „Euer Gnaden, wie lauten Eure Befehle? Sollen wir das Dorf angreifen?“, hakte der Freiherr nach. Lumos nickte nur mit dem Kopf und drehte dann wieder seinen Blick zu dem Dorf. Er kniff die Augen zusammen und beobachtete Eschfurt. Golbert wirkte noch immer nicht entschlossen, den Angriffsbefehl zu geben. Obwohl er bereits die ruhige Art von Lumos kennen sollte, schien er noch auf einen expliziten Befehl zu warten.

      Der Sohn des Herzogs atmete hörbar aus und seufzte. Dann erst erhob er selbst die Stimme. „Ja, greift es an. Tötet die Männer. Brennt die Häuser nieder. Treibt die Frauen zusammen. Die Kinder sind mir egal.“, befahl er kalt, doch laut genug, dass auch die Soldaten ihn verstehen konnten. Er hatte einige tandorische Reiter unter seinem Kommando, aber noch mehr Urben von Narthas Khan. Die Männer der Steppe waren äußerst nützlich. Sie hinterfragten die Befehle weniger. Sie führten sie aus. Und sie waren erfahrene und gefürchtete Kämpfer. Gerade gegen andere Valoren ein hohes Gut. Denn die Urben hatten keine Skrupel.

      Golbert wirkte erst etwas verwirrt, schien sich aber nicht zu trauen, Widerworte zu geben. Er hatte gesehen, was mit Männern passierte, die den Befehlen von Lumos nicht folgten. Er wollte nicht zu diesen Männern gehören. Egal wie gut seine Beziehung zu Celan war, im Moment war Lumos der Mann, der hier das letzte Wort sprach. Golbert selbst wollte nicht Bestandteil dieses letzten Wortes sein. Also zog er sein Schwert aus dem Gürtel.

      „In Ordnung, Männer, ihr habt die Befehle vernommen. Diese Menschen beten die Lügen der Trias an und untergraben den Anspruch unseres Herzogs Celan. Sie haben das Leben nicht verdient, denn sie sind Hochverräter. Lasst uns ein Exempel statuieren. Alle, die von Eschfurt hören, sollen in Demut vor Tandor knien und seine Herrschaft anerkennen. Für Tandor!“, rief er noch laut und setzte dann sein Pferd in Bewegung.

      Lumos sah, wie rechts und links die Reiter losgaloppierten. Er selbst gab seinem Pferd nur den Befehl für einen leichten Trab und folgte seinen Soldaten in Ruhe. Es gab keinen Grund, selbst am Kampf teilzunehmen, wenn er doch auch nur das Resultat begutachten konnte.

      „Ob die anderen Menschen endlich lernen werden?“, hörte er eine Stimme neben sich und schaute zur Seite. Der Urbe, der zu ihm aufgeschlossen hatte, trug seine Haare und seinen Bart lang, wie die meisten der Anführer der Stämme. Trotz des jungen Alters wirkte er wie ein mächtiger Krieger der Steppe.

      Lumos lächelte kalt. „Wohl kaum. Aber ein um das andere Dorf wird brennen, bis wir diesen Verrat vernichtet haben. Bald schon wird niemand mehr wissen, was diese Trias sein soll, Lokran.“, antwortete er seinem Vertrauten. Lokran, Sohn von Narthas, ein Sohn des Khans, der seinem Vater diente. Und ein Waffenbruder seit jungen Jahre. Denn obwohl die Urben dienen sollten, wusste Lumos, dass er sich auf Lokran verlassen konnte. Vielleicht mehr, als auf die meisten Adeligen Tandors.

      Daron schlug die Augen auf. Er sah zum Fenster und spürte, wie die ersten Strahlen der Sonne auf sein Gesicht fielen. Doch es war nicht das Licht, das ihn geweckt hatte. Es waren Geräusche. Lärm geradezu. Erst konnte er es nicht genau zuordnen, denn er war noch immer schlaftrunken. Neben ihm in dem Bett des Gasthofes lag die noch immer unbekleidete Helena. In der Tat schien die Priesterin ein Verlangen gehegt zu haben, für dessen Befriedigung der Fremde eine willkommene Möglichkeit gewesen war. Und die er auch gerne angenommen hatte. Entsprechend wenig hatte er selbst geschlafen und fühlte sich, gemischt mit den Auswirkungen des Biers, recht ausgezehrt. Nun versuchte er sich zu konzentrieren und zu lauschen.

      Er brauchte nicht lange, um die Geräusche zu deuten. Pferdehufe, Klingen, rufende Männer und die Schreie Sterbender.